https://www.youtube.com/watch?v=zUdFq-2R9AY
Jan Leyk ist das Produkt einer digitalen Gesellschaft, die die Bedeutung von Menschen an Facebook-Likes bemisst und in der stumpfsinnige menschenverachtende Pöbeleien zum guten Ton ihrer intellektuellen Speerspitzen gehören – alles im Namen des „sehr kleinen Mannes“. Von unserem Gastautor Felix M. Steiner
Kennen Sie Jan Leyk? Nein? Vielleicht ist das in diesem Fall auch eher eine positiv zu wertende Unkenntnis. Eine intensive journalistische Recherche, die dem Thema angemessen ist, führt natürlich zu Wikipedia. Und hier wird vieles klarer. Allerdings erst im letzten Satz in der Kategorie „Leben und Karriere“ des insgesamt sehr kurzen Wikipedia-Artikels. Hier heißt es: „Jan Leyk hat über eine Million Facebook-Fans.“ Belegt wird diese Behauptung dann mit einem Link zu einem Artikel der Bild-Zeitung. Sonst erfährt man über Leyk, der 1984 geboren ist, er sei „Laiendarsteller“, „Designer“ und „DJ“. Also in Prinzip das gleiche Berufsprofil, was die meisten Teilnehmer von „Big Brother“ oder dem „Dschungelcamp“ auch haben. Leyk war zumindest bei „Promi Big Brother“ und wenn man Wikipedia glauben darf, erreichte der einen Status des „Promi“ vor allem durch seine Rolle des „Carlos Hansen“ in der RTL-2-Serie „Berlin – Tag & Nacht“. Carlos wird übrigens von der digitalen Enzyklopädie als „Macho und Frauenheld“ beschrieben. Seine Rolle wurde Leyk damals los, als Video-Aufnahmen auftauchten, auf denen zu sehen war, wie er seiner damaligen Freundin gegenüber gewalttätig wurde. Und so begann der gebürtige Spanier dann auch sein zweites oder drittes oder viertes Standbein 2012 mit der Marke „HafenSänger“ mit so passenden T-Shirt-Aufschriften wie „Feier dich selbst“ oder Handyhüllen mit dem Slogan „Veni. Vidi. Vodka.“. Und wie es im aktualisierten Volksmund eben heißt: Wer nichts wird, wird „Designer“. Aber, um es zu wiederholen: Jan Leyk hat mehr als 1 Millionen Likes bei Facebook. Der Vergleich von Like-Zahlen und Verkaufszahlen seiner Musik-Platten zeigt aber zumindest auch – so ähnlich wie beim Pegida-Protest – das dann doch nicht jeder Internetfan auf die Straße bzw. in den Plattenladen geht. Und so führt Leyks Tour als DJ dann auch nicht unbedingt durch die größten Hallen der Republik sondern eher nach Schweitenkirchen, Pulsnitz oder Meldorf. Über die Fanszene von „Berlin – Tag & Nacht“ oder den Besuchern von Leyks Konzerten hinaus wurde der „Internet-Star“ vor allem einem breiteren Publikum durch seine stumpfsinnigen und beleidigenden Facebook-Postings bekannt.
Bevor Leyk das Urteil gegen Sebastian Edathy kommentierte hat er zumindest einen ganzen Tag darüber nachgedacht, wie er selbst schreibt. Das Ergebnis seiner unermüdlichen intellektuellen Bemühungen waren dann Beschimpfungen wie: „Ich hoffe, dass dieser perverse Bastard an jedem Ort auf diesem Planeten bespuckt und mit Steinen beworfen wird…..!!!“. Das folgende Verständnis von Selbstjustiz kann wohl kaum noch verwundern: „Mir wird kotzübel bei diesen ganzen Gedanken…..und ich wundere mich keineswegs mehr, dass es betroffene Menschen gibt, die in solchen Fällen Selbstjustiz verrichten!!!!“. Beim Lesen dieser Zeilen kommt man nicht umhin sich Leyks Golf III vorzustellen, an dessen Heckscheibe der große „Todesstrafe für Kinderschänder“-Aufkleber prangt. Doch das ist natürlich nicht der Stil des hippen „Laiendarstellers“. Vielmehr ist er die intellektuelle Speerspitze der Großraumdisko oder – um bei aktuellen Vergleichen zu bleiben – die Pegida der Tankstellenjugend. Diese scheint ihn dann auch für seine dumpfen Beiträge zu feiern. „Du spricht mir aus der Seele“ kommentiert dann einer der mehr als 1 Millionen Facebook-Fans und ein anderer pflichtet bei „Meine Worte!! Feiges dreckiges Pack!!!!“. In Inhalt und Interpunktion ist man sich also einig. Doch Leyks Aufmerksamkeit verdiente nicht nur Sebastian Edathy sondern vor kurzem auch die streikenden Lokführer und der Gewerkschafter Claus Weselsky. „Liebe GDL, Liebe Lokführer, Lieber Herr Hitl**…..ähhhhh Weselsky“ beginnt Leyk seinen Beitrag zum erneuten Streik der GDL. Danach ergibt sich die Qualität seines Beitrages wohl vor allem aus dem Versuch, möglichst viele Fäkalbegriffe und Beleidigungen in jeden Satz einzubauen. Beim „Sprachrohr des sehr kleinen Mannes“ (Neo Magazin Royale) klingt das dann so: „Habt ihr verpimmelten Vollspasstis so dermaßen viel Langeweile, dass ihr nichts Besseres zu tun habt, als eurer kurzbartschnäuzertragenden Osteunuche seinen egozentrischen Kurzgliedwanderweg zu pflastern???“. Und garniert wird das Ganze mit einer Aufforderung zum Selbstmord an alle Lokführer: „Setzt euch alle gleichzeitig in eine langen Zug wo jedermann Platz findet und fahrt einfach in irgendeine Richtung die gerade auf Grund von Brückenbau gesperrt ist!!!!“. Doch Jan Leyk hat eben mehr als 1 Millionen Fans bei Facebook und ein Beitrag mit derartigem Inhalt verdient in der digitalen Welt dann eben schon mal 27.325 Likes und wird 2.983 mal geteilt. Viele Fans likten oder teilten dies bestimmt mit einem Smartphone in der „HafenSänger“-Handy-Hülle mit der Aufschrift: „Deine Rede! Kurzer Sinn!“.
Sich erregen ist leichter als Meinungsbildung durch Wissensaneignung. Das gilt besonders für die, die damit – egal aus welchem Grund – sowieso schon erhebliche Schwierigkeiten haben. Anfällig sind aber auch die dafür, die jedes neue Wissen vermeiden, weil es nicht zu ihrem alten passt.