Islamischer Staat: Joseph Conrad, Marlon Brando und die Pick-Up-Kohorten

Joseph Conrad
Joseph Conrad

Die Propaganda von IS/ ISIS besteht in dem Versprechen, Gewalt zu entgrenzen, soll man deren Bilder zeigen oder nicht? Genauer: Soll man sie zeigen, damit wir sie lesen lernen, oder nicht zeigen, weil wir sie lesen können. Ein Versuch von unserem Gastautor Thomas Wessel. 

„Ein junger Mann posiert vor einem Zaun mit spitzen Elementen, wie er hierzulande in gutbürgerlichen Gegenden als Zierde und Grenzmarkierung vor gepflegten Vorgärten gut vorstellbar wäre. Auf den Zaunspitzen in jenem Foto aber stecken abgeschlagene Köpfe.“

So beschreibt Caroline Ulh auf welt.de ein Foto, mit dem sich der ISIS beim WDR vorgestellt hat, „Hart aber fair“ hat es am Dienstag als Einstieg genutzt. Uhl meint, man hätte „kaum hässlicher zeigen können, um wen es geht“ – ist das so? Das Motiv, wenn man es so nennen will, hat eine europäische Geschichte:

„… einundzwanzig Köpfe wurden nach Stanley Falls gebracht, wo Kapitän Rom sie als Einfriedung eines Blumenbeetes vor seinem Haus eines hohen Offiziers aufstellte.“

So 1897 Edward James Glave, britischer Geschäftsmann im Kongo, wo Leopold II., belgischer König aus deutschem Haus, zwischen 1885 und 1908 ein auch für damalige Verhältnisse äußerst barbarisches Kolonialreich errichtet hatte. Glave hatte über seine Zeit im Kongo Tagebücher geschrieben, ein Jahr nach deren Veröffentlichung tauchte das Motiv des Schrumpfkopf-Zauns auf einem Kongress der „Royal Statistic Society“ auf, die sich mit dem Kongo als einem „Experiment wirtschaftlicher Expansion“ befasste, und kurz darauf im Kongressbericht der „Saturday Review“, die wiederum von Joseph Conrad gelesen wurde. Und der – so der schwedische Literaturhistoriker Sven Lindquist, dem wir diese Daten-Reise verdanken – beginnt tags darauf, am 18. Dezember 1898, mit der Niederschrift von „Heart of Darkness“, einem Jahrhundert-Werk mit enormer Wirkungsgeschichte, u.a. wird es Vorlage für Coppolas „Apocalypse Now“:

In Conrads Erzählung wird Stanley Falls, der Ort, an dem der grausige Zaun stand, zur „inneren Station“, dem Ziel einer semi-fiktionalen Reise ins Landesinnere, das Kongolesen „Herz der Finsternis“ nennen. Hier hat der geheimnisumwitterte Agent einer britischen Handelsgesellschaft, Mr. Kurtz – in „Apocalypse Now“ von Marlon Brando gespielt – eine Art Gottesreich errichtet: mystisch, terroristisch, mit Kurtz als Abgott [„sie beteten ihn an“) und Herrn über Leben und Tod:

„Er erklärte, er würde mich über den Haufen schießen, … denn er habe ein Recht, das zu tun, und Lust dazu habe er auch, und nichts auf der Welt könne ihn davon abhalten zu töten, wen immer wolle. Und das stimmte auch.“

Conrad stellt uns Kurtz als ideellen Gesamt-Europäer vor [„Ganz Europa hatte zur Erzeugung von Kurtz eingetragen“], getragen von hehren Ideen und lauteren Motiven, ein „Sendbote der Barmherzigkeit und der Wissenschaft und des Fortschritts und weiß der Teufel von was allem“. Auch der „Bericht“, den Conrad Kurtz verfassen lässt, beginnt in hohem Ton, „schwang sich empor und nahm mich mit. Die Schlusssätze waren herrlich, doch schwer im Kopf zu behalten, wisst ihr. Sie gaben mir die Vorstellung einer exotischen, von majestätischer Güte regierten Unendlichkeit. Ich war vor Begeisterung ganz kribbelig. Das also war die grenzenlose Macht der Eloquenz – der Worte – glühender edler Worte. Kein praktischer Hinweis, der den magischen Strom der Phrasen unterbrochen hätte, es sei denn, man wollte die viel später nachträglich mit zittriger Hand hingekritzelte – nun ja – Fußnote unten auf der letzten Seite als eine Anleitung zur Vorgehensweise ansehen. Sie war sehr schlicht, und am Ende dieses bewegenden Appells an alle selbstlosen Gefühle loderte es einem entgegen, leuchtend und erschreckend, wie ein Blitz aus heiterem Himmel: ‚Ausrotten das ganze Viehzeug‘!“

„Exterminate all the brutes!“ Wenig später gelangt Marlow, der Ich-Erzähler zur „Inneren Station“, durchs Fernglas sieht er „weder eine Einfriedung noch einen Zaun; aber anscheinend hatte es früher einen gegeben, denn in der Nähe des Hauses stand noch ein Halbdutzend dünne Pfähle in einer Reihe, grob behauen und oben mit geschnitzten Kugeln geschmückt.“

