In Jordanien hat eine Shawarma-Bude neu eröffnet, aufgemacht im Stil eines westlichen Franchise, der Name des Ladens: „October 7“, Tag der Hamas-Massaker an mehr als 1100 Israelis. Ein Fastfood-Business mit bestialischem Beigeschmack, es erinnert an eines, das die Documenta zwei Jahre zuvor als „volkstümlichen Humor“ verkauft hat. In der Debatte darüber, ob „Anti-Diskriminierungsklauseln“ die Freiheit von Kunst einschränken, gibt dieser Kurzschluss von Terror und Kunst zu denken.
Ein Fastfood-Interieur, wie man es um jede Ecke findet, das Personal in uniformem Rot, auf dem Rot der Schriftzug des Logos, er erinnert an den von Naturally 7, der coolen New Yorker a-capella-Band, nur dass es hier „October 7“ heißt. Der Schawarma-Laden, der jetzt in der zentral- jordanischen Stadt Al-Mazar al-Janubi mit einer fröhlichen Party – Videos finden sich auf Twitter oder auch hier – eröffnet hat, soll Name und Logo diversen SM-Berichten zufolge bereits wieder abgelegt haben. Was aber den Eindruck, bei der Fastfood-Feier des Schlachtfestes, das Hamas ausgerichtet hat, habe es sich um eine künstlerische Intervention gehandelt, nur verstärkt: Vor zwei Jahren hat Hamja Ahsan, Documenta15-Künstler aus London, genau dieses Szenario auf der Weltkunstausstellung in Kassel plakatiert:
Werbetafeln für eine Fastfood-Bude namens „PFLFC“, Abkürzung für „Popular Front for the Liberation of Fried Chicken“, das Logo zeigte einen Gockel, der eine Kalaschnikoff ausrichtet. Ahsans „Volksfront für die Befreiung von Grillhähnchen (PFLFC)“ spielte offensichtlich auf die PFLP an, die „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ – eine links-säkulare Terror-Truppe, die Anfang der 70er das Selbstmord-Attentat popularisiert hatte. Mit grausamen Folgen für Israelis: Die Bestialität des Mordens, das inszenierte Abschlachten, das Blutvergießen um der Bilder wegen, das alles hat nicht die streng religiöse Hamas erfunden, es stammt aus linker Theorie.
Weil es mit ihr genauso gut, geht die Kunst mit. Im Mai 2021 hatte Hamja Ashan den Letter Against Apartheid unterzeichnet, schon war er im Sommer 2022 einer der „lumbung member“ auf der Documenta, zählte also zum erweiterten innercircle mit der kuratorischen Erlaubnis, auf eigene Faust weitere Künstler einzuladen, die er im selben Polit-Milieu rekrutiert hat. Ashans fiktive „Halal-Frittierhähnchenimbisse“ seien als Francise-Unternehmen „ausgerüstet“ und bedienten sich, heißt es bis heute auf der Documenta-Seite im Netz und verkorksten Deutsch, einer „volkstümlichen Ikonografie und Humor, um die Risse aufzuzeigen, die durch soziale Ausgrenzung entstehen – in diesem Fall in Bezug auf Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit“.
Die betont linken Judenmörder als Opfer von Islamophobie? Man muss eine Deutung wie diese denen, die sie einmal getextet haben, um die Ohren hauen, auf kulturraum.nrw beispielsweise wurde aus Ashans antisemitischer Terror-Huldigung eine „satirische Intervention“, sie greife „islamophobe Stereotypen“ auf, heißt es da, Ashans Kunst – die Verherrlichung von Massenmord an Juden – sei ein „ziemlich witziges und schräges emanzipatorisches Projekt“. Ashan selber ist erst, nachdem er Bundeskanzler Olaf Scholz als „faschistisches Schwein“ bezeichnet hatte, von der Documenta geflogen, er ist die einzige BDS-Posaune, dem die Tür gewiesen wurde, seine Chicken-Kunst allerdings blieb in Kassel hängen. In „October 7“, der jordanischen Shawarma-Bude, hat Ashans Bild jetzt hat das Laufen gelernt, ziemlich schräges Projekt, sowas.
