Israel, Mai 2024, Teil 1: Elkana Bohbot verkauft kein Eis mehr

Tel Aviv: Die Dizengoffstraße im Mai 2024 (Foto: Peter Ansmann)
Tel Aviv: Die Dizengoffstraße im Mai 2024 (Foto: Peter Ansmann)

27. Mai 2024: Eine Woche nach unserer Ankunft in Tel Aviv ist es Zeit, diese sieben Tage Revue passieren zu lassen. Was sich verändert hat, zu den letzten Aufenthalten in Israel und Tel Aviv. Vor dem islamistischen Terrorangriff vom 7.10.23. Der weiterhin aus dem Terrornest Gaza fortgesetzt wird.

Vieles in Tel Aviv ist „wie immer“ und trotzdem anders. Auf der Dizengoffstraße, der Flaniermeile in Tel Aviv, und dem Rothschild-Boulevard herrscht Betrieb. Jedoch auf einem anderen Level als vor dem Krieg. Das gleiche gilt für Bars, Cafés, Restaurants, den Strand und gebuchte Touren.

#BringThemHomeNow

#BringThemHomeNow - Tel Aviv im Mai 2024 (Foto: Peter Ansmann)
#BringThemHomeNow – Tel Aviv im Mai 2024 (Foto: Peter Ansmann)

Tag 1: Ankunft. Gegen 16:00 Uhr landen wir am Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv. Die lange Halle, die man nach der Ankunft entlanglaufen muss um zur Einreisekontrolle zu gelangen, ist voll mit Postern von entführten Israelis und Menschen anderer Nationen: Die Hamas war bei der Auswahl ihrer Opfer nicht wählerisch. Vor den Automaten, an denen man seine Aufenthaltskarte für Israel ziehen kann, ist ein Hinweis auf einen Schutzraum. Kann sein, dass dieser immer schon da war. Bisher ist mir dieser Hinweis aber nie aufgefallen. Die Einreisekontrolle verläuft problemlos. Ich zeige meinen Pass und darf durch.

Mit dem Taxi kommen wir, nachdem mit mitgeteilt wurde, dass mein Koffer noch in Frankfurt liegt, zum Hotel. Alles wie immer. Bis auf die Sache mit dem fehlenden Koffer. Gefühlt ist etwas weniger Verkehr auf den Straßen.

Die erste Überraschung am Hotel: Die Rezeption ist unbesetzt. Ein Schild weist auf eine Nummer hin, die man anrufen kann. Die Mutter des Hotel-Managers ist jedoch im Haus und weist auf einen Umschlag an der Rezeption hin. Zwei Schlüsselkarten für die beiden Hotelzimmer. Zu diesem Zeitpunkt sind wir wohl die einzigen Touristen im Hotel. Israel ist in diesen Tagen, offensichtlich, als Reiseziel nicht en Vogue.

"Bis zum Sieg!" - Tel Aviv, Mai 2024 (Foto: Peter Ansmann)
„Bis zum Sieg!“ – Tel Aviv, Mai 2024 (Foto: Peter Ansmann)

Ankommen. Kurz duschen. Es geht zum Strand von Tel Aviv, in wenigen Minuten fußläufig erreichbar. Menschen am Strand, Menschen auf der Promenade, Menschen in den Strandbars. Aber alles insgesamt ein wenig „weniger“ als vor dem Krieg. Nach einem Snack im Stolero, einer Strandbar, ziehen wir zur Imperial Cocktail Bar. Wir haben einen Platz reserviert, können die Zeit aber nicht einhalten. Kurze Nachricht an die Bar: „Alles kein Problem.“

#BringThemHomeNow - Imperial Craft Cocktail Bar, Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)
#BringThemHomeNow – Imperial Craft Cocktail Bar, Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)

