Joe Chialo ist der Gegenentwurf zu Olaf Scholz‘ Freund Carsten Brosda

Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) Foto: Elena Ternovaja CC BY-SA 3.0


Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Berliner Kultursenator Joe Chialo als „Hofnarr“ bezeichnet. Dabei geht der keinem Konflikt aus dem Weg und ist als Politiker der Gegenentwurf zu Olaf Scholz‘ Freund Carsten Brosda, dem Kultursenator Hamburgs.

Wenige Tage vor der Bundestagswahl 2021 veröffentlichten der damalige SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz und Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda in der Zeit einen gemeinsam verfassten Gastbeitrag. In ihm boten sie der Kultur ein Bündnis an. „Wie gelingt es uns, ohne Angst verschieden zu sein? Wie sorgen wir dafür, dass Kultur für alle nicht bloß gefordert, sondern tatsächlich erlebbar gemacht wird? Wie schaffen wir Bedingungen, unter denen wir – als offene moderne Gesellschaft – kulturelle Vielfalt als den Reichtum empfinden, der sie zweifellos ist? Und wie können künstlerische Inspiration und Irritation dabei helfen, ohne dafür in den Dienst genommen zu werden?“ fragten Scholz und Brosda im Ton kulturell bemühter Sozialarbeiter. „Diese und viele weitere Fragen stehen schon längst auf der Tagesordnung, und sie verdienen eine ernsthafte politische Auseinandersetzung. Gemeinsam. Politik kann die Antworten nicht herbeiverwalten.“ Diese Fragen, fuhren sie fort, verdienten ein „grundsätzliches und tiefgreifendes Gespräch, eine great debate, wie es im angelsächsischen Raum heißen würde.“

Der Beitrag war mehr als der traditionelle Versuch der SPD, noch vor einer Wahl ein paar Stimmen in der Kulturszene zu sammeln. Es war auch ein Bewerbungsschreiben Carsten Brosdas für das Amt des Staatsministers für Kultur, das am Ende durch grüne Quotenkungelei an Claudia Roth ging. Der Spiegel hatte ihn damals bereits im Juni als möglichen Kandidaten für den Posten in Berlin gesehen und als es dann Roth wurde, war die Überraschung groß. Brosda hatte sich ja sogar intern gegen Michelle Müntefering, damals noch ambitionierte Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Außenministerium, durchgesetzt.

Carsten Brosda 2019 by Diana Kohrs CC 4.0

Heute ist Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) in einer vergleichbaren Position wie Brosda vor den Koalitionsverhandlungen 2021. Er gilt als möglicher Nachfolger von Roth. Nun hat Scholz Chialo in einem Gespräch auf einer Party einen Hofnarren genannt, was nichts anderes bedeutet, als dass er als Politiker nicht ernst zu nehmen ist und nur so lange geduldet wird, wie er die ihm zugedachte Rolle spielt. Chialo empfindet die Aussage des Kanzlers zurecht als „herabwürdigend und verletzend“. Doch sie ist mehr als das. Sie ignoriert, dass Chialo sich wie kein zweiter Kulturpolitiker in Deutschland mit der vor allem in Berlin großen Fraktion der Antisemiten angelegt hat. Dafür wurde er bedroht und es gab einen Anschlag auf sein Wohnhaus. Chialo hatte versucht, der Szene die Mittel zu streichen. Antisemiten sollten keine öffentlichen Gelder mehr bekommen. Sein erster Versuch scheiterte, Chialo macht weiter und hat eine neue Fassung der Antisemitismusklausel angekündigt.

Lieber Staatsknete als arbeiten gehen: Antisemiten gegen Joe Chialo Bild: Screenshot X

Scholz‘ Freund Brosda nimmt in der Antisemitismus-Frage die Gegenposition zu Chialo ein. Stellt der sich gegen die Antisemiten in der Kulturszene, kuschelt Brosda mit ihnen. Als Präsident des Deutschen Bühnenvereins war Carsten Brosda 2020 bei der Initiative GG 5.3 Weltoffenheit dabei, die sicherstellen wollte, dass Israelhasser auch künftig in den Genuss von Steuergeldern kommen können und sich gegen die 2019 vom Bundestag beschlossene Antisemitismusresolution stellten. Unterschrieben hatte die damalige Crème de la Crème der auf der Payroll des Staates stehenden Kulturmanager: Hartmut Dorgerloh von der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Johannes Ebert vom Goethe-Institut und Hortensia Völckers von der Kulturstiftung des Bundes. Mutig war daran gar nichts, die Unterzeichner, alle mit von Steuergeldern gut gefüllten Taschen, sorgten für eine Diskursverschiebung und schnell folgten ihnen mit einer zweiten Initiative mit dem Namen „Wir können nur ändern, was wir konfrontieren“, in der vor allem viele Künstler unterschrieben, die ein Stück vom Staatsknetekuchen abhaben wollten. Auch nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zog Brosda seine Unterschrift unter dem GG-Weltoffenheit-Pamphlet nicht zurück.

Chialo stand gegen Antisemitismus, egal wie groß der Druck, wie hart die Anfeindungen waren. Ein Kämpfer, kein Hofnarr.

Und weil der Staatsknetekuche in Berlin kleiner geworden ist, muss die Hauptstadt auch bei ihrem in den vergangenen Jahren aufgeblasenen Kulturetat, seit 2016 hatte er sich verdoppelt, sparen. Gegen Chialo wird nun auch deswegen protestiert. Brosda hingegen kann mehr Geld als bisher verteilen, schlicht weil es Hamburg wirtschaftlich besser geht als Berlin und der Etat des Stadtstaates wächst. In der ZDF-Reportage „Kann das weg? Kultur in Zeiten leerer Kassen“ wird Chialo die Rolle des Bösewichtes zugeteilt, der engagierte Künstler durch seine Sparpolitik ins Elend stürzt und, oh Gott, ihnen empfiehlt, sich nach privaten Sponsoren umzuschauen, während Brosda der freundliche Mann mit der dicken Brieftasche ist, der den Kulturetat sogar noch erhöhen kann. Dass dies nur daran liegt, dass die Wirtschaft in Hamburg wächst, war ein Zusammenhang, welcher für die sich durch die Sendung gendernde Moderatorin Katty Salié allerdings ohne jede Bedeutung zu sein schien.

Da der böse Chialo, dort der gute Brosda, bei dem es allerdings nicht einmal zum Hofnarr reicht, denn der hatte den Mut, sich zumindest ab und an unbeliebt zu machen. Brosda hingegen machte Karriere mit seinem Parteibuch, war Redenschreiber für die SPD-Zentrale, Mitarbeiter von Scholz in seiner Zeit als Arbeitsminister, dann Leiter des von Scholz gegründeten Medienreferats in Hamburg. Anpassung ist da eine Schlüsselqualifikation. Chialo hingegen kämpfte sich in der Musikbranche hoch, kommt also eher aus dem Haifischbecken als aus den kungeligen Parteirunden. Der Spiegel schrieb 2021 über Brosda: „Beobachtet man ihn eine Zeit lang, hat man schnell das Gefühl: Hier will einer nach oben. Und schafft es, sich jegliche Kritik vom Hals zu halten.“ Aber vielleicht muss man so sein, wenn man mit Olaf Scholz befreundet ist, unter ihm Kultursenator und fast Staatsminister wurde.

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