Die Corona-Krise hat viele Opfer verlangt. Auch Borussia Dortmund hat deutlich innerhalb der Pandemie gelitten und nicht immer eine überzeugende Figur in der Öffentlichkeit gemacht. Unsere Autoren Robin Patzwaldt und Peter Hesse, beides glühende BVB-Verehrer seit den 1970er Jahren, haben sich ein paar Gedanken über ihren Lieblingsclub gemacht.
Peter Hesse: Hallo Robin, momentan gibt es ein paar Anzeichen, dass zum Ende der Saison ein Trainerwechsel an der Strobelallee ansteht. Wenn Lucien Favre tatsächlich weggehen sollte, ist das ein bisschen so wie bei ››Täglich grüßt das Murmeltier‹‹: Beginn wieder Beginn bei Null, wieder wirft die Jürgen Klopp-Ära lange Schatten, alles ätzend. Wer könnte als Nachfolger in Frage kommen? David Wagner mag ich ja als Typ, aber wird der Meister? Du brauchst schon einen Trainer in Dortmund, der medial was hermacht – nicht so eine Professoren-Diva wie Thomas Tuchel oder so ein unbeholfenes Sprecher-Drama wie Favre, dessen Wortschatz aus 60 rhetorischen Schablonen besteht. Oder, was meinst du?
Robin Patzwaldt: Hallo Peter! Dass ich mit der Lösung Favre persönlich nicht glücklich bin, das habe ich ja auch bei uns im Blog schon vor Monaten kundgetan. Eine Trennung zum Saisonende wäre aus meiner Sicht nicht das Schlechteste, was dem BVB passieren könnte. Seit 2015, als Klopp den Klub verließ, hatte der BVB mit seiner Trainerwahl nicht wirklich Glück. Ich persönlich war ja von der Arbeit Tuchels überzeugt. Doch persönliche Differenzen und das Drama rund um den Bombenanschlag auf den BVB-Bus haben eine weitere Zusammenarbeit leider unmöglich gemacht. Ich bedaure das noch immer. Tuchel hatte das Format für den BVB. Viele seiner Nachfolger nicht mehr. Und Favre eben auch nicht. Wer ihm nachfolgen sollte? Der BVB braucht einen namhaften Trainer. Ob der derzeit diskutierte Kovac das sein kann? Ich weiß es nicht. Schließlich ist ihm der Kader der Bayern ja kürzlich erst entglitten. Und ob ihm das Kunststück in Dortmund dann besser gelingen würde? Ich weiß es nicht. Wagner mag ich auch. Doch der ist ja derzeit mit Schalke in der Krise, was auch keine tolle Eigenwerbung für höhere Aufgaben wie den Meisterschaftskampf ist.
Peter Hesse: Findest du, dass Zorc und Watzke auch abtreten sollten, damit auch auf Funktionärsebene ein Neuanfang begonnen werden kann?
Robin Patzwaldt: Aus meiner Sicht ist das nicht nötig. Irgendwann wird sicher auch hier ein Neuanfang gemacht werden müssen, beide sind ja schon lange im Amt. Aber zu viel sollte man jetzt auch nicht umwerfen. Insgesamt läuft es ja nicht schlecht im Verein, es fehlt nur der letzte Kick nach ganz oben. Und in den unruhigen Corona-Zeiten sollte man eh erst einmal die Ruhe bewahren, denke ich. Noch weiß ja niemand wirklich, was in ein paar Wochen los ist. Was denkst du über Zorc und Watzke?
Peter Hesse: Wenn es zwei Leute gibt, die sich in den letzten 40 Jahren Vereinsgeschichte immer wieder lückenlos in den Dienst für den Verein gestellt haben, sind das Michael Zorc und Reinhard Rauball – immer haben sie besonders in Krisenzeiten das Heft in die Hand genommen und sind nach vorne geprescht. Im Zeitalter, wo jeder 16jährige talentierte Fußballer schon mit zwei Beratern aufkreuzt, muss es ein unglaublicher Kraftakt sein, sich mit diesen Herren, in deren Augen nur die Dollar-Zeichen aufblitzen, zu verhandeln. Aki Watzke stört mich mit seinen ewigen Dampfplaudereien und seinem „Business First“-Gehabe. Auch wenn der BVB in Dortmund eine Art Religionsersatz ist, sollte Watzke wissen, dass er nicht der schwarz-gelbe Papst ist. Der Diplom-Kaufmann aus dem Sauerland stellt die Wichtigkeit des Fußball-Business immer nach vorne – Peter Fischer als Präsident von Eintracht Frankfurt zeigt auf, dass man im Wirken rund um einen Fußballclub viel mehr gesellschaftliches Engagement bewirken kann: er stellt sich klar gegen die AfD, macht unglaublich viel gegen Homophobie und motivierte die Eintracht-Spieler während der Corona-Krise sich als Essensausfahrer zu engagieren. Ein Vereinspräsident muss meiner Ansicht nach mehr drauf haben als nur ein Machtmensch zu sein, der den Aktionären der angeschlossenen Kommanditgesellschaft geschönte Zahlen präsentiert. Falls Watzke bald abtreten sollte, könnte ich mir Ex-Evonik-Chef Klaus Engel sehr gut als BVB-Präsidenten vorstellen. Ist es für dich denkbar, dass Sebastian Kehl bald näher zu Michael Zorc aufrückt und seine Position beim Team bald von Mats Hummels bekleidet wird?
