Auch in Deutschland werden mittlerweile viele Patienten wegen Covid-19 auf einer Intensivstation behandelt. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) verzeichnet in ihrem Intensivregister mit dem Stand vom 28.04.2020 um 9:15Uhr 2467 intensivmedizinisch behandelte „Corona-Patienten“.
Doch was bedeutet das überhaupt? Warum müssen Covid-19-Patienten auf die Intensivstation? Was ist maschinelle Beatmung? Wie funktioniert ein Beatmungsgerät? Wie sieht die Behandlung eines Covid-19-Patienten auf einer Intensivstation aus? Warum liegen die Patienten alle auf dem Bauch? Wer arbeitet auf einer Intensivstation?
Diese und weitere Fragen wollen wir in unserer neuen Rubrik „intensiv erklärt“ für Laien verständlich beantworten.
Im ersten Teil haben wir erklärt, was ein Beatmungsbett ist und wie es funktioniert. Im zweiten Teil, warum manche Patienten überhaupt künstlich beatmet werden müssen und im dritten Teil ging es nochmal genauer um das schwere Lungenversagen, welches offenbar auch durch Covid-19 ausgelöst werden kann, und warum diese Patienten häufig auf dem Bauch liegen. Wer auf einer Intensivstation arbeitet, war Thema in Teil vier. Teil fünf behandelte das komplexe Thema der Patientenautonomie. Aufkommende Fragen aus den Teilen eins bis fünf haben wir in Teil sechs beatwortet.
Heute beschäftigen wir uns mit dem Thema der Extracorporalen Membranoxigenierung (ECMO), einem Verfahren, welches Patienten mit einem schweren Lungenversagen helfen kann. Vereinfacht könnte man eine ECMO als Herz-Lungen-Maschine bezeichnen. Das Blut des Patienten wird hierbei außerhalb der Körpers vom Kohlendioxid befreit und mit Sauerstoff gesättigt. Wie das genau funktioniert und wann man dieses Verfahren überhaupt einsetzt, darum geht es in diesem Teil.
Bei der ECMO wird die Funktion der Lunge, also der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Lungenbläschen und rotem Blutkörperchen, ganz oder teilweise ersetzt. Der Austausch der Gase findet nicht mehr in der Lunge statt, sondern außerhalb der Körpers. Die ECMO ersetzt die Lunge sozusagen. Demnach handelt es sich um ein Organersatzverfahren.
Klingt gefährlich
Klingt tatsächlich gefährlich, ist vor allen Dingen aber ein hochkomplexes Verfahren, welches entsprechende Erfahrung und Expertise voraussetzt. Eine ECMO-Therapie wird daher auch nicht in jeder Klinik durchgeführt, sondern lediglich in Universitätskliniken und anderen großen Krankenhäusern. Leitlinien diverser medizinischer Fachgesellschaften fordern mindestens 20 Anwendungen pro Jahr, um eine ausreichende Expertise aufrechterhalten zu können. Diese 20 Anwendungen pro Jahr sind vielen Experten zu Folge allerdings noch zu wenig. Laut DIVI-Intensivregister sind mit Stand vom 28.04. gut 30000 Intensivbetten vorhanden, in 739 davon kann eine ECMO-Therapie erfolgen. 232 dieser Betten sind aktuell belegt.
Wann macht man das nun?
Patienten mit einer schweren Störung des Gasaustausches können von einer ECMO profitieren, in der Regel leiden die Patienten unter einem schweren Lungenversagen. Anhand des Verhältnisses, wie viel Sauerstoff man dem Patienten zuführt und wie viel davon dann im Blut landet, wird eine Schweregradeinteilung des Lungenversagens vorgenommen. Ab einem bestimmten Wert ist es indiziert, den Patienten mit einer ECMO-Therapie zu behandeln.
Wie funktioniert das?
Das Gerät besteht aus mehreren Komponenten. Die wichtigsten sind eine Pumpe, um das Blut außerhalb des Körpers zu transportieren und ein Filter bzw. eine Membran. Dies ist ein ganz feines Kapillargeflecht, durch das einerseits das Blut und andererseits Sauerstoff fließt. Da die Kapillarwand sehr dünn ist, kann wegen des Konzentrationsgefälles – wie im Lungenbläschen – Sauerstoff ins Blut und Kohlendioxid aus dem Blut heraus.