Was etwas Besonderes ist. Der Laden ist beliebt. Ohne Reservierung ist es unmöglich, hier einen Platz zu bekommen. Am Eingang des Gebäudes, in dem sich die Imperial Cocktail Bar befindet, sind zwei Wandmalereien und der Claim #BringThemHomeNow (Diese Initiative gibt es auch in Deutschland!) zu sehen. Vor dem Eingangsbereich zur Bar, ist der Hinweis auf einen Schutzraum zu sehen. In der Bar selbst, sind die Plätze zu 50% ausgelastet. Eine Stunde später sind wir die einzigen Gäste. Die ersten Wochen nach dem 7. Oktober 2023 war die Bar komplett zu. Keiner wollte ausgehen. Aus verständlichen Gründen. Der Barkeeper erzählt, dass es jetzt zur Happy Hour voll ist. Sich es aber danach meistens leert. Meistens wird um 1:00 Uhr zugemacht. Die fehlenden Touristen sind ein weiteres Problem.

Tel Aviv, Mai 2024: #BringThemHomeNow (Foto: Peter Ansmann)
Tel Aviv, Mai 2024: #BringThemHomeNow (Foto: Peter Ansmann)

Tag 2: Wir frühstücken bei Benny HaDayag, einem Fischrestaurant am alten Hafen von Tel Aviv. Die Promenade ist sichtlich leerer als früher, ebenso der Strand. Auf gefühlt jeden Meter des Weges sieht man Aufkleber mit Gesichtern der Entführten. Und Hinweise auf den 7.10.2023.

Wir ergattern ohne Probleme eine Liege am Strand. Der ist gut besucht, aber weit entfernt vom Andrang in normalen Zeiten. Zwischendurch setze ich mich in ein Strandcafé. Ein älteres Ehepaar begrüßt mich freudestrahlend. Ich habe die Vermutung: Man freut sich hier über jeden Touristen. Einen Tisch weiter nehmen zwei junge Frauen Platz. Eine bricht plötzlich in Tränen aus. Ich habe keine Ahnung, worum es geht. Weiß aber: Bei meinen bisherigen 30 Aufenthalten an dieser Location habe ich bisher nie weinende Frauen gesehen.

Abends geht es zur Dizengoffstraße. Wir können problemfrei einen Tisch im Café Dizengoff ergattern. In Vorkriegszeiten war hier eine Reservierung – oder lange Wartezeiten – unumgänglich. Auf der Dizengoff: Lichtinstallationen die auf die Geiseln aufmerksam machen. Auf Großbildschirmen sieht man die Gesichter der Opfer. #BringThemHome ist überall zu lesen. Alle paar Meter Aufkleber die auf Geiseln hinweisen. Einige von diesen sind, wie inzwischen bekannt ist, von den Hamas-Schlächtern ermordet worden.

Ein Bär für jede Geisel

Tag 3: Unsere Jerusalemtour ist ausgefallen. Wir vermuten, wegen zu wenigen Interessierten. Wir buchen eine neue Tour für den Samstag. Am Grand Beach Hotel, dem Treffpunkt für die Fahrt, wird ein Ehepaar mit einem Kleinbus abgeholt. Für die Tour nach Masada, En Gedi und zum Toten Meer. Normalerweise verkehren hier Reisebusse. Die mit Touristen gefüllt sind.

Kurze Diskussion, wie man den Tag verbringen kann. Wir entscheiden uns, zum Carmel-Markt zu gehen. Der Weg führt uns über die Dizengoffstraße und den Dizengoffplatz. Auf der Dizengoffstraße passieren wir Sitzbänke, auf denen mit Blut bespritzte Teddybären sitzen. Eine Installation der Initiative „Ein Bär für jede Geisel“. 

Teddybären sitzen auch am Dizengoffplatz, rund um den großen Brunnen. Fotos, Texte, Erinnerungsstücke machen auf das Schicksal von Ermordeten und Geiseln aufmerksam. Die Szenerie ist beklemmend, weil sie den Terror des 7.10.2023 konkret auf einzelne Personen runterbricht.