Robin Patzwaldt: Grundsätzlich vorstellbar ist das. Wobei ich ja mehr für die Leute mit Ecken und Kanten übrighabe. Wenn es nach mir ginge, dann könnte Mathias Sammer gerne eine größere Rolle im Klub bekleiden, vielleicht sogar als zukünftiger Trainer. Ich habe an ihm schon als Spieler sein Auftreten gemocht. Ich werde nie vergessen, wie er einmal in einem Spiel Andi Möller wortwörtlich auf dem Rasen in den Hintern getreten hat, weil dieser nicht wieder mit zurückgelaufen war. Der Spitzname ‚Feuerkopf‘ kam ja rund um die EM 1996 auch nicht von ungefähr. Er könnte das Profil des Vereins in Zukunft gut prägen. Kehl ist zwar ein feiner Kerl, mit aber zumindest nach außen zu glatt und zu brav. Vielleicht hat er intern ja mehr Profil, aber medial kommt er mir häufig in seinen Aussagen noch zu beliebig daher. Wenn es um das Personal geht, sehe ich aktuell jedoch unverändert auf der Trainerbank den größten Handlungsdruck. Da passt es aktuell einfach nicht wirklich gut.
Peter Hesse: Mal in die Tüte gesprochen – Angenommen du hättest das Recht einen neuen Trainer auszuwählen, wen würdest du holen?
Robin Patzwaldt: Puh, das ist aber eine echt fiese Frage. Der erste Impuls ginge natürlich in Richtung Liverpool. Klopp zurückzuholen, das wäre die wohl von vielen favorisierte Lösung. Das ist aber nicht nur unrealistisch, es wäre vielleicht auch gar nicht so gut. Häufig ist das mit dem Comeback im Sport in der Vergangenheit ja woanders auch schon schiefgegangen. Von den derzeit verfügbaren Trainern wäre mit neben Sammer auch die Vorstellung mit Niko Kovac nicht unsympathisch. Der hat allerdings in Bayern die Kabine verloren, was nie ein gutes Zeichen ist. Und ob er dann in Dortmund besser zurechtkäme, wo der Erfolgsdruck auch extrem hoch ist? Ich weiß es nicht. Aber er ist ein moderner Trainer, der sich gut verkaufen kann und mit den Medien auch in München zurechtkam. Das wirkte jedenfalls viel besser auf mich als das, was Favre beim BVB aktuell so abliefert. Und die Öffentlichkeitsarbeit ist für einen Coach eben auch wichtig, wie man an der aktuellen Trainerdebatte in Dortmund ja sieht. Schwierig. Aber wenn Sammer es nicht machen würde, dann könnte ich mit der Lösung Kovac sicherlich ganz gut ‚leben‘. Nagelsmann ist ja leider in Leipzig gelandet und Klopp in Liverpool glücklich. Und wie sieht das bei dir aus, Peter?
Peter Hesse: Ich weiß es nicht – ich denke Favre wird uns noch eine zeitlang erhalten bleiben, aber ob der ein Meistertrainer wird – so wie Otmar Hitzfeld und Jürgen Klopp? Es hilft derzeit nur eins: abwarten und Tee trinken.
Robin Patzwaldt: Warten wir nicht aber schon viel zu lang? Die Hinrunde 2018/19 war toll. Aber seither ist streng genommen kein Fortschritt mehr zu erkennen. Ich bleibe skeptisch, auf zugegebenermaßen immer noch recht hohem sportlichen Niveau.
Im Jahr 2012 war der BVB zum letzten mal deutscher Meister