Dem Journalismus geht es schlecht. Das wissen alle. Die alten Geschäftsmodelle der Verlage brechen weg, ohne dass sich bislang neue etablieren konnten. In der Online-Welt konkurrieren die staatsfinanzierten Sender mit den Verlagen und Blogs um die Aufmerksamkeit im Internet. Zeitgleich wird der Markt der Online-Werbung von Google in einem Maße dominiert, dass eigentlich die Kartellbehörden aktiv werden müssten.
In dieser Situation kommt NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) mit der Idee einer Recherche-Stiftung. Sie soll die entstehenden Defizite zumindest teilweise beseitigen. Mit einer neuen, irgendwie öffentlich-rechtlichen aber auch noch ach so staatsfernen Institution.
Wir haben darüber auf diesem Blog berichtet.
Statt mehr Staat wie von Eumann postuliert, kann die Lösung aber auch weniger Staat sein, um den Journalismus als unabhängige Institution zur Kontrolle der öffentlichen Hand zu erhalten. Denn es kann nicht sein, dass der Staat, und damit die Parteien, diejenigen in finanzieller Abhängigkeit halten, die Staat und Parteien zu kontrollieren haben.
Allerdings hat Marc Jan Eumann recht mit seiner Feststellung, dass es sich beim Journalismus um ein öffentliches Gut handelt, das bewahrt werden muss. Nur zerstört der Staat den Grundcharakter dieses öffentlichen Gutes, wenn er den Journalismus unter staatliche Kontrolle stellt, um ihn zu bewahren. Denn dann wird Journalismus zu PR.
Wir alle kennen ja den Satz von George Orwell:
“Journalism is printing what someone else does not want printed: everything else is public relations.”
Es geht also darum, Finanzierungsmöglichkeiten jenseits der üblichen Geschäftsmodelle auftun, um den Journalismus staatsfern zu erhalten und zu schützen.
Wobei das Optimum gleichbleit:
Freie Medien, die von ihren Lesern abonniert – ob im Print oder Online – und wegen ihrer Reichweite oder Zielgruppe mit Anzeigen belegt werden, bieten die beste Grundlage, unabhängigen Journalismus zu finanzieren.
Dieses Optimum gilt es zu bewahren.
Doch der Staat kann dabei helfen, dieses Optimum leichter zu ereichen.
Die taz gehört beispielsweise einer Genossenschaft, der Guardian einer Stiftung.
Und wir haben eine Idee. Ehrlich gesagt, ist die Idee nicht von uns. Sie kommt aus den USA. Dort können journalistische Projekte als gemeinnützig anerkannt werden, wenn sie selbstlos sind.
ProPublica arbeitet so, aber auch etliche andere lokale, regionale und nationale Verlage, Büros und Organisationen.
Die Idee dahinter ist einfach: wenn Journalismus eine öffentliche Aufgabe erfüllt, einen Dienst an der Gemeinschaft, kann er genauso wie Wissenschaft, Bildung, Kunst, Kultur oder Sport als gemeinnützig anerkannt werden.
In Deutschland geht das nicht. Weil Journalismus nicht als gemeinnützige Tätigkeit in der Abgabenordnung vorgesehen ist. Spenden an Vereine oder Stiftungen, die Medien betreiben, können nicht von der Steuer abgesetzt, gemeinnützige GmbHs nicht gegründet werden.
Nicht mal die taz gilt als gemeinnützig, obwohl da noch nie irgendwer Gewinne eingestrichen hat.
Wir glauben, es wäre gut, wenn Journalismus gemeinnützig werden könnte.
Denn dann könnten zum Beispiel Verlagshäuser bemerkbar entlastet werden, um ihnen die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe zu erleichtern. Damit werden auch Jobs gesichert und Zeitungen gestützt.
Nehmen wir nur die Sonntagsreden der Politiker beim Wort, wenn sie die große und wichtige öffentliche Bedeutung des Journalismus für unsere Demokratie preisen.
Um diesen Journalismus zu schützen, müssten Medienpolitiker nur die Rahmenbedingungen ein wenig ändern. Dann könnte der freie Journalismus wettbewerbsfähig bleiben. Wäre doch gut, wenn nicht nur der WDR Millionen via Haushaltsabgabe hinterhergeschossen bekommt. (nebenbei – wer von unseren Leser schaut eigentlich WDR-Sendungen – vor allem die nach 22:00 Uhr oder vor 16:00 Uhr?).
