Am Donnerstag wurde in Erfurt der Versuch unternommen, die türkischen Angriffe auf die Kurden in Syrien für die “palästinensische Sache“ zu nutzen. Die ursprünglich als Solidaritätsdemonstration für die Kurden gegen Erdogans Invasion in Nordost-Syrien gedachte Demo wurde von propalästinensischen, teilweise problematischen Gruppen komplett vereinnahmt und in eine antiisraelische Kundgebung umgewandelt.
Unter dem Motto “Stoppt die Waffenlieferungen an die Türkei und an Israel“ riefen Gruppen wie Women Defend Rojava Jena, die Offene Arbeit Erfurt, der Stadtverband der Linkspartei Erfurt, aber auch offene Israelhasser wie die Jugendkommune Weimar, SDS Jena und die Kleinpartei Mera 25, dem deutschen Ableger von Diem 25, deren antisemitischer Spitzenkandidat Yanis Varoufakis das Massaker der Hamas nicht als Terrorakt bezeichnen wollte, zur Demonstration auf dem Bahnhofsvorplatz des Erfurter Hauptbahnhofes auf.
Der invasorische Angriff Erdogans und der durch ihm unterstützten dschihadistischen Milizen kann in keinster Weise mit der Zerstörung von Assads Waffenarsenal durch die israelische Armee verglichen werden. Es ist eine präventive Maßnahme der IDF, bei der keine Zivilisten beschossen und vertrieben, sondern nur gefährliche Waffendepots vernichtet werden. Im Gegenteil, die auf den Golanhöhen wohnhaften Drusen erwägen sogar, sich freiwillig von Israel annektieren zulassen. Israels Antiterrorkampf, ausgelöst durch das Massaker am 7.Oktober 2023 hat absolut nichts mit Erdogans nationalistischem Expansionskrieg und der Vertreibung der Kurden aus Nordost-Syrien gemein. Aber wenn es gegen Israel geht, ist man sich nicht zu schade, die Kurden zu instrumentalisieren um mal wieder „Free Free Palestine“ zu rufen.
Es gab zum Glück einen Gegenprotest mit der klaren Botschaft: Israel und die Kurden stehen zusammen. Die Deutsch-israelische Gesellschaft Erfurt, der BDP Roter Efeu Jena, das Junge Forum DIG Jena, das Aktionsbündnis gegen Antisemitismus Weimar und LAK Shalom Thüringen hatten dazu aufgerufen. Und so flatterten Israel- und Kurdenfahnen gemeinsam in Wind und Nieselregen. Trotz des schlechten Wetters wurden mehrere starke Reden gehalten, die auf die kontrafaktischen Vergleiche zwischen Israel und Türkei durch die Akteure der propalästinensischen Kundgebung hinwiesen. An vielen Beispielen konnten die Redner und Rednerinnen aufzeigen, wie absurd diese Vereinnahmung der Proteste gegen Erdogan für ein “freies Palästina“, was ja immer im Kontext mit der Vernichtung Israels zu sehen ist, sind.
Auf beiden Demonstrationen wurde “Jin Jiyan Azadi“ gerufen, wobei das auf der antiisraelischen Veranstaltung im Kontext mit den Palästinaflaggen seltsam anmutete. Jin Jiyan Azadi (Frauen Leben Freiheit) ist der Schlachtruf der Kurdischen Freiheitsbewegung und soll die Bedeutung der Frauen im Freiheitskampf hervorheben. Doch in einem “Staat Palästina“ sollen Frauen nicht gleichberechtigt an der Seite der Männer leben. Hamas und Hisbollah sind keine Freiheitskämpfer, die sich für Frauenrechte stark machen. Während in Nordost-Syrien, also den Kurdengebieten in Syrien, demokratische Verhältnisse und Gleichberechtigung herrschen, ist dies nicht das Ziel der sogenannten “palästinensischen Freiheitskämpfer“. Eine Rednerin der proisraelischen Demonstration erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, dass im Gaza-Streifen eine jesidische Frau, die dort jahrelang als Sklavin gehalten wurde, von der israelischen Armee befreit wurde.
Spontan trat dann auch ein kurdischer Mitbürger an das Mikro der proisraelischen Kundgebung und hielt eine kleine Rede in seiner Muttersprache. Auch wenn ich kein kurdisch verstehe, wusste ich, was er zum Ausdruck bringen wollte. Und er wollte bei seiner Rede unbedingt eine Israelfahne in der Hand halten. Wie mir Michael Panse, der die Veranstaltung angemeldet hatte, verriet, war er wohl zunächst auf der anderen Demo gewesen, hat dann aber schnell gemerkt, dass er auf der falschen Seite des Erfurter Willy-Brandt-Platzes stand und freute sich sehr, bei unserer kleinen Demonstration für Israel und die Kurden in Nordost-Syrien dabei zu sein.