Wir laufen weiter zum Carmel-Market. T-Shirts im Eingangsbereich: „We will dance again!“, „FCK HMS“, „BRING THEM HOME NOW“ und ähnliche Botschaften sind hier die Motive. 

Elkana Bohbot verkauft kein Eis mehr

Auf dem Carmelmarkt in Tel Aviv, Mai 2024 (Foto: Peter Ansmann)
Auf dem Carmelmarkt in Tel Aviv, Mai 2024 (Foto: Peter Ansmann)

Wir kommen an einen leeren Stand. Der mit zahlreichen Stickern versehen ist. Ein Schild macht darauf aufmerksam, dass dieser Stand Elkana Bohbot gehört.

Einem Eisverkäufer.

Der von der Hamas als Geisel gehalten wird.

Kiosk von Elkana Bohbot auf dem Carmelmarkt in Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)
Kiosk von Elkana Bohbot auf dem Carmelmarkt in Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)

Elkana Bohbot verkauft kein Eis mehr. Er sitzt als Geisel in Gaza. In irgendeinem, eventuell durch das Terrorhilfswerk UNRWA gesponserten, Kerker.

Kiosk von Elkana Bohbot auf dem Carmelmarkt in Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)
Kiosk von Elkana Bohbot auf dem Carmelmarkt in Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)

Die direkte Konfrontation mit dem Schicksal dieser Geisel wirkt wie ein Schlag in die Magengrube.

Wir ziehen weiter, nehmen eine Mahlzeit ein. Fahren dann – es ist heiß – zurück zum Hotel. Mit dem Hotelmanager komme ich ins Gespräch über den 7.10.2023 und die Folgen, am Abend zuvor hatte ich mit Ella, die in der Imperial Cocktail Bar arbeitet, über dieses Thema gesprochen. Nach einer kurzen Pause im Hotel, es ist heiß draußen, geht es wieder zum Strand.

Auf dem Weg dorthin, wieder zahlreiche Erinnerungen an den 7.10.2023: Die Trauer um die Toten und die Angst um die Entführten.

Sie ist in Tel Aviv auf jedem Meter spürbar. Und nicht zu übersehen. Wie beispielsweise vor dem Café Berlin in Florentin, einem Stadtteil von Tel Aviv, den wir am Abend besuchen.

Tel Aviv, Mai 2024: #BringThemHomeNow - Graffiti in Florentin / Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)
Tel Aviv, Mai 2024: #BringThemHomeNow – Graffiti in Florentin / Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)

Rückfahrt mit dem Taxi. Der Taxifahrer ist arabischer Israeli. In seinem Taxi hängt eine Gedenkkarte. Der Cousin des Taxifahrers ist im Kampf gegen die Hamas-Bestien gefallen:

In der Schlacht in Gaza fiel der verstorbene IDF-Kämpfer Ebrahim Haruba aus der Stadt Maghar, der in der Gaza-Division diente. Ebrahim fiel in Erfüllung seiner Pflicht im Kampf gegen Terroristen, er griff die Terroristen der Hamas ISIS an und fiel dabei. Während er seine Waffenbrüder und die Bürger des Landes beschützte, verließ Ebrahim das Land. Ihm folgen eine Frau und vier Kinder, Eltern sowie Brüder und Schwestern, seine Beerdigung wird am ersten Tag stattfinden.

Gedenkanhänger in einem Taxi in Tel Aviv: Ibrahim Haruba Zill (IDF) fiel im Kampf gegen die Hamas (Foto: Peter Ansmann)
Gedenkanhänger in einem Taxi in Tel Aviv: Ibrahim Haruba Zill (IDF) fiel im Kampf gegen die Hamas (Foto: Peter Ansmann)

Teil 2 – „Wir sind alle Familie“ – später im Blog der Ruhrbarone!

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