Und das müssten die Medienpolitiker konkret machen:
In der Abgabenordnung (AO) werden im § 52 gemeinnützige Zwecke definiert, die Körperschaften von der Steuer befreien. In Absatz 1 der AO heißt es wörtlich: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“
Darunter könnte doch auch Journalismus fallen. Zumindest wenn man die öffentliche Rolle des Journalismus ernst nimmt, kann man sagen, dass Journalismus die „Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet“ fördert.
Leider ist aber im folgenden Absatz 2 des § 52 AO nicht die Rede von Journalismus.
Würden die Politiker es ernst meinen mit der Förderung des unabhängigen Journalismus, müssten sie nur den Journalismus wie den Tierschutz, die Denkmal- und Brauchtumspflege, die Alten oder Krankenhilfe in den Absatz 2 des § 52 AO integrieren.
Ein neuer Satz, ein Wort nur, in einem schon lange existierenden Gesetz und…
Paff – das wärs schon.
Der Journalismus wäre weitreichend entlastet – und könnte im staatsfernen Wettbewerb bestehen.
Schließlich wollen wir ja keine öffentlich-rechtliche Presse.
Wäre der Journalismus im Absatz 2 integriert und damit als gemeinnütziger Zweck im Sinne der Abgabenordnung anerkannt, könnten Verlage ihre Redaktionen als gemeinnützige GmbHs ausgliedern. Die Caritas macht das schon lange mit ihren Altersheimen.
Diese „Redaktion gGmbH“s wären nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet, sondern nur darauf, der Allgemeinheit auf „materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet“ selbstlos zu dienen. Sprich: die „Redaktion gGmbH“s würden die Inhalte produzieren, die veröffentlicht werden sollen, mit denen die gewinnorientierten Verlage ihre Umsätze machen.
Die „Redaktion gGmbH“s wären von der Steuer befreit, alle Redaktionskosten in diesem Bereich voll anrechenbar und per Spenden finanzierbar.
Gleichzeitig blieben aber alle Dienstleistungen rund um die gemeinnützige „Redaktion gGmbH“ weiter auf Gewinn ausgerichtet. Im Anzeigenvertrieb, im technischen Support, im Abovertrieb könnten, dürften und sollten weiter Gewinne gemacht und Steuern gezahlt werden. Nur eben in der „Redaktion gGmbH“ nicht mehr.
Gleichzeitig könnten die „Redaktion gGmbH“s weiter unter Kontrolle eines Verlegers bleiben. Die „Redaktion gGmbH“s würden damit am ehesten den kirchlichen Einrichtungen gleichen. Auch hier hat der Staat keinen Einfluss auf die Entscheidungen der katholischen oder evangelischen Meinungsführer. Die gGmbHs könnten politische Tendenzbetriebe im Wettbewerb der Meinungen und der Märkte bleiben. Und so ihren Dienst in der freien Meinungsbildung erfüllen. Sie müssten sich nicht diesen unsäglichen Veranstaltergemeinschaften wie im Lokalradio unterwerfen, die dem Meinungs-Brei das Wort reden.
Damit aber nicht genug. Die Gemeinnützigkeit im Journalismus würde auch völlig neuen Angeboten die Tore öffnen. Vor Ort könnten Vereine Zeitungen herausgeben und Reporter bezahlen, die nur den Mitgliedern verantwortlich wären – und nicht den Ortspolitikern oder Bürgermeistern. Die Beiträge für die Vereine wären von der Steuer absetzbar. Aber auch Genossenschaften wie die taz könnten sich gemeinnützig etablieren und neue Angebote aufbauen. Selbst Einzelspenden für Journalisten wären von der Steuer absetzbar, wenn sie in die Produktion von unabhängigen Publikationen investiert wollen.
Wie gesagt, das ist nur eine Idee, wie Medienpolitiker tatsächlich dem Journalismus in Deutschland helfen können, indem sie die Rahmenbedingungen im Wettbewerb anpassen, ohne dass sie gleich staatliche Eingriffe in die Freiheit der Presse vorantreiben und die öffentlich-rechtliche Staatspresse fördern.
