Israel: Nur wenige Unternehmen folgen den Boykottaufrufen

kauft_nicht_bei_judenAuch wenn von der Seite der  EU erst einmal keine Sanktionen gegen Israel kommen werden, machen immer mehr Boykottaufrufe die Runde. In Deutschland haben jedoch bislang nur wenige Unternehmen Sanktionen gegen Israel verhängt.

Noch ein paar Jahren waren es nur die üblichen Verdächtigen, die sich an Boykottaufrufen gegen Israel beteiligt haben: Radikale Palästinenser, die Friedensgruppen aus Bremen und der wegen seines Antisemitismus bekannte damalige Fraktionsvorsitzender der Linken im Duisburger Rat, Hermann Dierkes sorgten mit Boykottausrufen gegen Israel für Schlagzeilen – und stießen meist auf Ablehnung.

Die Zeiten sind vorbei: Längst überlegen sich auch neben den USA die EU und die Bundesregierung immer mal wieder, Sanktionen gegen Israel zu verhängen und schon bevor die Politik ernst macht, sollen mehrere deutsche Unternehmen von sich aus dazu übergegangen, Waren aus den Siedlungen nicht mehr anzubieten: Über Tengelmann und die Schwarz-Gruppe (LIDL) berichteten Medienberichte, sie würden keine Waren aus den Siedlungen mehr anbieten. Bei LIDL weiß man davon nichts. Auf Anfrage teilte des Discounter dieser Zeitung mit:“ Lidl Deutschland distanziert sich in aller Entschiedenheit von der laufenden Berichterstattung. Fakt ist, dass für Lidl Deutschland beim Einkauf seiner Produkte eine politische Parteinahme in keiner Weise relevant ist. Lidl Deutschland stützt sich bei seinen Einkaufsentscheidungen einzig und allein auf die Kompetenz der Erzeuger und die Qualität ihrer Produkte. Zu den Erzeugerländern, die Lidl Deutschland beliefern, zählt neben zahlreichen Anbaugebieten im nahen und mittleren Osten auch Israel, von wo wir aktuell beispielsweise Paprika, Avocado und Sharonfrüchte beziehen.“

Tengelmann indes bestätigte die Berichte: „Nach Rücksprache mit der entsprechenden Fachabteilung kann ich Ihnen mitteilen, dass wir zwar Produkte aus Israel beziehen allerdings seit 2012 nicht mehr aus dem Gaza-Streifen, Westbank und den Golanhöhen.“ Auf die Frage nach dem warum, erhielten wir keine  Antwort.

Tengelmann steht damit ziemlich alleine da. Die Jüdische Allgemeine fragte bei den größten Lebensmittelhändlern Deutschlands nach, wie sie es mit dem Boykott gegen die Siedlungen halten. Einige von ihnen beziehen, wie Lekkerland und Rossmann, überhaupt keine Waren von außerhalb der Europäischen Union. ALDI Nord und Süd,  REWE, die Metro, zu der auch Real gehört und Edeka sagten, sie würden sich nicht um politische Debatte kümmern. Aldi-Nord teilte mit „Die Unternehmensgruppe verzichtet seit jeher auf politische oder religiöse Parteinahme“, bei Aldi-Süd ließ uns wissen dass dem Unternehmen grundsätzlich sämtliche Märkte offen  stehen „mit Ausnahme von den Ländern, die seitens des deutschen Staates einem Handelsembargo unterliegen.“.

REWE-Group unterhält „keine unmittelbaren Lieferbeziehungen nach Israel oder in das Westjordanland.“ Die Zwischenhändler hätten den Auftrag, die bestmögliche Qualität zu marktüblichen Preisen und ausreichenden Mengen zu sichern. „Grundsätzlich vertreten wir die Auffassung, dass unsere Kunden eine mündige Kaufentscheidung treffen.“