Wie sieht das nun praktisch aus?
Zunächst muss das Blut des Patienten in das Gerät gelangen. Dafür muss als erstes eine sehr große, etwa fingerdicke Kanüle in ein Blutgefäß eingelegt werden. In der Regel nimmt man dazu eine Vene, also ein Blutgefäß, welches Blut zum Herzen zurückführt, in der Leiste. Das Blut, welches dann außerhalb des Körpers mit Sauerstoff versorgt wird, muss auch wieder zurück in den Körper. Dafür benötigt man also einen weiteren Zugang zu einem Blutgefäß. In der Regel nimmt man dort die Vene in der anderen Leiste oder auch eine am Hals und legt dort auch eine Kanüle – ein etwas kleinere – ein. Blut mit wenig Sauerstoff und viel Kohlendioxid wird nun über die eine Kanüle entnommen, durch ebenso dicke Schläuche mit Hilfe der Pumpe in und durch den Filter gepumpt, dort mit Sauerstoff versorgt und von Kohlendioxid befreit und anschließend über die zweite Kanüle wieder ins Blutgefäßsystem gegeben. Die Aufgabe der Lunge, also das Blut mit Sauerstoff zu versorgen und Kohlendioxid zu entfernen, wird also übernommen.
Warum macht man das?
Ziel der ECMO-Therapie ist es einerseits sicherzustellen, dass in den Zellen ausreichend Sauerstoff ankommt und dass Kohlendixoxid abgegeben werden kann. Da man aber nicht den Rest seines Lebens an der ECMO verbringen kann, geht es eigentlich darum, die Lunge zu schonen, damit sie sich wieder regenerieren kann. In Teil zwei haben wir besprochen, dass künstliche Beatmung eigentlich gar nicht gut für die Lunge ist, insbesondere wenn diese mit hohen Drücken erfolgt. Hohe Drücke bei der Beatmung sind bei Patienten mit schwerem Lungenversagen jedoch notwendig. Die ECMO-Therapie soll der Lunge also Zeit geben, sich zu erholen und sich zu regenerieren, damit sie wieder ihrer Aufgabe nachgehen kann.
Aber es ist doch eine „Herz-Lungen-Maschine“?
Sehr gut aufgepasst. Bisher haben wir nur darüber gesprochen, dass die ECMO die Lunge ersetzt. Es ist allerdings auch möglich, die Funktion des Herzens ganz oder teilweise zu kompensieren. In der Regel ist dies bei Covid-19-Patienten aber nicht notwendig, daher gehen wir hier nur kurz darauf ein. Um die Herzfunktion zu übernehmen, muss die Rückgabekanüle in eine Arterie, also ein Blutgefäß welches Blut vom Herzen wegführt, eingelegt werden. Dadurch wird daS Blut aus dem ECMO-Gerät durch die Pumpe ins arterielle System gepumpt, in das Gefäßsystem, in das das Herz das Blut pumpt. Dadurch, dass die Pumpe der ECMO die Aufgabe des Herzens übernimmt, kann sich – wie bei der Lunge – das Herz erholen. Dies kann bei Patienten notwendig werden, die z.B. einen schweren Herzinfarkt haben oder eine Entzündung des Herzmuskels, wodurch das Herz nicht mehr ausreichend Kraft hat, um das Blut durch den Körper zu pumpen. Auch für Patienten, die so schwer am Herzen erkrankt sind, dass sie ein „Kunstherz“ oder eine Herztransplantation brauchen kann eine ECMO eine Überbrückung sein, bis eben das Kunst- bzw. Spenderherz zur Verfügung steht.
Stark vereinfacht und verkürzt
Wie bei alle Themen hier bisher ist auch dieser Teil wieder stark verkürzt und vereinfacht dargestellt, damit jeder ihn verstehen und die Grundprinzipien der ECMO-Therapie nachvollziehen kann.
Gibt es weitere Fragen, die wir klären sollen, oder gibt es Unklarheiten zu bereits thematisierten Dingen? Einfach als Kommentar unter diesen Artikel, wir versuchen dann, Klarheit zu schaffen.
Unser Autor Simon Ilger ist Krankenpfleger und arbeitet seit vielen Jahren auf der Intensivstation.