Anfang 2008 gründete sich die RuhrStadt-Initiative. Gestern veröffentlichte sie ein Papier, das ein guter Grund ist, sich aufzulösen.
Auf dem ersten Treffen der RuhrStadt-Initiative sagte mir ein alter Freund: „Am besten ist Du gehts. Ich hab schon ein paar Mal erlebt wie sich solche Gruppen gründen. Es kommt nichts dabei rum und Du verschwendest nur Deine Zeit.“ Ein Jahr später merkte ich, dass er Recht hatte. Nach einem pompösen ersten Treffen in einem Lokal im Essener Süden in dem es eine versalzene Kartoffelsuppe gab, passierte erst einmal nichts mehr: Man redete über ein Logo, beschloss eine alberne Aktion, bei der in verschiedenen Städten Ruhrstadtfahnen gehisst wurden und umging jeden politischen Konflikt. Ich plädierte damals, man solle als Gegenstück zur Westfalen-Initiative auftreten. Die tat alle, um CDU und FDP davon abzuhalten, in der Landesregierung ihr Wahlversprechen, einen Ruhrgebiets-Bezirk umzusetzen. De RuhrStadt-Initiative sollte nun Druck auf die Parteien ausüben, genau dies zu machen.
Als ich merkte, das in diese Richtung keine Initiativen kommen würden, aber immer mehr PR-Leute in der sogenannten „Kreativgruppe“ aufliefen, ging ich ab Anfang 2009 nicht mehr zu den Treffen. Ich arbeitete, vor allem aus Wertschätzung zu Klaus Tenfelde und Uwe Knüpfer, noch an einem kleinen Buch mit, dass die Situation im Ruhrgebiet beschrieb und verschiedene Lösungsvorschläge wie ein Zusammenlegen der Nahverkehrsunternehmen vorschlug, aber das war es dann auch. Das ganze schien mir immer belangloser zu werden. Es ging immer mehr, das ist heute mein Eindruck, um Kontaktpflege auf niedrigem, Niveau und nicht mehr um das Ruhrgebiet und Politik.
Und dann kam gestern eine Mail mit vier Forderungen. Hui, dachte ich mir, werden die wieder aktiv? Haben die inhaltlich gearbeitet? Nach einer Minute war klar: Nö: Nicht dass die vier Forderungen falsch sind. Direktwahl des Ruhrparlamentes, Direktwahl des RVR-Chefs, eine eigenständige Finanzierung des RVR und Anreize zur Kooperation der Städte untereinander. Und wenn all dies heute Teil des Koalitionsvertrages von SPD und Grünen in Düsseldorf wäre, es wäre ein Erfolg – und die Umsetzung der Forderungen, die SPD und Grüne im Ruhrgebiet schon vor drei Jahren beschlossen haben.
Aber für eine Initiative, die einmal angetreten ist, Ideen für das Ruhrgebiet zu entwickeln, ist es ein wenig dünn, drei Jahre alte Papiere und SPD und Grünen zu kopieren. OK, Vorsitzende des Ladens sind mittlerweile Sabine von der Beck von den Grünen im RVR und Jochen Welt, Sozialdemokrat und ehemaliger Landrat im Kreis Recklinghausen. Brave Fahrensleute ihrer Parteien, die nicht dafür bekannt sind, jemals durch eigene Ideen aufgefallen zu sein. Aber wenn man bedenkt, mit welchen Ansprüchen das alles einmal begonnen hat vor fast fünf Jahren, ist es ziemlich mager, was dabei herausgekommen ist. Und es ist schon sehr lange sehr mager.
Vor einem Jahr hatten Chantal Stauder, Carsten Marc Pfeffer und ich einen Termin beim Schauspiel Bochum. Wir wurden gefragt, mit wem man eine Debatte über das Ruhrgebiet führen könnte. Wir sagten damals, dass es sich nur lohnt mit Klaus Tenfelde zu sprechen, der lebte damals noch, alle anderen Akteure seien verschlissen. Mein Rat war damals: Geht an die Unis, redet mit den Studenten und macht Euch auf die Suche nach neuen Ideen. Es gab zwar kein zweites Treffen mit dem Schauspielhaus-Leuten, aber im Kern war das richtig: Die Initiativen, die es noch gibt, sind zu unbedeutend, um noch mit ihnen zu diskutieren.
Vielleicht muss man das Ruhrgebiet und seine Probleme ganz neu denken. Oder sich mit seinem Verfall der Region und dem Elend der hiesigen Politik einfach abfinden und gehen, wenn es einem nicht mehr passt.
„Sich mit seinem Verfall der Region und dem Elend der hiesigen Politik einfach abfinden und gehen, wenn es einem nicht mehr passt.“
Mir scheint, dass diese „Lösung“ insbesondere von den Qualifizierten in Anspruch genommen, auch von solchen, die eigentlich Fans des Ruhrgebiets sind. Nur hat auch das Fansein dort ein Ende, wo sich eine Region derart negativ entwickelt, dass man dort nicht einmal „tot über dem Zaum“ liegen möchte.
An Letzterem arbeiten die lieben Stadtväter und -mütter mit aller Intensität.