Stefan Laurin und weitere Autoren dieses Blogs
Wie Du richtig schreibst gehört zum gemeinnützigen Zweck die Selbstlosigkeit (§55 AO): “ Eine Förderung oder Unterstützung geschieht selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden“ Mit Deiner gGmbH als Zubringer gewinnwirtschaftlicher Verlage würde sich dies aber beißen.
„Die „Redaktion gGmbH“s wären von der Steuer befreit, alle Redaktionskosten in diesem Bereich voll anrechenbar.“ Welche Kosten willst Du worauf anrechnen?
Auch ist Journalismus kein öffentliches Gut. Information ist ein öffentliches Gut. Die Bereitstellung/Zusammenstellung der Information ist aber ein privates Gut.
Achso. wdr nach 22 Uhr: Die Story, Zeigler, Sport inside, Mitternachtsspitzen.
@Maik: Genau das gilt es zu ändern. Und die Vereine und gGmbHs sollen ja auch keinen Gewinn machen.
Ich find’s gut, wenn man sich Gedanken zur Änderung schlechter Zustände macht, und da soll es auch keine vorausgesetzten Denkbarrieren geben. Ich habe auch keine Rezeptsammlung griffbereit, aber diese Idee scheint mir nicht gut zu sein. Ich kondensiere das mal auf einen Aspekt:
Taktisch gesehen, ist ein Argument möglicherweise sinnvoll, dass den Verlegern oder allgemeiner Medienunternehmern den Mund wässerig machen soll. Aber es erzeugt dennoch massives Stirnrunzeln. Verlage sind nun mal Wirtschaftsunternehmen so wie auch beispielsweise Autohersteller. Sollte man dann nicht auch vielleicht auf die Idee kommen können, Opel könnte seine Entwicklungsabteilung als gemeinnützige Gesellschaft ausgliedern usw.? Der Fantasie wären kaum Grenzen gesetzt …
Die Idee finde ich gut, allerdings bedeutet das nur eine steuerliche Entlastung auf Erträge. Aber nicht vergessen: Um Erträge zu erzielen braucht man ein Geschäftsmodell, gelle 🙂 Steuernsparen allein ist keines…..
@Stefan: Ja, aber die Verlage machen Gewinne. Und das beißt sich in meinen Augen. Ich kann nicht einen Zuträger von der Steuer befreien, damit Kosten gespart werden, um damit im Anschluss evtl. die Gewinne des Belieferten zu erhöhen.
Und ich nehme mal an „Genau das gilt es zu ändern“ bezieht sich auf das öffentliche/private Gut. Das lässt sich aber nicht ändern, weil das über die Eigenschaft des Gutes festgelegt wird. Bsp. Auch wenn das öffentliche (nicht überfüllte) Straßennetz gerne als öffentliches Gut bezeichnet wird. Es ist und bleibt ein privates Gut, weil ich Personen ohne vertretbar hohe Kosten von der Benutzung ausschließen könnte. Da beisst die Maut keinen Faden ab.
Klingt gut, aber wie soll Journalismus abgegrenzt werden? Dann bin ich ja auch schon gemeinnützig, da ich regelmäßig online und offline veröffentliche.
@Dirk: Deine publizistische Tätigkeit ist Teil Deiner politischen Arbeit – und klar: Einfach wird das im Detail nicht, aber das ist kein Grund es nicht zu versuchen.
Ein interessanter geistiger Spagat den ihr da hinlegt. Öffentlich-rechtlich ist doof, weil, dass ist Geld vom Staat, lieber möchten wir vom Staat subventioniert werden in dem Journalismus jetzt gemeinnützig wird.
Mal abgesehen das die Aussage, öffentlich-rechtlich finanziert, gleichbedeutend sei mit Staatsnachrichten, trotz aktueller Ereignisse nun wirklich nicht passt.
Ist es ziemlich unverschämt Journalismus per se als der Allgemeinheit dienend zu betrachten. Ehrlich jetzt, die Bild-Zeitungs-Redaktion als gemeinnützig und der Allgemeinheit dienend? Mutig, wäre ich nie drauf gekommen.
Um es ehrlich zu sagen ich finde die Idee von Marc Eumann gar nicht so verkehrt ggf. muss über die Struktur diskutiert werden, also Stiftung und Stiftungsrat etc.. Aber die Idee dem doch eher „unqualitativen Journalismus“ einen qualitativen und unabhängigen Journalismus entgegen zu stelen gefällt mir. An der Unabhängigkeit muss gefeilt werden, aber daraus ergibt sich nicht die Forderung nach weniger Staat sondern, nach einem besseren Staat.