Und dann, das Boot ist näher heran gekommen, „machte ich eine ungeschickte Bewegung, und auf einmal sprang mich im Blickfeld meines Glases einer der übriggebliebenen Pfähle dieses einstigen Zauns an. […] Jetzt sah ich es plötzlich genauer, und im ersten Moment zuckte mein Kopf zurück wie vor einem Schlag. Da ließ ich mein Glas sorgfältig von Pfahl zu Pfahl schweifen, und ich erkannte meinen Irrtum. Diese Kugeln dienten nicht als Schmuck, sie hatten symbolische Bedeutung …“

Welche symbolische Bedeutung haben die aufgespießten Köpfe, die der ISIS westlichen Medien als Bildmaterial anliefert? Vorm Fernseher geht es einem wie Marlow, der durchs Fernglas schaut: Auf den ersten Blick ist klar, das Bild steht „für die Grausamkeiten, die IS in Teilen Syriens und des Iraks verbreitet“, so Uhl auf welt.de; auf den zweiten Blick zuckt der Kopf zurück wie vor einem Schlag, die Perspektiven brechen: Ähnelt sich Abu Bakr al-Baghdadi, „Kopf“ der ISIS, Marlon Brando an … ?

Das ist das Problem mit der Bildwelt der ISIS, sie ist uns vertraut. Sie spiegelt einen souveränen Umgang mit unserer kulturellen Gegenwart zurück. Die Pick-Up-Kohorten, die wie in „Mad Max“ durch Wüsten jagen, die Che-Guevara-Posen, die Pulp-Fiction-Coolness – ISIS zitiert Motive und ist in der Lage, ihnen eine zweite, dritte Bedeutungsebene zu geben, das Grauen, das sie anrichten, einzuflechten in die Bildwelt, die in unserem Alltag gilt, die Unterschiede zwischen Talkrunde und Kino zu verwischen, zwischen Plasberg und Apocalypse Now, zwischen uns und denen. Es ist ein Krieg der Bilder, Pallywood war gestern.

Soll man die Bilder zeigen oder nicht?Zitate aus: Joseph Conrad, Herz der Finsternis. Aus dem Englischen von Reinhold Batberger; Frankfurt/M 1995

Unser Gastautor Thomas Wessel leitet die Kirche der Kulturen in Bochum 

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philter
philter
10 Jahre zuvor

danke!

Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

Ich glaube kaum, dass die grausamen Bilder des ISIS-Terrors für „uns“ bestimmt sind. Der Terror und seine mediale Verbreitung zielt hier eher auf die Menschen in und um das Einflußgebiet der ISIS. Der Terror und seine Bilder sollen die Gegenwehr der Menschen (auch der gegnerischen Soldaten) schwächen und das „Missionieren“ erleichtern!
Ob wir sie hier zeigen oder nicht, ist wohl eher eine „Geschmacksfrage“ oder eine Frage der Zumutbarkeit….

abraxasrgb
abraxasrgb
10 Jahre zuvor

Wie oben schon steht: Ein VERSUCH … klassisch würde man es „Essay“ nennen. Mir fällt eher ein bzw. auf, dass sich da jemand in Dekonstruktion versucht, der es lieber hätte sein lassen sollen. In der Ökonomie der Aufmerksamkeit sind sex, crime and violence gute Kandidaten für „Thrill“. Das reicht, um Erfolg, im Sinne von Verbreitung oder Zuschauern zu haben. Ob es die Banalität des Blöden oder Absicht ist, dass mal wieder das Motiv, der Meinung des Autors nach, eine „europäische“ Geschichte hat? Methoden der archaischen Abschreckung und die Verbreitung von Angst und Schrecken, der lateinisch ja auch Terror genannt wird, dürfte älter als Europa sein und sind definitiv deutlich älter als die Selbstkasteiung europäischer Schreiber.

Selbst wenn die Bilder und Videos für diejenigen, die keine Suchalgorithmen beherrschen, in der Tagesschau gezeigt würden, kann man ja immer noch wegsehen, wenn man denn möchte.

Der mediale Unterschied zwischen Fakten und Fiktionen ist doch ohnehin schon sehr dünn. Nur ändert das nichts an der hässlichen Tatsache, dass bei der ISIS echte Menschen getötet werden, während es in der europäischen Kultur bei der, gut gemachten, Fiktion im Film und der Literatur bleibt.

YMMV 😉

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

Folgende Textstellen aus Hamed Abdel Samad: „Der Untergang des Islamischen Welt“ scheinen mir mehr Erkärung für die Bilder zu geben, die die Brutalität der IS zu beeinflusssen scheinen. Es ist eine Beschreibung arabischer-muslimischer Schulbücher zum Thema Westlicher Eroberung und Kreuzzüge

http://books.google.de/books?id=SYtqAgAAQBAJ&pg=PT16&lpg=PT16&dq=Brutalit%C3%A4t+der+Kreuzz%C3%BCgler&source=bl&ots=v_UGRr3fWw&sig=1GpbnrYJKBaVCN7c43uVPZCjjBI&hl=de&sa=X&ei=oAT-U_bQDoHBOI2jgDA&ved=0CCMQ6AEwAA#v=onepage&q=Brutalit%C3%A4t%20der%20Kreuzz%C3%BCgler&f=false