Seit ich in Gelsenkirchen lebe, also seit fast 5 Jahren, weiß ich was Vetternwirtschaft und politischer Filz bedeutet. Wahrscheinlich gibt es soetwas in jeder Kommune genauso wie auf höheren politischen Ebenen. Aber weder in Münster, noch in Hamburg oder Frankfurt ist mir das in so krassem Maße aufgefallen wie in Gelsenkirchen. Dazu kommt eine völlige Selbstüberschätzung und großspurige Überheblichkeit der Politik den Bürgern gegenüber, die zwar viel verspricht, aber im Endeffekt nichts leistet.
Als Ursache für diesen Klüngel meinte ich eine zeitlang immer die Sozialdemokratie erkannt zu haben, die bis auf kurze Intermezzos DIE Regierungspartei der Nachkriegszeit in den Ruhrgebietsstädten und dem Land NRW war. Aber es gab halt auch diese kurzzeitigen Unterbrechungen, in denen die CDU für eine Wahlperiode die Macht in diversen SPD-Hochburgen und sogar im Land erlangte. Rückblickend hatten die Christdemkraten an Rhein/Ruhr und in Düsseldorf allerdings nichts besseres zu tun, als dem roten Filz einen schwarzen Anstrich zu verpassen, statt mit durchgreifenden Reformen an den Kirchturmdenkstrukturen etwas zu ändern. Mit der letzten Landtagswahl dürfte sich die CDU an Rhein und Ruhr soweit zerlegt haben, dass sich mit den nächsten Wahlen nicht viel an den politischen Verhältnissen verschieben wird, weder auf Kommunal-, noch auf Landesbene. Rotgrün wird seine Macht wohl noch weiter ausbauen.
Vielleicht ist die derzeitige Katastrophe der CDU aber auch eine Chance für diese Partei, nämlich dann, wenn sie es schafft, der Idee einer Ruhrstadt oder eines Reg.Bez. Ruhr neues Leben einzuhauchen. Politiker, die in diesem Zusammenhang ähnlich wie Helmut Diegel ticken, dem Ex-RP aus Arnsberg, der seinen Regierungsbezirk zugunsten eines Reg.Bez. Ruhr abschaffen wollte, dürfte es in der NRW CDU eigentlich zu Hauf geben. Eine durchgreifende Verwaltungsreform in NRW in bezug auf die Regierungsbezirke und die Ruhrgebietskommunen ist mehr als von Nöten und würde nicht nur helfen Geld einzusparen, sondern auch Zukunft zu gestalten. Wahrscheinlich würde sie sogar von einem Großteil der wenigen Bürger, die noch wählen gehen, getragen und vielleicht könnte man damit sogar Wahlen gewinnen.
Mit den derzeitigen Oberbürgermeistern im Revier und der neuen alten Landesregierung wird sich jedenfalls nichts ändern. Eine der ersten Amtshandlungen der Rotgrünen Minderheitsregierung war bereits 2010 die Abberufung Diegels als RP und das Festschreiben des Bestandes der Regierungsbezirke in der bekannten Form im Koalitionsvertrag. Und wahrscheinlich ist es illusorisch, daran zu glauben, die CDU oder eine andere Oppositionspartei könnte sich eine Ruhrgebietsreform als politisches Ziel auf ihre Fahnen schreiben.
Man wird sich also damit abfinden müssen, dass es dem Ruhrgebiet in Zukunft eher noch schlechter geht als das es besser wird. Hier wegzuziehen halte ich deshalb für eine gute Idee. Man kann ja, so wie ich es getan habe, nach jahren irgendwann einmal wieder hierhin zurückziehen. Muss es aber nicht. Auf jeden Fall wird man ausserhalb des Ruhrgebietes feststellen, dass der Spruch: „Hier im Revier ist es auch schön“ was für den hohlen Zahn ist, denn schön ist was anderes, was man spätestens dann feststellt, wenn man sich anschaut was andere Kommunen oder Ballungsräume unter schön verstehen.
Es war schon zu Kaiser Wilhelms (Schwachkopf u. Kriegstreiber!) und zu Bismarcks Zeiten so, dass möglichst keine politische Macht ins Ruhrgebiet sollte!
Das ist heute noch so, siehe, die Landesregierung ist in Düsseldorf, das Ruhrgebiet schön aufgeteilt in die Bezirksverwaltungen (früher Regierungsbezirke) Düsseldorf, Arnsberg und Münster und der Kommunalverband ist ein Papiertiger.
Als politische Hauptstadt des Ruhrgebiets wäre Essen geeignet. Da half auch
keine Weltkulturstadt, nicht wahr Herr Pleitgen, es hat viel Geld gekostest und nichts Nachhaltiges gebracht. Bemerkenswert war das Sonntagstreffen der Bürger auf der A 40, aber sonst…..???
Die Zeit für Veränderungen ist ja wohl nicht nur gekommen, sondern bereits schmerzhaft überschritten. Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass wir Bürger im Revier solche schlappschwänzigen Lemminge sind, die Alles mit sich machen lassen.