Im übrigen gehen mir eure FDP Losungen ziemlich auf dem Keks, gemeinnützige Redaktionen, damit Verleger qualitativen Journalismus bezahlen können ist nicht nur Unsinn, sondern kommt ziemlich nah an die 7% MwSt für Hoteliers ran.
@Stefan Richtig, Politische Arbeit und Journalismus sollte gemeinnützig werden 🙂
Spendenpriviliegien für journalistische Stiftungen etc. ?
@ Torti
Der Vorteil ist es nicht steuerfrei Erträge zu haben, sondern: dass Zuwendungen an die gGmbHs / Zeitungsvereine / Zeitungsstiftungen und – genossenschaften als SPENDEN abgesetzt werden können.
Das eröffnet komplett neue Finanzierungsmodelle für Redaktionen. Gerade im Lokalen.
[…] Dem Journalismus geht es schlecht. Das wissen alle. Die alten Geschäftsmodelle der Verlage brechen weg, ohne dass sich bislang neue etablieren konnten. In […]
Ich habe gerade noch mal nachgeschaut, aber Pro Publica ist nicht gemeinnuetzig (https://www.propublica.org/about/ unteres Drittel). Die sind einem e.V. aehnlich, nicht profit-orientiert, aber sie nehmen neben Spenden auch Werbegelder und verkaufen Produkte. Die Nachdenkseiten werden von einem e.V. betrieben-ist das vielleicht ein besserer Weg? Um Journalismus als *gemeinnuetzigen* Verein zu betreiben muessten sich die Gesetze schon extrem aendern…
@David Schraven
Das kann schon sein, dass eröffnet aber immer noch kein Geschäftsmodell für die Ware Nachricht oder neudeutsch Content :). Ob man den Betrag dafür nun Preis oder Spende nennt. Die Ware Journalismus muss mir als Leser einen Preis/Spende wert sein.
Ich kann heute schon für diverse gute Dinge spenden und es von der Steuer absetzen. Leider muss ich mir eingestehen, dass ich dies nicht in dem Masse tue, wie es das Elend der Welt verdient hat.
Und für Journalismus werde ich nicht aus Mildtätigkeit bezahlen.
Hi Teekay
Schau mal richtig.
ProPublica is a non-profit corporation, and is exempt from taxes under Section 501(c)(3).
Section 501 (c) ist der Gemeinnützigkeitsparagraph der Amis.
Auch deutsche gemeinnützige Organisationen können und dürfen durchaus Leistungen verkaufen.
https://www.propublica.org/about/
@ Tortist.
Das ist ja das neue. Dass der Journalismus dann keine Ware mehr wäre, sondern etwas Allgemeinnütziges.
Der Wettbewerb um Leser und Unterstützer durch Neuigkeiten, Geschichten und Meinungen bliebe unabhängig vom Staat bestehen.
[…] Journalismus als gemeinnützige Aufgabe (Ruhrbarone) – Die Ruhrbarone stellen eine Lösung vor, wie der Staat sich für Journalismus einsetzen könnte. […]
Ich plädiere dann auch dafür, Satire endlich kennzeichnungspflichtig zu machen.
[…] ein wenig ändern. Dann könnte der freie Journalismus wettbewerbsfähig bleiben. Aus: Ruhrbarone d. Die irren Zahlen hinter Thylmanns Erfolg Um zu verstehen, wie erfolgreich Thylmann und seine […]
Für höchst gelungene Satire auf neoliberale Ideologie halte ich diesen Satz:
„Freie Medien, die von ihren Lesern abonniert – ob im Print oder Online – und wegen ihrer Reichweite oder Zielgruppe mit Anzeigen belegt werden, bieten die beste Grundlage, unabhängigen Journalismus zu finanzieren.“
Bezahlte Anzeigen von Wirtschaftsunternehmen als Garant der Unabhängigkeit – selten so gelacht!
Nein, aber ernsthaft: Bei „Unabhängigkeit“ muss man ja wohl immer fragen: Unabhängig gegenüber wem?
Natürlich sind Medien, die durch Anzeigen finanziert werden, in gewisser Hinsicht unabhängig – indem sie nicht von staatlicher Förderung abhängen.
