Arye Sharuz Shalicar ist, seitdem er nach den Angriffen der islamitischen Terrorgruppen wieder als Sprecher der IDF fungiert, ein schwer zu erreichender Mann. Ein Grund für mich, ich hatte Fragen an ihn, am letzten Mittwoch an einem Zoom-Meeting mit ihm teilzunehmen. Am 21. Februar 2024 war „Israel im Krieg – Wiederherstellung der Sicherheit an allen Fronten“ das Thema einer Online-Veranstaltung die von Tacheles – Israel & Germany durchgeführt wurde.
Tacheles – Israel & Germany
Tacheles – Israel & Germany ist eine Organisation, die sich als eine Art Zentrum für deutsche Sprache, Kultur, Bildung und Soziales sieht. Gegründet im Januar 2020, kurz vor dem Beginn der Coronakrise, fundiert das Portal als Hilfestellung für Deutsche, die in Israel leben. Neben einem Frauennetzwerk, das die Vernetzung vor Ort unterstützt, gibt es eine psychologische Beratung, Hilfestellung für Menschen die von Israel nach Deutschland auswandern wollen und für Deutsche die nach Israel einwandern wollen. Es gibt Angebote für binationale Familien und Einzelpersonen.
Anna Meier, Initiatorin des Netzwerks: „In erster Linie ist die deutschsprachige Community in Israel die Zielgruppe.“
Am Mittwochabend veranstaltete Tacheles eine Veranstaltung zum Thema „Israel im Krieg“ mit dem israelischen Armeesprecher Arye Sharuz Shalicar. Die erste Veranstaltung mit dem deutsch-israelischen Politologen gab es bereits vor zwei Jahren, das letzte Zoom-Meeting hatte die Angriffe der islamistischen Terrororganisationen vom 7. Oktober 2023 und deren Folgen als Thema.
Anna Meier:
Grund für die Veranstaltung, war es zum einen ein Angebot zu schaffen für die Menschen hier in Israel einfach mal eine Einschätzung zu bekommen. Und Arye kann einfach Dinge total gut auf den Punkt bringen und erklären. Ich kenne ihn jetzt schon einige Zeit und er ist jemand, der Tacheles reden kann. Das hat gestern einigen, also ich glaube allen eigentlich sehr, sehr gutgetan. Es war nicht schön, alles zu hören, was er gestern gesagt hat, aber es sollte Klarheit bringen, es sollte ein Update bringen, es sollte die Perspektive Israels, die Perspektive der Armee und das gesamten Vorgehen einfach mal für alle zusammenfassen.
Mit der Resonanz auf das Event ist Anna Meier zufrieden. „Insgesamt hatten wir 62 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Angemeldet waren 80, aber hat ja immer ein bisschen Schwund bei diesen Veranstaltungen. Die Resonanz war sehr, sehr, gut. Ich hab hinterher auch noch Fragen bekommen, ob wir das nochmal wiederholen.“
Krieg in Israel
Arye Sharuz startete das Meeting, nach der Begrüßung durch Anna Meier, mit einer kurzen Einführung: Was am 7. Oktober passiert ist und was dieser Tag für Israel bedeutet.
Arye Sharuz Shalicar:
Als ich vor einem Monat in Berlin war und dort von einem Fahrer zu einer Konferenz abgeholt werden sollte, hat man mir von der Konferenz gesagt „Arye, da werden noch zwei Überlebende mit ins Taxi springen, also warte auf die am Flughafen!“ Ich bin dann davon ausgegangen, die Rede sei von Holocaust-Überlebenden und hab dem Fahrer dann gesagt, dass wir müssen noch auf zwei nette Omis warten. Plötzlich haben sich dann zwei hübsche junge Frauen zu mir gestellt und mich begrüßt: „Hallo Arye, wir sind ja Yael und Sharon!“
In in dieser Sekunde habe ich verstanden, wenn wir heute „Überlebende“ sagen, reden wir in Israel schon von den Überlebenden des 7. Oktobers und nicht des Holocausts. Es gibt Holocaust Überlebende und es gibt die Überlebenden des siebten Oktober. Und das ist eine absolut krasse Realität.
Ein kurzes Update zur aktuellen Lage und zu den primären Zielen der israelischen Armee: Befreiung der Geiseln und die Zerschlagung der Hamas, dazu dann einige Fragen von den Teilnehmern des Meetings, auch von mir. Für ca. zehn Fragen und Antworten reicht die Zeit. Insgesamt: Eine spannende Veranstaltung. Ich freue mich auf das nächste Zoom-Meeting mit Arye. Hoffentlich dann bereits in ruhigeren und friedlicheren Zeiten.
Ruhrbarone: Wie fühlt es sich für dich an, wenn man sieht, dass sich der Fokus der Welt immer weiter von den israelischen Geiseln weg bewegt?
