Vor allem in Deutschland macht man sich viele Gedanken darüber, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden kann, ohne dass Wladimir Putin sein Gesicht verliert.
Es gibt eine lange europäische Tradition der Friedensverhandlungen: Die Sieger setzen sich mit den Besiegten an einen Tisch und verhandeln miteinander. Als die Alliierten nach dem ersten Weltkrieg der deutschen Regierung den Versailler Vertrag vorlegten, ohne dass das Land an seiner
Ausarbeitung beteiligt war, unterschrieb die Reichsregierung unter Reichskanzler Gustav Bauer (SPD) den Vertrag nur unter Protest, den Bauer selbst wie sein Vorgänger Philipp Scheidemann (SPD) ablehnte. Allein die Form wie der Versailler Vertrag zustande kam, war für sie alle empörend. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es keine Friedensverhandlungen, sondern nur die Kapitulation Deutschlands. An der Aushandlung des faktischen Friedensvertrags 1990 waren dann neben den vier Siegermächten sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR beteiligt.
Da die Ukraine mit Russland immer mal wieder verhandelt und auch westliche Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz oder der französische Präsident Emmanuel Macron das Gespräch mit Wladimir Putin suchen, sieht es nicht danach aus, als ob Russland irgendwann ein Vertrag vorgelegt wird, an dessen Ausarbeitung es nicht beteiligt war.
Ein Waffenstillstand ist die Voraussetzung dafür, dass es solche Verhandlungen überhaupt geben kann. In diesen Gesprächen werden die Interessen aller Beteiligter zur Sprache kommen. Aber es ist klar, dass der Aggressor, also im Fall des Ukraine-Kriegs Russland, in der schwächeren Position ist, zumal wenn er auf dem Schlachtfeld nicht erfolgreich war – und nur dann wird Russland überhaupt verhandeln wollen.
Ob es in diesen Gesprächen darauf ankommt, dass Putin das Gesicht wahrt oder ob es nicht wichtiger ist, auch Russland eine Perspektive in der Nachkriegszeit anzubieten, ist eine Frage der Verhandlungsführer. Und zu denen wird natürlich maßgeblich die Ukraine gehören. Deutschland und andere Staaten werden vielleicht vermitteln, aber nicht einmal Garantiemacht sein. Diese Aufgabe wird wohl den USA und vielleicht Großbritannien zufallen. Wenn es um Hilfe bei Wiederaufbau und künftige Zusammenarbeit geht, wird die EU sicher mitreden.
Aber vor den Gesprächen steht der Krieg und sein Verlauf wird entscheidend sein. Jetzt ist also noch nicht die Zeit, sich um Putins Gesicht Gedanken zu machen. Es kommt nur darauf an, die Ukraine stark zu machen.