Genauso gilt aber: Über Gebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Medien sind in anderer Hinsicht unabhängig, nämlich gegenüber der Privatwirtschaft.
Beides relativiert sich freilich dadurch, dass Politik und Wirtschaft gern miteinander verflochten sind.
Gegenüber beidem unabhängig könnten natürlich satzungsgemäß ohne Gewinnabsicht, gemeinnützig wirtschaftende Medien sein – ob als Verein, gGmbH oder Genossenschaft. Aber auch diese haben wiederum eine bestimmte Abhängigkeit, nämlich gegenüber den sie tragenden Gruppen, Mitgliedern u.ä., die natürlich auch eigene Interessen haben.
Wobei ich nicht wüsste, warum Gemeinnützigkeit nicht jetzt schon zu haben sein sollte, wenn der Verzicht auf Gewinnabsicht in der jeweiligen Satzung verankert ist (und nicht zur Verschleierung von Gewinnen anderswo dient). Denn ein (in dieser Hinsicht relativ) unabhängiger Journalismus ohne Gewinnabsicht dürfte ja wohl durchaus „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos […] fördern“, wie es im Artikel zitiert wird – braucht es da überjaupt die Einfügung eines weiteren Worts?
Es gibt nun mal keine absolute Unabhängigkeit, sondern nur relative. Wünschenswert ist deswegen mMn eine Vielfalt verschiedener Finanzierungsformen der Medien; und albern daher das Herumhacken auf der öffentlich-rechtlichen Form – sie ist eine bestimmte und wichtige unter anderen, und gäbe es sie nicht, wäre auch das ein herber Verlust.
@paule t.: Ein Medium das viele Anzeigen von unterschiedlichen Unternehmen bekommt und wirtschaftlich stark ist, ist von einem einzigen Kunden nicht erpressbar. Je weniger wirtschaftlich erfolgreich ein Medium ist, umso erpressbarer ist es. Wer eine freie Presse will muss für eine wirtschaftlich starke Presse sein. Unser Vorschlag zielt darauf, Medien wirtschaftlich zu stärken und so unabhängigen Journalismus zu sichern.
@Paule in Ergänzung zu @Stefan: Darüber hinaus handelt es sich hier um einen zweiseitigen Markt. Nicht nur der Anzeigenkunde könnte Einfluss auf das Medium haben, sondern auch der Leser (z.B. durch Entzug der Aufmerksamkeit=Reichweite bei nicht-unabhängigem / schlechten Journalismus). Ein Anzeigenkunde will primär Leser erreichen und nicht von vorne bis hinten Lobhudelei über sich sehen, was am Ende aber keiner liest.
„Viele unterschiedliche Unternehmen“ können aber auch gemeinsame Interessen haben. Wenn ein Thema eine ganze, werbungsstarke Branche betrifft, ist die Erpressbarkeit schon weit eher gegeben. Und wenn schlicht und einfach die Interessen von Unternehmen als solchen betroffen sind – als Arbeitgebern, Steuerzahlern usw. – erst recht. Es hat ja wohl seinen Grund, dass das Anzeigenaufkommen z.B. im Etat der taz einen eher kleinen Teil ausmacht.
Wobei ich es, wie oben schon geschrieben, gar nicht schlimm finde, wenn Medien sich so finanzieren. Im Gegenteil – sie sind dann ja, wie gesagt, in einer bestimmten Hinsicht unabhängig, nämlich gegenüber der Politik, und sollen, um das zu bleiben, auch gerne wirtschaftlich stark sein. In anderer Hinsicht sind sie dagegen abhängiger, nämlich gegenüber der Wirtschaft. Deswegen ist es eben wichtig, dass es auch andere gibt, wie die Öffentlich-Rechtlichen. Vor allem das Gestänkere gegen diese geht mir auf den Geist.
@ Maik: Natürlich ist ein anzeigenfinanziertes Medium auch davon abhängig, dass es gelesen wird, und diese Abhängigkeit von den Lesern schränkt die Abhängigkeit von den Anzeigenkunden ein; völlig richtig.