Arye Sharuz Shalicar: Mir persönlich tut es weh, weil ich natürlich immer mit dem Gefühl nach wie vorbei der Sache bin, als wäre eine dieser Geiseln meine eigene Tochter, Frau, Schwester oder Mutter und ich kann es nicht ertragen, dass man die Ursache dieses jetzigen Konfliktes ausblendet und teilweise komplett bei der Wirkung ist. Doch ich versuche, diplomatisch dieser Sache irgendwie was Kluges entgegenzusetzen. Ich glaube schon, dass das im Endeffekt mit einer gewissen Wahrnehmung den Juden und Israel gegenüber zu tun hat. Wir müssen uns da nichts vormachen, wenn in 2000 Jahren Diaspora im Endeffekt sehr viele Menschen auf der Welt Juden gehasst haben, besonders im christlich-muslimischen Raum, und das sind im Endeffekt über vier Milliarden Menschen auf der Welt. Wir müssen uns jetzt nicht vormachen, dass nach dem 7. Oktober all diese Menschen jetzt positiver drauf sind. Im Endeffekt werden diese Dinge von Generation zu Generation weitergeleitet. Wir sehen es ja auch auf deutschen Straße, wir sehen es ja auch an deutschen Unis. Viele Juden können sich seit viereinhalb Monaten nicht an die Uni trauen, weil sie Juden sind.
Was mich ebenfalls interessierte: Wie Arye persönlich mit dem Hass umgeht den er selbst erfährt.
„Eigentlich müsste ich stolz darauf sein. Weil das heißt, dass ich all diese ganzen Antisemiten wirklich störe. Und das heißt, ich mache anscheinend doch etwas richtig“
Besonders blutrünstig erschienen mir die Accounts von Arye Sharuz auf Facebook, Twitter und Instagram noch nie. Auch nicht kriegsgeil. Das Gegenteil ist der Fall. In meinen Facebook-Erinnerungen tauchen regelmäßig, auch in diesen Tagen, Beiträge von Arye auf, die ich geteilt habe. Über den ersten israelischen Fußballer der bei einem Fußballverein in den Vereinigten Arabischen Emiraten spielt. Über eine Moschee, die neben einer Kirche und Synagoge in Abu Dhabi steht. Am 17. Februar 2023 schrieb Arye auf Facebook dazu: „Die Vereinigten Arabischen Emirate fördern mit dem Abrahamischen Familienhaus Freundschaft und Frieden zwischen Christen, Muslimen und Juden“. Ein weiterer Beitrag, vom 21. Februar 2021 – „Frieden ist möglich! Muhammad Mahmoud Al-Khajah ist der neue Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Israel“ – und ein Eintrag vom 9. Januar 2023: „Bin die Tage als Teil einer großen israelischen Delegation in Abu Dhabi, wo wir gemeinsam mit Repräsentanten aus den VAE, Bahrain, Marokko, Ägypten und den USA, Frieden zwischen Israel und der arabischen Welt mit Leben füllen. Auf dem Instagram-Account von Arye Sharuz Shalicar war an 4. Oktober 2023, drei Tage vor der Terrorattacke gegen Israel, zu lesen: „Bald ist es soweit – Frieden zwischen Israel und Saudi-Arabien – ist nur eine Frage der Zeit. Danach wird es dann hoffentlich auch mit den Palästinensern klappen“.
Am 9. Januar 2023 bin ich, einigermaßen entsetzt, auf Kommentare zu einem Foto auf Twitter gestoßen: Da geht es gegen Arye, gegen seinen Sohn, seine Familie. Todenwünsche dabei. Auf Instagram nennt ein User, mit dem passenden Usernamen „aggressionsprobleme1“ Arye einen Terroristen. Das reale Bild, vermittelnd (Das Buch „Schalom Habibi“ ist dafür ein Beispiel!)
Ruhrbarone: Du wurdest kürzlich auf Instagram als Terrorist bezeichnet. In den sozialen Medien gibt es diverse Beleidigungen. Auf Twitter wurde Anfang Januar dein Sohn angefeindet. Wie gehst du damit um? Wie geht deine Familie damit um?
Arye Sharuz Shalicar: Mir hat jemand heute was weitergeleitet: Es gibt jetzt sogar ein Parodie. Twitter-Account von mir oder x-Account, wo halt jeden Tag alles was ich sage mit meinem Bild und meinem Namen auf den Kopf gestellt wird. Wenn ich zum Beispiel schreibe „die palästinensischen Terroristen der Hamas“ wird dann in meinem Namen auf diesem Parodie-Account geschrieben, die „israelischen Terroristen der IDF“. Es gibt alle möglichen komischen Gesichter von mir, wie ich Currywurst esse. Weil ich mal auf Social Media erzählt habe, dass ich ein Currywurst-Fan bin.
Ganz ehrlich, es gibt einen Satz, der mir immer vor Augen ist, den ich mal gelernt habe, der für mich ausschlaggebend ist. Winston Churchill hat mal gesagt, damals zurzeit Hitlers, „If you don’t have enemies, you don’t matter.“ – „Wenn wenn du keine Feinde hast, spielst du keine Rolle.“ Und dass sich so viele Feinde habe, die Zeit und Energie investieren, in meinen Account nach Bildern von meinen Kindern zu suchen und Parodie-Accounts von mir auf die Beine stellen. Eigentlich müsste ich stolz darauf sein. Weil das heißt, dass ich all diese ganzen Antisemiten wirklich störe. Und das heißt, ich mache anscheinend doch etwas richtig.
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