Die Metro-Group unterhält bezieht Waren aus Israel über Zwischenhändler und boykottiert ebenfalls nicht: „Wir gehen davon aus, dass unsere Lieferanten vollumfänglich im Einklang mit den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften handeln.“ Auch Edeka  beteiligt sich nicht an Initiativen gegen Israel: „Der genossenschaftlich organisierte EDEKA-Verbund hält sich bei der Herkunftskennzeichnung seiner Produkte grundsätzlich an die geltenden Rechtsvorschriften.“ Kaufland hat Produkte aus Israel, nicht aber aus dem Westjordanland im Angebot, betont aber, dass dies keine politische Entscheidung sei: „Generell gilt, dass sich Kaufland grundsätzlich politisch neutral verhält. Entscheidend für die Sortimentsgestaltung sind die Qualität der Produkte sowie die Kompetenz der Erzeuger.“

Basic, Alnatura und Biocompany antworteten nicht auf unsere Fragen – wer Bio kaufen will und bei der Israel-Solidarität auf Nummer sicher gehen möchte, bedient sich wohl künftig besser aus den Sortimenten von Aldi, Metro, Lidl, Rewe, Kaufland und Edeka.

Grisha Alroi-Arloser, der Geschäftsführer der  Deutsch-Israelischen Handelskammer (AHK Israel) in Tel Aviv hat kein Verständnis für Unternehmen, die Waren aus den Siedlungen grundsätzlich nicht in ihre Angebot aufnehmen: „Wenn es sich tatsächlich um politische Gründe handelt, so sind diese aus unserer Sicht nicht hinzunehmen. Vorauseilender Gehorsam ist niemals hilfreich, und in unserem Fall sogar kontraproduktiv.“ , Alroi-Arloser sieht aber auch die Politik und die Medien die der Verantwortung: „Wenn die Entscheidung mit dem Nachlassen der Nachfrage begründet wird, müssen wir uns die Frage stellen, was seitens der Politik und der Medien getan wird, um diesem Konsumentenverhalten entgegenzuwirken. Letztendlich ist es jedem Verbraucher überlassen, nach welchen Kriterien er oder sie einkauft und was auf den Tisch kommt. Im Falle Israels zum wiederholten Male doppelte Standards zur Anwendung zu bringen, während Produkte aus dem besetzten Teil Zyperns oder dem chinesisch besetzten Tibet unbehelligt bleiben, sind für uns nur schwer nachvollziehbar.“

Sollte es mehr Boykottaktionen wie die von Tengelmann geben, seien die Auswirkungen auf die Siedlungen beträchtlich – aber Israel als Ganzes wäre kaum betroffen: „Auf die recht diversifizierte israelische Ausfuhrwirtschaft eher gering.  Zwar sei Deutschland mit 1,78 Mrd. US-Dollar Exportvolumen ein wichtiger Exportmarkt  für Israel, doch mache er nur ca. 3% der israelischen Gesamtexporte aus.“ Israel ist kein Agrarland: „70% des israelischen Exports besteht aus Hochtechnologieprodukten, vor allem Apparate, Kommunikationsgeräte und Software.“ Dazu kommen dann noch Chemieprodkute, Pharmazeutika, Rüstungsgüter, rohe und geschliffene Diamanten und drei Prozent landwirtschaftliche Produkte. Grisha Alroi-Arloser: „Die Ausfuhr nach Deutschland besteht vor allem aus Elektronik, Software, Mess- und Regeltechnik, Produkten der chemischen Industrie, optischen Geräten und Medizintechnik.“

Von Boykotten aus den Bereichen Industrie und Handel hat die AHK Israel noch nichts gehört.

Die Israelische Botschaft ist jedoch alarmiert: „Die israelische Wirtschaft ist stark und wächst. Gleichzeitig unterschätzen wir nicht die verschiedenen Stimmen, die zum Boykott aufrufen. Ein positives Geschäftsklima ist äußerst wichtig,“, sagt Sprecher  Itay Tagne. Immerhin sei Deutschland der drittgrößte und die EU der zweitgrößte Handelspartner von Israel.

Ein Boykott jenseits von Lebensmitteln wäre allerdings nur schwer durchsetzbar. Die US-Zeitschrift Christian Science Monitor veröffentlichte eine Liste mit 10 Marken, auf die der eifrigen Israel- Boykotteur verzichten müsste, weil sie eng mit der israelischen Wirtschaft verflochten sind. Pampers gehörte ebenso dazu wie  Victoria’s Secret, Intel und McDonalds. Und auch der fantastischste Antisemit wird es sich gut überlegen, seine Oma von der Dialysemaschine zu trennen, in dieser Technik aus Israel ihren Dienst versieht.