Und das hat mit der „Organisationsentwicklung der documenta und Museum Fridericianum gGmbH“ zu tun und mit dem Abschlussbericht der „Metrum Unternehmensberatung“. Sie war – nach den antisemitischen Skandalen der letzten Documenta – beauftragt worden, „Empfehlungen“ zu erarbeiten, wie sich Ähnliches verhindern lasse. Metrum ist auf die Diagnose von Kultur-Unternehmen spezialisiert, als kulturpolitischer Akteur mit laut Eigenauskunft „weit über 300 Beratungsprojekten“ prägt das Unternehmen die Kultur dieser Republik womöglich weit mehr als es Künstler tun oder Kulturpolitiker oder eine kulturpolitische Korporation. Ziel von Metrum ist es, „dass Kunst, Kultur und Bildung ihren positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft erhalten und ausbauen“, Metrum sieht Kultur in der ausschließlichen Funktion, „einen positiven und nachhaltigen Beitrag zu leisten“. Also nie wieder Punk? Nie wieder Adorno? Nie wieder die Frage, wo denn das Positive bleibe, wenn es in der Baaderstraße 56 b in 80469 München residiert? Dort liest es sich so:
„Zielorganigramm mit vier Leitungsebenen“. „Neue Abteilung Organizational Learning and Development”. “Pooling von Ressourcen in Education/Mediation”. “Einführung eines Risikomanagement-Systems”. „Einführung eines „Management Boards“. „Einführung eines digitalen Wissensmanagement- und Feedback-Tools“. „Implementierung von zwei Codes of Conduct auf Augenhöhe“, wobei der erste geeignet sein müsse, „den Schutz der Menschenwürde zu gewährleisten“ und der zweite „erläutern“ möge, „was genau der Schutz der Menschenwürde in diesem Kontext impliziert“ usw.
Was in dieser Metrum-Welt entstehen mag an Kunst, wird sicherlich sein, was die Documenta immer sein wollte, zeitgenössisch. Aber Kunst? Hans Eichel (SPD), Ex-OB von Kassel, Ex-Bundesfinanzminister, sicherlich kein Ex-Punk und auch kein Ex-Adornite, hat die Empfehlungen jetzt in einem Gastbeitrag für die Hessische/Niedersächsische Allgemeine scharf kritisiert: Der künstlerischen Freiheit würden, folgte man Metrum, „von vornherein Fesseln angelegt“, wie denn „die Menschenwürde eines autoritären Staatschefs geschützt werden“ solle oder die „eines Vergewaltigers, eines Kriegsverbrechers und Massenmörders“? Es stimmt natürlich, ein Kunst- ist kein Gerichtsprozess, und Eichel hat recht auch dann, wenn sein Unbehagen durchklingt darüber, dass staatlich bestallte Runden einen Talk moderieren, der darüber befinde, was künstlerisch akzeptabel sei und was nicht. Wer jemals mit einem Leitbild- oder Kulturentwicklungs- oder Code-of-Conduct-Prozess in Berührung gekommen ist, kennt die bonbonbunten Bilder, die auf der digitalen Pinnwand zurückbleiben. Eichels Frage – er formuliert sie wie brav gelernt, und natürlich funktionalisiert auch er mit ihr die Kunst, aus seinem Mund aber klingt die Frage in dieser Situation anders – seine Frage:
„Kunst, die nicht mehr provoziert, nicht mehr Anstoß erregt, nicht mehr radikal Bestehendes hinterfragt, was ist sie anderes als Staatskunst? documenta, wie wir sie kennen, ist das nicht mehr.“
Damit hat Eichel recht und unrecht zugleich. Natürlich muss dumme Kunst gezeigt werden, um sie als dumme Kunst zu erkennen. Muss Propaganda-Kunst gezeigt werden, um sie als Propaganda zu dechiffrieren usw. Unrecht hat Eichel, weil er die Freiheit der Kunst als gegeben voraussetzt. Und zwar gerade in Deutschland, die Bundesrepublik, schreibt er, habe einen „Ruf“, dass sie „der Welt ein Beispiel für Kunstfreiheit“ gebe. Eben diese Freiheit aber – und damit sich selber – hat die Documenta zuletzt an eine Clique verkauft, an einen Konformitätszwang nach innen, ein in sich verkralltes Gruppenverhalten, das außerstande war, auf die ästhetischen Skandale der eigenen Documenta in irgendeiner Weise ästhetisch zu reagieren. Unwillens, sich selber zu reflektieren, die Ruangrupa-Kuratoren gingen mit diesem Unwillen und Unvermögen vorweg, derzeit stapft Laurie Anderson hinterher. Darum ist richtig, wenn Hans Eichel schreibt, dass die Documenta – sollte sie die Metrum-Empfehlungen übernehmen – „sich selbst zensiert“. Nur dass die Documenta sich lange vorher und ganz ohne Metrum-Beratung längst selber zensiert hat. Wie sie, wie der Kulturbetrieb insgesamt sich aus den Fängen von BDS lösen könnte, dazu fällt weder Eichel noch Metrum etwas ein.
Währenddessen findet sich die Kunst der Documenta, die das Judenschlachten als „Intervention in Kunstinstitutionen“ entworfen hat – „als Klassenkampf, als Empire und Widerstand“, heißt es dort weiterhin wörtlich – dort wieder, wo sich das künstlerische Fastfood-Business mit echtem Schabefleisch betreiben lässt. „Lumbung kios“ war der Versuch der Documenta 15, „Vertriebswege zu dezentralisieren und alternatives Wirtschaften zu erproben“, es war in allem, was Ruangrupa aufgetischt hat, ein ernstzunehmendes Projekt. Offenbar aber führen die Vertriebswege der Kunst, die in dieses „Ekosistem“ eingespeist worden sind, auf eine Fastfood-Party, die Massaker an Juden feiert.
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