Bericht aus der iranisch-kurdischen Stadt Javanrud, geschrieben von einem Bürger der Stadt, der natürlich anonym bleiben will. Übersetzt und bearbeitet von unserem Gastautor Thomas von der Osten-Sacken.
Seit dem Beginn der landesweiten Proteste im Iran demonstrierten in den kurdisch bewohnten Gebieten mehr Menschen als in anderen Städten des Landes, sodass das Mullah-Regime den Ursprung des Aufstands mit kurdischen Parteien in Verbindung brachte, um die öffentliche Meinung vom allgemeinen Unmut überall im Iran abzulenken.
Unter den kurdischen Städten ist Javanrud eine derjenigen, deren Bewohner sich besonders aktiv und mutig zeigten. An den landesweiten Protesten beteiligten sich die Menschen dieser Stadt auf unterschiedliche Weise, etwa durch Streiks und Demonstrationen.
Während der Proteste und nachdem die ersten Menschen in der Stadt Javanrud getötet worden waren, erreichte die Solidarität und Einigkeit gegen das Regime ihren Höhepunkt, sodass fast alle Menschen der Stadt an der Beerdigung eines der Verstorbenen teilnahmen. Diese Einheit und Solidarität lösten unter den Söldnern des Regimes Angst und Panik aus – besonders weil sie von großem Mut begleitet war und die Bevölkerung stunden- und tagelang gegen das Regime protestierte.
Die Angst des Regimes veranlasste es, Waffen wie Maschinengewehre gegen die Demonstrationen einzusetzen und in kurzer Zeit eine große Anzahl von Menschen zu töten und zu verletzen. Die Sicherheitskräfte des Regimes erwarteten, dass die Menschen nach diesem Massaker aufhören würden zu protestieren, aber das taten sie nicht, sondern nahmen stattdessen koordiniert und vereinter an den landesweiten Streiks teil, und die Stadt war zwei Wochen lahmgelegt.
Diese Streiks und Proteste dauern immer noch an und die Angst des Regimes vor der Bevölkerung hat ihre Reaktion auf die Proteste noch heftiger gemacht. Das Regime hat die Stadt vollständig umzingelt und die Menschen wirtschaftlich unter Druck gesetzt. Javanrud ist eine Grenzstadt zum Irak mit einem Handelsbasar und um die Menschen noch weiter unter Druck zu setzen, hat das Regime neben der Schließung der Geschäfte und der Verhaftung einer großen Anzahl von Menschen eine Reihe von Hindernissen im Wirtschaftsleben der Menschen geschaffen:
- Kein Fremder darf die Stadt betreten.
- Waren dürfen den Basar von Javanrud nicht verlassen.
- Außer lebensnotwendigen Lebensmitteln dürfen keine Handelswaren in die Stadt eingeführt werden.
- Personen können keine Waren per Post empfangen und versenden.
Dies sind einige Beispiele für Dutzende von Beschränkungen, die das Regime durch die Revolutionsgardisten und eine Person namens »Sarader Asiyabani« für die Bevölkerung von Javanrud erlassen hat.
Laut den Statistiken war Javanrud schon vor den Protesten eine der Städte mit extrem hoher Arbeitslosigkeit im Iran, aber seit der der Grenzmarkt geschlossen wurde, droht vielen Menschen das endgültige wirtschaftliche Aus. Außerdem verhaftet das Regime Tag und Nacht Menschen und unsere Stadt befindet sich seit Wochen in einem Belagerungszustand. Das Internet ist die meiste Zeit ausgeschaltet und die Menschen hier haben kaum noch Kontakt zur Außenwelt. Deshalb die Bitte: Seid die Stimme von Javanrud und der vielen anderen Städte, denen es ähnlich geht.
Der Text erschien bereits in der Jungle World