Gerade deswegen ist es aber wichtig, dass es auch Medien gibt, die nicht vorwiegend durch Anzeigen finanziert werden: Dadurch gibt es einen Wettbewerb um die Gunst der Rezipienten; wenn sich die werbungsfinanzierten Medien als gar zu wirtschaftsabhängig erweisen würden, blieben ihnen die Leser weg. Wenn es diese nicht-werbungsabhängige Konkurrenz nicht gäbe (und nur die „interne Konkurrenz“ anderer werbungsfinanzierter Medien bliebe), fiele ein großer Teil dieses Effekts weg.
Gerade die Existenz öffentlich-rechtlicher Medien trägt also zu einer Mäßigung der (Wirtschafts-)Abhängigkeit der privatwirtschaftlichen Medien bei; und entsprechend umgekehrt letztere zur Mäßigung der (Politik-)Abhängigkeit der ersteren. Und beiden machen noch anders finanzierte Medien Konkurrenz.
@ Paule T.
Bitte sei nicht naiv. Die taz hat nicht wenig Anzeigeneinnahmen, weil die Industrie so böse ist, sondern weil das Zielpublikum, dass durch die taz bespeilt wird, nicht für die Anzeigenkunden attraktiv ist.
Du kriegst halt mehr teure Anzeigen in ein Magazin über Golfspieler als in eine Zeitung über das elend der Welt.
Das ist der innere Zusammenhang.
Die taz würde von dem Modell, das Stefan vorschlägt, übrigens besonders profitieren. Denn die Abos der taz könnten von der Steuer abgesetzt werden.
Egal, ob Kuno Kunte oder RWE die taz im Abo hat.
Also würde der Lesermarkt gegenüber dem Anzeigenmarkt durch das Modell gestärkt. Denk mal lieber dadrüber nach, als Verschwörungsideen über die Werbeindustrie zu entwickeln.
taz-Abo von der Steuer absetzen? Nach diesem Modell doch wohl kaum, denn gemeinnützig wären ja nur die Content-Produzenten, nicht die Medienproduzenten, die als Mittler das öffentliche Gut Information als Produkt und Ware an die Kundschaft brächten. Diese – hmnaja, warum geht mir dieses Wort nicht aus dem Sinnn – Gatekeeeper könnten non-profit, genossenschaftlich, hyperkapitalistisch oder sonstwie organisiert sein, sogar eine Ein-Personen-Veranstaltung (Grüße an Citizen Kane) wäre nicht mal ausgeschlossen.
@ Albrecht Kolthoff
Diese Grenze der zur Gemeinnützigen Redaktion gehörenden Einnahmen kann dutzendfach konstruiert werden. Es kann Sinn machen, die Einnahmen aus Abos zur Redaktion zu rechnen. Dann werden diese Einnahmen von der Steuer absetzbar, mit ihnen darf aber auch kein Gewinn gemacht werden. Die Einnahmen können aber auch zur Gewinnvertriebsfirma gezählt werden, dann sind sie zwar nicht absetzbar, aber die Gewinne wären privatisierbar.
Es gäbe mit dem gemeinnützigen Journalismus einfach sehr viele Wege neue Finanzierungsmodelle zu finden.
Das Grundprinzip ist einfach immer gleich: es gibt eine gemeinnützige Redaktion, Zuwendungen an diese sind von der Steuer absetzbar.
Natürlich kann das auch eine 1-Mann Firma sein, wenn diese regelmässige Publikationen raushaut.
also, ich bin kein Medienpolitiker, sondern einer von 80 Millionen Einwohnern dieser Republik. Ich bilde mir meine Meinung, indem ich Nachrichten lese.
Ich bin Abonnent der WAZ, weil meine Frau die liest. Mir hat die nie gereicht. Früher, als es noch keine Nachrichten im Internet gab, habe ich mir täglich noch eine andere Zeitung gekauft. Seit es aber aber die Zeitungen, die ich früher als Printausgabe gekauft hatte, kostenlos im Internet gibt, kaufe ich diese Zeitungen nur noch gelegentlich im Urlaub.
Seit ich errechnet habe, dass eine Stunde Internet, selbst im Urlaubsland billiger ist, als eine deutschsprachige Zeitung in diesem Ausland, benutze ich lieber ein Internetcafe, als diese Zeitung.
Dass der Journalismus davon nicht leben kann, ist klar. Ich brauche also wirklich Journalisten, zahle aber, wenn ich von meinem WAZ-Abo absehe, nichts für sie.
Dabei zahle ich sonst für jeden Scheiß viel Geld.