Helmut Junge
10 Jahre zuvor

Die geschriebene Geschichte ist voll von Beispielen der Grausamkeit, die Menschen zu allen Zeiten anrichten konnten. Wer die zitiert, sollte wissen, daß alle historischen Geschehnisse abgeschlossen sind.
Grausamkeiten in der Gegenwart sind aber jetzt. Und es ist sicher Zufall, was soll es sonst sein, daß wir Europäer seit drei Generationen eine Abneigung gegen Grausamkeiten entwickelt haben, diese aber oft mit Bildmaterial zeigen. Ob das zusammengehört oder widersprüchlich ist, kann ich nicht sagen. Es ist einfach so. Auch das Bildmaterial im Text von Thomas Wessel ist häufig öffentlich gezeigt worden. Auch aus der islamischen historischen Literatur gibt es solche Beispiele. Die sind aber kaum bekannt, sowohl bei uns, als auch im islamischen Bereich. Wer liest das schon? Zitiert wird europäische Literatur, oder Filmmaterial. Ich habe z.B. das Buch von Ibn Battuta „Reisen ans Ende der Welt“ auf dem Tisch liegen. Und da ist auf jeder Seite von Grausamkeiten islamischer Herrscher die Rede. Thomas Wessel hätte auch Ibn Battuta oder andere islamische Literatur bemühen können. nur wäre dann sein Kernsatz: „Das Motiv, wenn man es so nennen will, hat eine europäische Geschichte:“ nicht möglich gewesen. Eher wäre dann ein „so war es also schon immer im Islam“ naheliegend. Die allermeisten Grausamkeiten kenne ich übrigens aus dem Alten Testament . Das könnte @Wessel natürlich auch zitieren. Aber er zieht Episoden der europäischen Geschichte vor. Das tun merkwürdigerweise sehr viele Leute. Weil das so ist, habe ich auch immer häufiger ein Problem damit, wenn jemand sofort Vergleiche aus der europäischen Geschichte heranzieht, um damit Grausamkeiten durch Islamisten zu relativieren, zu erklären, bzw. zu verniedlichen. Was soll das eigentlich? Ist Grausamkeit nicht bei Menschen aller Schattierungen zu finden? Als Pfarrer müßte Thomas Wessel doch wissen, daß solche Veranlagungen nicht auf Europäer beschränkt sein können. Dann hätte das AT nicht im Orient geschrieben werden müssen, sondern hier.

Puck
Puck
10 Jahre zuvor


Stimmt, die Bilder sind bestimmt zur Abschreckung all derer, die sich womöglich der freundlichen Bekehrung zum wahren Glauben verweigern.

Die Bilder sind aber auch für „uns“ bestimmt um zu signalisieren: Wir scheißen auf Euer Humanitätsgedusel und Eure Werte.

Und vor allem sind die Bilder wohl auch an die gerichtet, die sich womöglich der IS anschließen wollen und genau diese Bilder. bzw. die Haltung die dahinter steckt, „cool“ finden, so unfaßbar das scheinen mag.

Stogumber
Stogumber
10 Jahre zuvor

Der von A. Voss zitierte Abdel-Samad ist ja nun der Meinung, so schlimm sei der europäische Kolonialismus gar nicht gewesen, nur würden die bösen islamischen Länder das nicht anerkennen. Von da ist es dann nur ein Schritt zu den Plänen für eine Neokolonialisierung des Nahen Ostens, wie sie z.B. bei Bernard Lewis und anderen Neocons auftauchen.
Im Zweifelsfall ist mir eine Kolonialismuskritik a la Conrad doch lieber.

Thomas Wessel
Admin
10 Jahre zuvor

Die Frage war: Soll man die Brutal-Bilder der ISIS zeigen oder nicht? Sich hier zu entscheiden, hat damit zu tun, ob wir die Bilder lesen können und wenn, wie wir sie verstehen. Als Beispiel dafür geht es oben um 1 spezielles Bild, das in der deutschsprachigen Öffentlichkeit als Beleg herangezogen wird für den besonderen [„archaischen“ usw.] Charakter der ISIS-Grausamkeit. Eben dieses Bild hat eine gut belegte europäische Geschichte. Sie steckt drin in dem, wie wir das Bild verstehen, was folgt daraus?

_Dass – @ abraxasrgb @ Helmut Junge – „sex, crime and violence“ halt „älter“ seien als Europa und es sie „immer schon“ gegeben habe? Eine brave Einsicht. Perfekt, um das Ganze – @ Helmut Junge – „zu verniedlichen“.

_Oder dass – @Arnold Voss – die Schulliteratur in der arabischen Welt verantwortlich sei? Ein großer Teil der ISIS-Killer stammt, Du weisst es, aus Europa, allein aus England sollen je Woche 20 neue zur ISIS stoßen: Auf englischen Schulen zählt Conrads Novelle zur Schulliteratur.

_Oder dass – @ Nancy @ andere – wir gar nicht gemeint seien als Augen- und Ohrenzeugen solcher Brutal-Fotos und Hiphop-Songs? Dazu Puck #6.

Deshalb die Frage: Zeigen oder nicht? Den Dschihad-Rapper, der James Foley ermordet und jetzt Gelegenheit hat, weitere Musikvideos zu drehen: zeigen oder nicht? Die Mad-Max-Konvois mit Macho-Typen vor Sonnenuntergang: zeigen oder nicht?

Einzige Antwort bisher war #3: Man kann ja wegsehen.

Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

@Helmut Junge: Richtig, Grausamkeit ist bei Menschen aller Schattierungen zu finden, besonders im Krieg.
Als Beispiel wäre da auch das Massaker von Nanking zu nennen, von dem es auch Fotos gibt, die trotz der Zensur und des Mangels an unabhängigen Reportern aus Nanking an die Öffentlichkeit gelangten. Die Motive für solche Grausamkeiten lassen sich nicht alle in einer Erklärung zusammenfassen.
Im Falle der ISIS und ihrer Brutal-Bilder ist die Botschaft aber klar – sie richtet sich an die Menschen in und um das Einflußgebiet der ISIS!
@Puck: Es mag schon sein, dass die Bilder nebenbei auch für “uns” bestimmt sind, um zu signalisieren, wir scheißen auf Euer Humanitätsgedusel und Eure Werte. Dann zeugt das aber eher von ideologischer Verblendung, als von rationalem Vorgehen, denn solche Bilder führen bei „uns“ eher zum Willen, militärisch einzugreifen.
Zur Frage: Soll man die Brutal-Bilder der ISIS zeigen oder nicht? Aber ja! Natürlich immer im Rahmen journalistischer Sorgfalt, was zumutbar ist oder nicht (ich weiß, das ist ein schwieriges Thema). Bilder von Grausamkeiten ähneln sich häufig – das liegt in der „Natur der Sache“. Ich würde einem speziellen Bild keine so überragende Bedeutung zumessen.

abraxasrgb
abraxasrgb
10 Jahre zuvor

@Thomas Wessel #8
Mir ist die „Argumentation“ zu abstrus, deshalb nur zwei generelle Anmerkungen.

Die Eingangsfrage, ob „man soll“ ist in der Form eines kollektiven moralischen Imperatives formuliert, darauf eben die Antwort des doppelten Könnens, „man“ kann das zeigen und „man“ kann hin- oder wegsehen. Die Verpflichtung sehe ich nicht. Das Zeigen der Bilder hat ISIS ja schon erledigt. Die Rezeption von Medien unterliegt immer noch der Auswahl des Rezipienten. Ob mit einer weiteren Verbreitung das Marketing von ISIS unterstützt wird, wage ich zu bezweifeln, denn die Ablehnung dürfte in der westlichen Welt größer sein.

Die Propaganda-Strategie der ISIS ist auf jeden Fall aufgegangen, wir diskutieren darüber … damit hat ISIS die Öffentlichkeit, die gewollt ist.

Die politische Frage dreht sich nicht um die Veröffentlichung von Bildern, sondern um die Verhinderung / Beseitigung der abgebildeten Taten / Täter.

Ben
Ben
10 Jahre zuvor

Lieber Herr Wessel, vielleicht sollten Sie etwas weniger Joseph Conrad und mehr Susan Sontag lesen. Insbesondere „Regarding the pain of others“ möchte ich Ihnen ans Herz legen. 😉

Helmut Junge
10 Jahre zuvor

@Thomas Wessel, wenn wir, Sie und ich, verstehen wollen, warum junge Männer sogar auch in unserer Gesellschaft so grausam werden, und das ist wichtig, wenn man den Wunsch hat, solche Entwicklungen in Zukunft zu verhindern, müssen wir m.E. wirklich nicht weit gehen und suchen.
Die meisten mir bekannten Zitate aus den Mündern solcher Männer finden Sie tatsächlich im Alten Testament. Und das hat seinen Grund darin, daß Teile dieses Alten Testaments, Moses betreffend, im islamischen Glauben eine fundamentale Bedeutung haben. Insofern stellt mein diesbezüglicher Hinweis auf das AT keine „Verniedlichung“ des Themas dar, wie Sie schreiben, sondern macht die Suche konkreter.

Thomas Wessel
Thomas Wessel
10 Jahre zuvor

@ Ben | Ich kenne das Buch, natürlich. Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen, die weiter helfen würden? Zeigen oder nicht? Auch [oder eben: gerade] dann, wenn es – mit Sontag gefragt – nicht mehr darum geht, ob ein Motiv eine reale Szene nachstellt, sondern wenn das Motiv selber „wie eine rekonstruierte Szene aus einem Film wirken kann“? Was die ISIS-Propagandabilder …

@ Nansy | … offenbar tun. So wie auch deren Propagandasongs sich mit einiger Lässigkeit der Pop-Musik bedienen. Ob adressiert oder nicht: Sowas erreicht nur die, die diese Sprachen sprechen. In Dinslaken z.B.

@ abraxasrgb #10 | Eine Frage kann kein Imperativ sein.

abraxasrgb
abraxasrgb
10 Jahre zuvor

#13 Ja, ist klar … deswegen sind Sätze, die mit „Du sollst …“ anfangen auch KEINE Gebote 😉
Frei nach Oscar Wilde: Es gibt keine imperativischen Fragen … nur imperativische Antworten.

Thomas Wessel
Admin
10 Jahre zuvor

@ Helmut Junge #12 | Nicht Ihr ernst: Das „Alte“ Testament sei verantwortlich dafür, dass ISIS und HAMAS als Killerhorden durch die Gegend ziehen? „Mose“ sei schuld?

Große Güte, Herr Junge. Ich habe Ihre Kommentare hier schätzen gelernt, deshalb irritiert mich das jetzt umso mehr. War auch schon in #5 irritiert, wie Sie da von einem kulturgeschichtlich bestens herleitbaren Bildmotiv schnurstracks weg- und auf die hebräische Bibel zugesteuert sind: Da, bei den Juden, da sei die Quelle des Übels, während das, was über die Herkunft dieses einen Bildmotivs aus dem aufgeklärten Kolonialismus nachweisbar ist, Ihnen als „verniedlichend“ gilt. Ich bin wirklich froh, dass ich Ihr Denken bisher anders kennen gelernt habe.