Die dümmsten Leuchtturmprojekte, wie Jahrhunderthalle und Musikzentrum werden in Bochum von ungebremsten, anscheinend schmerzfreien „Bürgervertretern“ in klüngelhaftester Weise durchgepeitscht. Selbst wenn die deutliche Mehrheit der Bochumer gegen diese Projekte ist, weil die aktuell beschlossenen Einsparungen den Bochumern gerade sehr, sehr weh tun und eigentlich gar nicht zu vermitteln sind, gibt man Millionen für eine kleine Minderheit an Orchesterinteressierten aus, die die Stadt nicht hat und per Kredit finanzieren muss.
Alle Bochumer müssen darunter leiden, wenn ein paar Wenige ihren Spaß am Luxus haben!?
Gut. Gehen wir mit gutem Beispiel voran.
Entwickeln die Ruhrbarone-Autoren mit Lesern etc. ein programm, was gemacht werden müsste.
Die CDU übernimmt das dann, weil einzige Chance vielleicht doch mit viel Glück nochmal mehr Stimmen als die SPD zu bekommen…
und peng. So einfach is das. 😀
@Tux: Sehr schöne Idee. Im Ernst. Wie sollen wir das machen? Ein Wiki? Jeder schreibt einen Text zu einem Thema und dann wir der diskutiert? Hast Du Ahnung von solchen Projekten? Wir wären dabei!
Genau,ein Wiki… mit liquid dingenskirchen und edit wars… aber einen Versuch wäre es wert.
Das Problem an der Ruhrstadtdebatte ist: sie wird fast ausschließlich in den Grenzen des RVR geführt.
Aber es ist heller Wahnsinn, nur um auf fast 5 Mio. Einwohner zu kommen, ein Monster von Alpen bis Breckerfeld zu fordern, das zwar eine doppelt so hohe Bevölkerungsdichte wie NRW aufweist, aber auch nur ein dreieinhalbtel von Berlin!
Mal eben abends mit den Ruhrverkehrsbetrieben und dem schnellen Nahverkehrszug ins Theater eines anderen „Ruhrstadtbezirks“ – das ist doch bei diesen weiten Strecken eine Illusion!
Die Kreisfreien von Duisburg bis Dortmund, und von den Landkreisen nur die direkt angrenzenden Speckgürtelstädtchen, das wäre eine schlagkräftige Einheit, in der eine Infrastrukturpartnerschaft Sinn macht und Früchte tragen kann, in der eine Metropolenidentität wachsen kann, ohne vom Nichtzugehörigkeitsgefühlen an den abgelegenen Rändern, die sich eh ausschließlich mit dem Umland identifizieren, ausgebremst zu werden.
@Stefan: wenn ihr das durchzieht, fänd ich das wirklich toll.
Wäre ein Mammut-Projekt, aber ohne sowas herrscht ja wenig Hoffnung…
Ich kann da mit meinen Erfahrungen nicht wirklich helfen.
Denke schon, dass ein Wiki ein guter Start wäre. Von der Piratenpartei wird man da noch am ehesten nutzvolle Erfahrungsberichte bekommen.
Es müsste für jeden Bereich einen verantwortlichen Autor oder Gruppe geben, der/die einen Ausgangstext liefert/liefern, der durch Diskussionen verfeinert werden müsste.
Ein Wiki sollte aber nicht diese Diskussion komplett übernehmen. Ich halte physische Treffen immernoch für effizienter und ergiebiger. Online könnte es aber der Vordiskussion dienen oder Argumentationssammlung.
Auf den physischen Treffen müsste man sich jeweils auf ein Thema konzentrieren, bis irgendwann ein Ergebnis feststeht, bevor man das nächste Thema behandelt. Den Weg müsste man noch diskutieren wie genau ein Endtext produziert werden soll, damit sich niemand vor dem Kopf gestoßen fühlt…
am Besten einfach mit einem Thema starten, was eher weniger diskussionsbedürftig wird, und Erfahrung davon dann für die weiteren Bereiche nutzen. Ihr als Ruhrbarone habt eigentlich alle nötigen Kontakte an Experten mit Visionen…
das wäre aber vielleicht ein Punkt, den man am Anfang diskutieren sollte… will man eine Vision (z.B. Ruhrstadt) orientiert sich an pragmatischen Vorschlägen, die auf leichtere Umsetzbarkeit ausgelegt sind (z.B. Regierungsbezirk Ruhrgebiet).
Mein Beitrag zum Mammut-Projekt. Schon etwas älter aber leider immer noch aktuell :
https://www.ruhrbarone.de/wie-real-ist-die-ruhrstadt/
Geschrieben wurde allerdings in diesem Blog schon sehr viel zum Thema. Und diskutiert auch. Es reichte schon, wenn das alles mal an einer Stelle zusammentragen würde. Das ist schon eine Menge Stoff.
Aber es wird nicht viel ändern. Da hat „der, der auszog“ # 2 recht. Die letzte Landtagswahl, deren Ergebnis ich gesamtpolitisch eher positiv fand, ist für das Ruhrgebiet leider nichts anderes als der Freibrief, alles so zu lassen wie es ist.