Jetzt haben die Zeitungsverlage viel Personal auf die Straße gesetzt. Ich kenne das, weil ich früher immer zur Redaktion gegangen bin, wenn ich eine Ausstellung gemacht habe. Jetzt lohnt das den Weg nicht, weil der Redakteur nicht mehr da ist. Meist machen den Job mittlerweile „freie Redakteure“, die früher oft eine Anstellung und festen Job bei den Medien hatten. Ich bin wegen meiner Ausstellung erstmalig nicht zur Redaktion gegangen, sondern habe ein email an die Redaktion geschickt. Das ist bequem, aber hat den Nachteil, dass es zu einer Entfremdung zwischen Akteur und Medien gibt. Nur wo es noch einen Redakteur gab, gab es auch einen Artikel über meine Ausstellung. Nur Rainer Terhorst von den Hamborner Nachrichten hat einen Artikel über meine Ausstelung geschrieben.
die Ruhrbarone natürlich auch. Früher haben alle Zeitungen in Duisburg berichtet.
Liegt das daran, dass ich mich schriftlich nicht ausdrücken kann?
Sorry, das glaube ich kaum. Meine Bilder hat sich auch niemand angesehen.
Also ist es nicht falsch anzunehmen, dass mittlerweile die Berichterstattung gelitten hat.,
Gut, ich will zu einem Schluß kommen.
Mir ist die freie Presse wichtig. Ich bin bereit, dafür zu bezahlen, weiß aber, dass das nicht viele tun würden.
Weil ich aber denke, dass die Presse insgesamt, nicht nur für mich und meine persönlichen Vorstellungen, sondern auch für das Funktionieren einer jeglichen Demokratie fundamental, ich wiederhole,fundamental wichtig ist, unterstütze ich den Gedanken, die Presse zu schützen. Wenn es sein muß, auch so, wie im Artikel
angedacht.
@ David Schraven
Ich halte es dagegen für naiv, es einfach zu ignorieren, dass mit Finanzierungen auch Interessen und Abhängigkeiten verbunden sind. Um das zu sehen, muss ich das weder als „böse“ werten noch Verschwörungen konstruieren.
Gegen die Idee eines gemeinnützigen Journalismus habe ich im Übrigen nichts, was man in meinen vorigen Beiträgen auch lesen konnte. Mir ging es um das reichlich witschaftsideologische Zitat, auf das ich mich in #19 bezog, und die hier oft anzutreffende Stänkerei gegen ÖR-Medien. Alle Finanzierungsmodelle sind mit Abhängigkeiten und INteressen verbunden; nur eben mit unterschiedlichen.
@Helmut Junge: Mit Deinem WAZ-Abo zahlst Du nicht für Journalismus. Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube, der auch gerne von den Verlagen und auch einigen Journalisten verbreitet wird. Aber für den Großteil der Printmedien nicht stimmt (die taz ist hier die Ausnahme von der Regel). Der Inhalt oder Journalismus wird über Anzeigen finanziert. Der Druck, Vertrieb etc. über den Zeitungspreis. Manchmal deckt der Zeitungspreis nicht mal diese Kosten, dann subventionieren Anzeigen sogar den Leser. Wenn überhaupt fällt ein verschwindender Bruchteil des Verkaufspreises an den Journalismus ab.
Da Online die Grenzkosten gegen Null gehen ist es deshalb auch logisch, dass dort die Inhalte kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollten (und zum Großteil werden). Was den Verlagen fehlt ist ein Geschäftsmodell. Das haben sie in all den Jahren des florierenden Internets nicht hinbekommen und verschlafen. Sie haben es verschlafen einen vernünftigen Anzeigenmarkt aufzubauen und stattdessen auf nerviges blinkendes Zeuchs gesetzt, das zu Werbeblockern bei den Lesern führte.
Davon ab glaube ich sogar, dass trotzdem eine Bereitschaft für eine PayWall da wäre. Aber nicht mit DIESEN Inhalten, der zum Großteil aus Agenturmeldungen besteht um das Internet zu verstopfen. Die Paywall allein wird das Problem nämlich nicht lösen, dazu müsste ein Konzept her, aber da wären wir wieder bei dem Problem anbelangt, dass die Verlage keins haben. Ich behaupte sogar, die verstehen ihr komplettes Geschäft nicht.
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