Helmut Junge
10 Jahre zuvor

@Thomas Wessel, Sie bemühen sich seit Wochen, uns klar zu machen, daß die Terroristen, wie Isis oder Al Kaida selber nicht religiös seien. Ich nehme diese Leute aber in ihrem eigenen religiösen Anspruch ernst. Daraus resultiert unsere unterschiedliche Einschätzung des Hintergrunds deren Gräueltaten. Ihre polemische Frage, ob Mose Schuld sei, kann ich nicht wirklich beantworten, weil ich zwar weiß, daß Moses im Koran als wichtiger Prophet eingestuft wird, aber nicht die Kompetenz besitze zu entscheiden, ob diese genannten Terroristen diesen Koran richtig oder nicht richtig auslegen.
Sie können die Stelle, die ich mal als Beispiel ausgesucht habe, ja selbst lesen, wenn Sie die nicht kennen sollten.
http://www.wort-und-wissen.de/bibel/bibel.php?b=4&c=31&vr=ulu

Ich weiß nicht, (noch nicht), ob im Koran dieselben Textstellen stehen, wie in Ausgabe des AT der Luther-online-Bibel, die ich so schlimm finde.
Christliche Fanatiker aller Zeiten haben sich jedenfalls fast immer auf das AT bezogen. Aber vermutlich waren das alles in Ihren Augen auch keine religiösen Menschen, und auch für die passen dann solche Zitate nicht.
Aber diese Zitate gibt es. Und ich bin überzeugt, daß viele Menschen daran glauben.
Darum schreibe ich dann auch Kommentare, die Sie offenbar nicht gerne lesen. Denn Sie verdrängen diese dunklen Seiten aus fernen Zeiten, die heutzutage gar nicht mehr in die europäische Welt passen. Aber damit basteln Sie sich ein eigenes Weltbild, das kaum geeignet sein wird, diese Form des religiösen Terrorismus zu verstehen.

Thomas Wessel
Admin
10 Jahre zuvor

@ Helmut Junge | Ist Ihr europäisches Menschenbild – Grausamkeit seien „dunkle Seiten aus fernen Zeiten“ – nicht doch etwas geschichtsvergessen? Mindestens die Hälfte der millionenfachen Morde von Wehrmacht u.a. wurde in Handarbeit erledigt. Dass eine derartige Brutalisierung nicht nur möglich war, sondern sich bestens mit gutbürgerlichem Standards vertrug, war in den Kolonien erprobt worden. Dass sie jederzeit wieder möglich sein könnte, war die Lektion der Kriege in einem Yugoslawien, das damals zerfiel wie heute der Irak.

Was Religion betrifft: Grundsätzlich geht es nie darum, ob jemand religiös oder nicht-religiös sei, sondern immer darum, wie jemand mit dem Zweifel an dem, was immer er glaubt, umgeht. Wie jemand die Differenz zwischen Sollen und Sein – religiös, nicht-religiös, denkend, praktisch – bewältigt. Nicht WAS, sondern WIE jemand glaubt, ist das entscheidende Unterscheidungsmerkmal. Es findet sich –

Stichwort Islam – selbst innerhalb des terroristischen Islams wieder: Im Spiegel-Interview erklärte ein anerkannter Terrorexperte vor drei Tagen, die Selbstmordattentäter, die das militärische Surplus der ISIS sind, seien „fast immer ausländische Kämpfer, sie kommen also nicht aus Syrien. Die westlichen Dschihadisten sind häufig radikaler als etwa die einheimischen Islamisten, die ihrerseits Suizidattentate verweigern. […] Einheimische Dschihadisten sind mit diesen extremen Gewalttaten oft nicht einverstanden und argumentieren, das habe nichts mit ihrer Religion zu tun.“ – Interessant. Sind deshalb die aus dem gewalt-abholden Europa zugereisten Terrortouristen besonders glaubensfest? Eher nicht, neulich plauderte New Republic die Titel der Bücher aus, die zwei der britischen Dschihadisten kurz vor ihrem Abflug bei Amazon geordert hatten, sie lauten: “Islam for Dummies” und “The Koran for Dummies”. Rechtfertigung auf Bestellung, Lektüre für den Flug: “You could not ask for better evidence to bolster the argument that the 1,400-year-old Islamic faith has little to do with the modern jihadist movement.”

Eines nun doch zur Bibel: Es bleibt mir schleierhaft, wieso Sie jetzt, wo es um die Zeitgeistigkeit des Terrors geht, auf die jüdische Tradition wegweisen. Die Behauptung von Assmann u.a., Mose hätte eine neue Qualität von Gewalt in die Welt gebracht, ist x-fach zerlegt worden, Jan Assmann ist inzw. selber auf Distanz gegangen … Hier eine [ich gebe zu: bisher eher] jüdische Leseanleitung, sie gilt für die Bibel wie für, sagen wir: Bret Easton Ellis, nämlich dass es keine Vorbilder gibt, keine „Helden“, sakrosankte schon gar nicht, sondern eine Geschichte, in der sich alle – Gott inbegriffen – verändern.