Crosspost: Der Artikel erschien bereits in der Jüdischen Allgemeinen

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BMG
BMG
10 Jahre zuvor

„Für seine „Verdienste um Entwicklung und Einsatz neuartiger Nahrungsmittel für die Massenverpflegung des Heeres“ erhielt er das Kriegsverdienstkreuz 1. und 2. Klasse. Außerdem wurde er 1938 zum „Wehrwirtschaftsführer“ ernannt, eine Auszeichnung, die nach Einschätzung von Historikern auch die Regimetreue verdeutlichte“ ,

schreibt wikipedia zu Karl Erivan Schmitz, der nach dem 2.WK die Tengelmann-Gruppe zu einem Großkonzern werden ließ.

SteLu
SteLu
10 Jahre zuvor

Interessant auch der Versuch der Tengelmanngruppe, den Boykott mit den EU-Leitlinien zu „begründen“. Vorauseilender Leitliniengehorsam scheint ja gute, alte Tradition bei dem Konzern zu sein.

https://www.derhandel.de/news/unternehmen/pages/Sourcing-Haendler-verzichten-auf-Produkte-aus-dem-Westjordanland-10370.html

OWL-Baron
OWL-Baron
10 Jahre zuvor

Da gibt es einen kleinen Staat inmitten feindlichen Gebietes, der trotzdem eine funktionierende Demokratie ist- trotz einiger seltsamer Mitbewohner, denen außergewöhnliche Privilegien eingeräumt sind. Dies interessiert das hiesige Gutmenschentum überhaupt nicht. Schließlich weiß man sich ja auf der guten Seite, weil man sich durch den Holocaust berechtigt sieht, Mahnungen und Warnungen vor einem selbigen in Gaza und der Westbank unentwegt von sich zu geben. Es ist unbegreiflich.
Wir sind doch nun die allerletzten die Israel und seinen Bewohnern irgendetwas vorzuschreiben haben. Wir sollten demütig den Mund halten und dankbar zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland bei jungen Israelis „in“ ist. So was kommt nun wirklich nicht alle Tage vor. Und ist irgendwie auch unbegreiflich.

SteLu
SteLu
10 Jahre zuvor

#3 Anzumerken bleibt bleibt noch die verlogene Heuchelei der „Mahner“, die bei jedem Furz aus Israel Schaum vorm Mund kriegen und ansonsten das drei Affen-Spiel spielen. Ich frag mich wo waren die eigentlich bei den ganzen Massakern der letzten Jahrzehnte? Ach ich vergaß, die äußern sich nur, wenn Israel oder die USA verantwortlich gemacht werden können. Das liebste Hobby der Deutschen, neben dem Auto und der Sorge um die deutschen Arbeitsplätze (aber auch nur die Deutschen – stehen die eigentlich schon auf der Liste der bedrohten Arten?), ist und bleibt die sogenannte „Israelkritik“

discipulussenecae
discipulussenecae
10 Jahre zuvor

Ich glaube, daß die hiesigen Gutmenschen sich eher indirekt durch den Holocaust berechtigt fühlen, Kritik an Israel zu üben. Nach dem Motto: Wir – oder unsere Großeltern – haben damals Verbrechen begangen, und deshalb dürfen wir den Israelis sagen, wo sie ihre Verbrechen begehen. Diese Einstellung speist sich aus einem schlechten Gewissen.

Zudem kommt bei den allermeisten Israelkritikern auch der immer noch weit verbreitete antiamerikanische Beißreflex hinzu: Alles und jeder, die von den USA unterstützt werden, sind grundsätzlich zumindest verdächtig. Daß die Araber anfangs mit der damaligen Sowjetunion schlicht auf die falsche Karte gesetzt hatten und trotzdem mehrere Angriffskriege gegen Israel geführt haben, wird dabei gern ausgeblendet!

