Ist es Mobbing? Nach den Kranken sind bei Linnemann die Jungen dran

Sollten Kinder für den Wahlsieg der CDU bluten – zumindest im übertragegenen Sinne? (Foto: Sebastian Bartoschek/ Midjourney)

Wenig christlich, dafür christdemokratisch: Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, hat erneut eine gesellschaftlich schwache Gruppe ins Visier genommen. Nachdem er zuvor ein Register für psychisch kranke Menschen forderte, richtet er nun seine Aufmerksamkeit auf Kinder und Jugendliche. Seine Forderung, das Strafmündigkeitsalter von 14 auf 12 Jahre zu senken, stößt auf erhebliche Kritik – unter anderem von Experten, die sich seit Jahren mit Jugendkriminalität befassen.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP) hat gemeinsam mit anderen Fachverbänden, darunter die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie (BKJPP) sowie die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ), eine Pressemitteilung veröffentlicht. Ihr Urteil ist eindeutig: Eine Herabsetzung der Strafmündigkeit sei nicht zielführend. Stattdessen plädieren sie für präventive Maßnahmen und eine Stärkung der Jugendhilfe.

Fünf führende Fachverbände halten Nichts von Linnemanns Ideen, etwas, was den CDU-General schon bei den psychisch Kranken nicht kümmerte, denn: Mobbing gegen Schwache könnte die eigenen Reihen beeindrucken.

Bereits vor Jahren wurde über die Senkung des Strafmündigkeitsalters diskutiert. Damals wie heute bleibt die Kernargumentation unverändert: Kinder und Jugendliche befinden sich in einer Entwicklungsphase, in der sie die Konsequenzen ihres Handelns oft nicht vollständig überblicken können. Eine strafrechtliche Verfolgung in diesem Alter könnte mehr schaden als nutzen. Sozialwissenschaftliche Studien zeigen, dass härtere Strafen für Jugendliche nicht zu weniger Kriminalität führen.

Es entsteht insgesamt der Eindruck, dass Linnemann bewusst Ängste schürt und dabei auch die realen Bedürfnisse der Opfer außer Acht lässt – die der jungen Menschen sowieso. Seine wiederholten Positionierungen könnten als Versuch gewertet werden, für Rechtsaußen ein Angebot in der CDU zu machen, während Parteichef Friedrich Merz auf die Mitte der Gesellschaft zielt.

Doch warum gerade jetzt gerade diese Forderung? Eine Antwort liegt in der Wählerstruktur der CDU. Der durchschnittliche CDU-Wähler ist alt. Am stärksten punktete man bei der Bundestagswahl 2021 bei den über 70jährigen. Da kam man auf 38%, bei den 18 bis 24jährigen nur auf 10%. Ressentiments gegenüber der Jugend lassen sich der Wählergruppe der Alten immer gut platzieren. Der Fokus auf härtere Strafen für Kinder ist nicht etwa eine Lösung für ein Problem, sondern ein klassisches Feindbild-Narrativ: Die Bedrohung kommt von „den Anderen“ – in diesem Fall den Jungen.

Nach den psychisch Kranken nun also die Jugendlichen. Linnemann hat eine bequeme Strategie gefunden: Er nimmt sich Gruppen vor, die keine starke Lobby haben. Wer sich gegen Stigmatisierung psychisch Kranker wehrt, gilt schnell als „weich“. Wer gegen die Kriminalisierung von 12-Jährigen argumentiert, läuft Gefahr, als naiv abgestempelt zu werden. Dabei wäre es gerade Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft, diejenigen zu schützen, die keine Stimme haben.

Aber das verkauft sich in einer alternden Wählerschaft schlechter als markige Law-and-Order-Rhetorik. Und zeigt letztlich die Verzweiflung der Union, und ihr Unvermögen, Politik für die Zukunft zu machen.

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