Helmut Junge
10 Jahre zuvor

@Wessel, niemand hat eine neue Form von Gewalt aufgebracht, auch Moses nicht. Die Gewalt ist viel älter und auch erst recht älter als das Volk der Juden, älter als alle Völker.
Darum ist das, was irgendein Herr Assmann gesagt hat, absoluter Unsinn.
Es geht mir, und das haben Sie sehr genau verstanden, um den religiösen Zusammenhang, der von religösen Terroristen selbst in die Diskussion gebracht wird. Unter diesen Terroristen ist meines Wissens noch nie ein Jude gewesen,wohl aber Moslem und ehemalige Christen, die konvertiert sind. Warum Sie jetzt anfangen von einer jüdischen Tradition zu sprechen, ist mir nicht klar. Das ist aber ganz sicher nicht aus meinen Kommentaren abzuleiten.
Mein lieber Herr Wessel, wir sind an dem Punkt unseres Diskurses angekommen, wo ich mich frage, welchen Sinn es für mich macht, diesen Diskurs auf diese Weise weiterzuführen, denn wenn Sie jetzt mit mir darüber diskutieren wollen, was wer alles über Juden gesagt haben will, muß ich passen, und Sie müssen sich jemand anderen suchen. Dafür bin ich nicht zu haben.

Thomas Wessel
Admin
10 Jahre zuvor

@ Helmut Junge | #5: Sie wechseln das Thema, Ihr neues lautet „Altes Testament“. #12: Sie halten an Ihrem neuen Thema fest. #16: Sie halten weiterhin dran fest. – Ich will nicht rechthaberisch sein, aber Ihr Thema kam von Ihnen, meines steht oben im Text. Wie wär’s damit?

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

1. Der Hauptanteil der Isis-Kämpfer kommt nicht aus Europa geschweige denn ihre religiösen und militärischen Anführer ud ihre Geldgeber.
2. Die Mehrzahl der freiwilligen aus Europa ist nicht in dessen Tradition erzogen worden, sondern in der ihrer eingewanderten Eltern. sprich merheitlich in der musilimischen Wertewelt.
3. Die Konvertiten sind immer rigoroser und strenger in ihrer Glaubensauffassung als die „geborene“ Gläubige.

Von einer westlichen Bilderwelt kann also nur im Zusammenhang mit der Globalisierung gesprochen werden, die jedoch mehr die Form und Ästhetik als den Inhalt betrifft. Der Koran, egal ob für Dummies oder für Intellektis ist dessen gewalttätige Grundlage. Die ästhetische Aufbereitung dagegen ist im jeden Sinne modern. Das ist das Amalgam mit dem wir es zu tun haben, und es ist in keiner Weise überraschend.

Weder der Koran, noch die Bibel noch der Talmud haben sich für alle Gläubigen entsprechen der Zeit verändert. Es gibt in all diesen Religionen bis heute Leute, die die „heiligen Schriften“ wortwörtlich nehmen und danach leben wollen und Priester, Immane, Rabiner usw. die sie dabei unterstützen und anleiten. Deswege sind die Grausamkeiten der heiligen Texte auch heute noch von gleicher Relevanz wie zu ihrer Entstehung.

Das gleiche gilt für die aktuelllen Religionskriege. Sie werden mit modernsten Waffen und Medien geführt um die Grausamkeiten durchzusetzen die die Religion denen gebietet, die ihre Schriften immer noch wörtlich nehmen. Das ist eben kein Widerspruch sondern passte schon bei den Kreuzzügen perfekt zusammen. Deswegen sind Religionskriege immer schon auch als äußerst brutale Raubzüge angelegt, denn dauerhafte Gewaltausübung auf dem neuesten Stand der Technik setzen auch bei religiös motivierte Gewalttäter eine Menge an Recourcen voraus, bzw. müssen diese von den religiös Unterworfenen abgepresst werden.

Darin ähneln sie den politischen und rassistischen Vernichtungskriegen dieser Welt. Jedoch mit einem großen Unterschied: Wer sich dem Glauben der Religionskrieger anschließt, dessen Leben wird verschont. Arier dagegen konnte man nicht durch Bekehrung werden. Auch nicht weißer Kolonialist, wenn man Schwarz-Afrikaner war. Man konnte zwar noch auf Arbeit bis zum Tode hoffen, aber der Tod war durch die Rasse programmiert.

Natürlich muss man die Grausamkeit solcher Kriege, egal ob politisch oder religiöse oder durch beides zusammen begründet, der Welt zeigen. Man darf dabei nur nicht auf die Propagand derer reinfallen, die darüber Bilder in ihrem eigenen Herrschafts- und Abschreckungsinteresse produzieren.

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

@ Stogumer # 7

Sie sollten dieses Buch erst lesen, ehe sie sich eine Urteil bilden. Abdel-Samad beschönigt in keinem seiner Texte die Verbrechen des Kolonialismus. Er hält sie nur nicht für die einzigen Ursachen der Probleme in der islamischen Welt. Im übrigen hat sich die islamische Welt schon vor dem westlichen Kolonialismus in einer Weise gegenseitig bekämpft und unterworfen, die ihm an Brutalität und Willkürlichkeit neuer Grenzziehungen in Nichts nachsteht.