Vor diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, daß der Staat Israel in den Ländern, mit denen er keine diplomatischen Beziehungen unterhält, seine Bürger ausgerechnet von Deutschland betreuen läßt. Also in Saudi-Arabien, dem Iran, in Syrien und sonstwonoch. Und diese enge Zusammenarbeit sollte von einigen miesepetrigen Zeitgenossen, die ihren Lebensinhalt vor allem in immer neuen Boykottaufrufen sehen, eigentlich nicht belastet werden können.

trackback

[…] Gestern (am 19.3.2014) erschien ein neuer Ruhrbaron-Rundumschlag mit schrägem Nazi-Vergleich: ruhrbarone.de: Israel: Nur wenige Unternehmen folgen den Boykottaufrufen […]

Nazienkel
Nazienkel
10 Jahre zuvor

Israelbezogener Antisemitismus in seiner ganzen Latenz. Während auf der ganzen Welt Ungerechtigkeiten geschehen, welche dem Einzelhandel wurscht sind, wird im Fall dieser Boykottwünsche der an Israel gelegte Doppelstandard deutlich.

@DISCILAPULUSENACE
-Ihre Einschätzung über die meist anzutreffende VErbundenheit von Antiamerikanismus und Antisemitismus teile ich. Verwundert bin ich über Ihre Verwendung des Wortes „Gutmenschen“, stammt dieser Begriff doch aus der „wertkonservativen“ Mottenkiste.

discipulussenecae
discipulussenecae
10 Jahre zuvor

#7 | Nazienkel: Da haben Sie mich ganz falsch verstanden! Ich habe nicht von ‚Antisemiten‘, sondern von ‚Israelkritikern‘ geschrieben. Dieser Unterschied sollte in der politischen Diskussion um den Nahen Osten bekannt sein.

Und wie besetzt der Begiff ‚Gutmenschen‘ ist, wußte ich nicht nicht. Ich habe ihn ganz naiv im Sinne der RUHRBARONE gebraucht. Und so meine ich den auch. Was ist die ‚wertrkonservative Mottenkiste‘?

https://www.ruhrbarone.de/den-gutmensch-treibt-der-neid-auf-fremde-lebensfreude/55285

https://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch

OWL-Baron
OWL-Baron
10 Jahre zuvor

Heute Nacht habe ich ein wenig aufgeräumt, da fiel mir der zeitlos blöde Spruch des Gütersloher Linkensprechers „der Kampf gegen Israel ist Teil des Kampfes gegen den westlichen Imperialismus“ einmal mehr auf und in die Hände. Schön auch, dass man vor einiger Zeit, ohne jeden aktuellen Anlass, vor einem Krieg am Golf warnte, in dessen Folge die israelische Armee „Gräueltaten im Westjordanland und in Gaza begehen“ würde. Es ist dies der RUNNING GAG des AS bzw. der Israelkritiker. Kann man den Juden oder dem Staat Israel nix Schlimmes, oder nichts über das Übliche hinausgehende Schlechte anhängen, prognostiziert man aber ganz, ganz Fürchterliches für die nahe Zukunft.
Anzumerken ist vielleicht noch, dass Israel den Kampf der “ westlichen Imperialisten“ gegen Rest-Jugoslawien durch umfangreichen Lieferungen an Jugoslawien „unterstützt“ hat.
Offenbar eine ganz perfide Abart des „westlichen Imperialismus“.

Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

#7 und #9:

Schlagworte wie „Gutmenschen“, „linke Socke“, „Rotfront“, „Antifeminist“ oder „wertkonservativ“ findet man auf jeder Seite des politischen Lagers: es sind Kampfbegriffe, die wenig aussagen aber den Gegner diskreditieren sollen.
So auch:
„Der Wertkonservatismus ist ein Schlagwort für eine Grundhaltung, welche die in einer Gesellschaft tatsächlich oder vermeintlich vorherrschenden Wertvorstellungen bewahren will“
https://de.wikipedia.org/wiki/Wertkonservatismus

Pavel Elver
10 Jahre zuvor

Moin,
ich habe auf meinem Blog Israelreflex gerade eine Beitrag zum Thema veröffentlicht: Barghouti und die BDS-Kampagne – der ewige
Israelboykott.

https://israelreflex.de/barghouti-und-die-bds-kampagne-der-ewige-israel-boykott/

Würde mich über Kommentare freuen.
Gruß
p

Malandrino
Malandrino
10 Jahre zuvor

Soviel Hass – die Kommentare sprechen für sich.

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