Helmut Junge
10 Jahre zuvor

Sie zitieren eingangs die Weltreporterin Catarine Uhl mit dem Satz: “Ein junger Mann posiert vor einem Zaun mit spitzen Elementen, wie er hierzulande in gutbürgerlichen Gegenden als Zierde und Grenzmarkierung vor gepflegten Vorgärten gut vorstellbar wäre. Auf den Zaunspitzen in jenem Foto aber stecken abgeschlagene Köpfe.”
Dazu meinen Sie: „Das Motiv, wenn man es so nennen will, hat eine europäische Geschichte:“
Als Begründung benennen als historisches Beispiel den Fall des Käpitän Rom, der 1897 mit 21 abgeschlagenen Köpfen den Zaun seines Vorgartens schmückte, und einen Film mit Marlon Brando, in dem diese Szene dargestellt wird. Mehr Beispiele bringen Sie nicht. Aber Sie glauben damit aussagen zu können, daß dieses Motiv mit den abgeschlagenen Köpfen eine europäische Geschichte, also seinen Ursprung in Europa hat. Auch wenn ich selbst noch viele andere Beispiele kenne, in denen Europäer in ihren Kolonien die Urbevölkerung massakriert haben, Köpfe abschlugen, und die in europäischen Museen sogar ausgestellt wurden, und zum Teil noch heute dort gelagert werden, ist ihre Aussage, „Das Motiv, wenn man es so nennen will, hat eine europäische Geschichte:“
falsch, denn bewiesen haben Sie lediglich, daß Europäer die gleichen Grausamkeiten wie die islamistischen Terroristen begangen haben.
Sie hätten schreiben können: „hat AUCH eine europäische Wurzel“.
Das hätte ich nicht kritisiert, und das wäre auch richtig gewesen. Angesichts ihrer dürftigen Quellenangabe auch angemessen.
Aber es gibt sogar noch Beispiele die uns zeitlich näher liegen und sich eignen, der Frage nachzugehen, ob die Bilder gezeigt werden sollen.
Das Massaker von My Lai, das 1968 von amerikanischen GI`s an vietnamesischen Zivilisten angerichtet wurde, wurde von den beteiligten Soldaten für das private Album fotografiert, wurde dann mit gut einem Jahr Verspätung doch der Öffentlichkeit bekannt. Das führte zu einem weltweiten Aufschrei der Empörung, besonders in Europa und besonders in Deutschland.
Wären die Fotos nicht veröffentlicht worden, hätte die öffentliche Meinung den Vorfall gar nicht wahrgenommen. Womöglich hätte das noch zu vielen weiteren Massakern dieser Art geführt.
Aber auch solche Beispiele reichen nicht aus zu behaupten, daß „“Das Motiv, wenn man es so nennen will, hat eine europäische Geschichte:“
Es gibt nämlich Beispiele, die nicht durch Fotografie belegt sind, die aber beschrieben wurden, und die viel älter sind, als der europäische Kolonialismus. Die Fotografie ist erst spät im neunzehnten Jahrhundert in Europa aufgekommen. In anderen Teilen der Welt gab es sie entsprechend später.
Aber fotografische Dokumente sind nun einmal eindringlich und bleiben lange im Gedächtnis haften.
Aus früheren Jahrhunderten ist uns nicht viel lesbare Literatur erhalten geblieben, aber dennoch bleibt genügend Material übrig, um zu belegen, daß schon die ältesten Dokumenten von Gräueltaten berichten. Diese Dokumente stammen aus Zeiten, als in Europa noch niemand schreiben konnte, und auch die Geburt des christlich-moslemisch-jüdischen Moses noch in weiter Ferne lag.
Wenn ich speziell das AT erwähne, liegt das daran, daß diese Literatur zwar vergleichsweise nur relativ alt ist, aber in vielen Kulturen sehr bekannt ist, und in drei Weltreligionen, nämlich dem Christentum, dem Islam und dem Judentum als religiöse Grundlage dient.
In diesem Text finden wir deshalb zwar nicht die ältesten, aber die bekanntesten antiken Hinweise auf Gräueltaten von Menschen gegenüber Menschen.
Und mein Hinweis auf diesen mir recht gut bekannten Text, den ich nicht als jüdischen sondern christlichen Text kenne, der seit Beginn des Christentums eng mit dieser Religion verknüpft ist, und dessen Ablehnung in der Antike bereits zum Ausschluß des Markions geführt hat, dient der Untermauerung der These, daß diese Art Gräueltaten schon lange begangen wurden, bevor es Europa als kulturelle Gemeinschaft gab.
Weil das Christentum und später der Islam, die ursprünglich jüdische Tradition aufgenommen und jeweils in ihr Bekenntnis integriert hat, ist es auch christliche Tradition und islamische Tradition. Und das immerhin seit 2000 Jahren, bzw, seit 1400 Jahren. Und darum ist Ihr polemischer Ansatz Kommentar 15 umd im letzten Abschnitt Ihres Kommentars 17, wo Sie ausschließlich von einer Jüdischen Tradition sprechen, ausgesprochen unsachlich.

Thomas Wessel
Admin
10 Jahre zuvor

@ Arnold Voss | Lassen wir diese „Immer-schon“- und „Immer-auch“-Thesen beiseite, mich wundert, wie lapidar Sie Globalisierung abhandeln. Sie meinen, Globalisierung beträfe „mehr die Form und Ästhetik als den Inhalt. Der Koran ist dessen gewalttätige Grundlage.“

Das ist eine sehr romantische Vorstellung. Globalisierung hat – um es mit dem an dieser Stelle klassischen Text zu sagen, dem „Kommunisten Manifest“ – Gloablisierung hat bis in die letzten Winkel dieser Welt hinein „alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört“, hat „die buntscheckigen Feudalbande“ zerrissen, „die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei“ ertränkt und alle „mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins“ entkleidet; pars pro toto werden dann aufgezählt: Arzt, Jurist, meinereins, Poet, Mann der Wissenschaft. – Sollte nun ausgerechnet die arabische Welt, der arabische Islam oder dieses eine Buch, der Koran, unberührt geblieben sein? Wäre ja nicht ohne Ironie, wenn es so aussieht, als wollten ausgerechnet Sie, Arnold, den Koran für sakrosankt erklären.

Natürlich ist er es nicht. Und natürlich merken das vor allem jene, die gerne einen auf ewig unberührbaren Boden hätten, auf den sie sich stellen könnten. Fundamentalismus drückt nichts anderes aus als die Einsicht, dass es einen solchen Boden nicht mehr gibt. Fundamentalismus entsteht, wenn den Leuten der Boden, auf dem sie sich wähnen, weggezogen wird.

Diese Pluralisierung und somit Relativierung von Wahrheit und Gewissheit
hat entschieden mit Bilderwelten, mit Erzähl- und KommunikationsFORMEN zu tun.
Das Arsenal der Formen, die sich global kommunizieren lassen, ist relativ überschaubar. Umso mehr gilt: Form ist nie neutral, Ästhetik ebenso wenig, sie verändern, sie wirken. Architekten wissen das, Städteplaner, Künstler usw. Und natürlich verändert sich auch ein so komplexes Sujet wie der Koran, wenn er getwittert werden oder dem Schema eine Musikvideos entsprechen soll, verändert sich die Vorstellung darüber, wie man sich Mohammed als Typus vorstellt usw. usf.

Und umgekehrt: Natürlich verändert sich unsere – immer in bestimmte Formen gefüllte und durch sie vermittelte – Vorstellung über andere. Karl May ist gestern, das haben wir begriffen, aber ebenso, dass es sich bei den von ISIS & Co produzierten Bildern um sehr kalkulierte Botschaften handeln könnte?

Um Pop-Kultur? Ästhetisch so attraktiv wie die Linke Anfang der 70er?

Der Adressat zumindest ist klar, das Zeug wird in alle Dinslaken der Welt gesendet. Und trifft …

@ Helmut Junge | … hier auf Leute, die mit der westlichen Bilderwelt vertraut sind. „Heart of Darkness“ von Joseph Conrad ist Schulliteratur und „has been analyzed more than any other work of literature that is studied in universities and colleges“ [Zitat aus dem englischen Wiki]. Die Wirkungsgeschichte ist wie gesagt beeindruckend: Vor Coppola hatte bereits Herzog in „Aguirre – der Zorn Gottes“ die Novelle als Erzählgrundlage genommen, 1993 dann die Verfilmung mit John Markovitch, dazu Hörspiele, Theater- und Opern-Adaptionen, Video- und Computerspiele, T.S. Eliot hat sie in seinem großen Poem „The Hollow Men“ verarbeitet usw. Während „Apocalypse Now“ ja nun zu den wirkmächtigsten Filmen des 20. Jh.s zählt – dramatischer Höhepunkt die Szene in Kurtz Tempelanlage, überall abgeschlagene Köpfe, an einer Mauer die titelgebende Zeile „Our Motto: Acopalypse Now!“

Wenn ISIS mit Bildern Botschaften sendet, ist es so abwegig sich vorzustellen, dass sie es mit Hirn tun? Mit Sinn und Hintersinn? ISIS stellt eine andere Qualität dar als die Taliban, nicht nur militärisch, auch kulturell. Könnte durchaus sein, dass die über ihren Tellerrand erheblich besser auf unsere Teller blicken als wir in deren Köpfe.

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

„Fundamentalismus drückt nichts anderes aus als die Einsicht, dass es einen solchen Boden nicht mehr gibt. Fundamentalismus entsteht, wenn den Leuten der Boden, auf dem sie sich wähnen, weggezogen wird.“

Nein, Thomas, Fundamentalismus ist immer, weil er immer Bestandteil von Glaubenssystemen war.

„Sollte nun ausgerechnet die arabische Welt, der arabische Islam oder dieses eine Buch, der Koran, unberührt geblieben sein? Wäre ja nicht ohne Ironie, wenn es so aussieht, als wollten ausgerechnet Sie, Arnold, den Koran für sakrosankt erklären. “

Doch, Thomas,darum genau geht es, den Koran unberührt zu lassen. Mir ist der Koran egal, diesen Leuten eben nicht.

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[…] der Terror des IS und seine Bilderwelt, auch sie war pop-ästhetisch durchgeschult. Die Pick-Up-Kohorten, die wie in “Mad Max” durch Wüsten jagen, die Gangsta-Rapper-Posen eines Deso Dogg aus SO 36, erschütternde Caspar Favid Friedrich-Zitate […]

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[…] der Terror des IS und seine Bilderwelt, auch sie war pop-ästhetisch durchgeschult. Die Pick-Up-Kohorten, die wie in “Mad Max” durch Wüsten jagen, die Gangsta-Rapper-Posen eines Deso Dogg aus SO 36, erschütternde Caspar Favid Friedrich-Zitate […]

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