Unser Gastautor Thomas Weigle beschäftigt sich heute in seinem Beitrag „Juden im deutschen Fußball, Teil Vier“ einmal mehr mit einem sporthistorischen Thema:
Mehrfach hatte ich bei den Ruhrbaronen bereits Gelegenheit, mich als Gastautor mit den dunklen Seiten des deutschen Fußballs zu beschäftigen.
An aller erster Stelle steht da der Umgang mit jüdischen Mitgliedern und die lange Verleugnung des positiven Einflusses jüdischer Spieler und Funktionäre/Sponsoren auf und im deutschen Fußball in der Zeit vor der nationalsozialistischen Machterschleichung 1933.
Auch lange im historischen Mülleimer war die rasche Verdrängung der jüdischen Mitglieder aus den deutschen Fußballvereinen und dem DFB durch die Übernahme des Arier-Paragraphen und des Führerprinzips im April 33. Der DFB begrüßte zu dieser Zeit bereits das Ende der „zersetzenden Wirkung des Judentums“ im Fußball und begrüßte, dass damit auch allen Bestrebungen den Fußball nach ausländischen Vorbildern zu professionalisieren, ein Ende gesetzt wurde. Dafür wurden im KICKER-ALBUM 1939 die jüdischen Nationalspieler Fuchs und Hirsch „vergessen“, ein Vorgang der sich bei einer Neuauflage wiederholte -1988 unter dem unsäglichen Neuberger.
Der positive Einfluss jüdischer Kicker und Sponsoren war v.a. in Süddeutschland zu spüren gewesen, der Karlsruher FV, der Nürnberger Club, die Fürther, die Bayern und nicht zuletzt die SGE und der FSV in Frankfurt verdanken ihren Aufstieg in die deutsche Fußballspitze nicht zuletzt auch jüdischen Sponsoren. Der Schlusspunkt dieser Entwicklung war das 32er Endspiel zwischen den Bayern und der Frankfurter Eintracht( 2:0), die dann in der NS-Zeit keine große Rolle mehr spielen konnten.
Diesmal möchte ich den Blick der ruhrbaronischen Fußballfreunde auf den jüdischen Fußball in der NS-Zeit richten. Zunächst auf die Rahmenbedingungen und dann auf das Geschehen und jüdische Vereine hierzulande. Vereine, die ihre „große Zeit“ groteskerweise dem Ausschluss der Juden aus dem deutschen Alltag verdanken. Heute sollen zunächst die Rahmenbedingungen für jüdischen Fußballsport vor und nach dem 30. Januar 33 skizziert werden.
Bis dato gab es nur wenige rein jüdische Sportvereine, obwohl man der Meinung war, dass „man uns keine Gelegenheit geben will, zu zeigen, dass wir Ebenbürtiges zu leisten im Stande sind. Man scheint uns also zu fürchten! Nur weil wir ein Verein mit Mitgliedern jüdischen Glaubens war, hat man uns abgelehnt,“ schreibt der jüdische Verein Hakoah aus Essen, als sein Antrag auf Aufnahme in den WSV abgelehnt wurde -wegen „Überfüllung“ der Essener Spielklassen.
Zu Recht und bitter fragt die Vereinszeitschrift: „Sind wir denn nicht Deutsche? War es denn nicht unsere Pflicht, im blutigen Völkerringen neben unseren christlichen Mitbürgern zu kämpfen und zu sterben, und ist es unser ehrlich erworbenes Recht, neben ihnen im friedlichen Wettkampf zu stehen?“ Nein, das sah die damalige Mehrheitsgesellschaft ganz anders, denn diese „war nur in den seltensten Fällen bereit, den Juden überhaupt anzuhören, geschweige denn sie zu verstehen und sie zu achten.
Auch da, wo man sich in humanen Geist auf eine Auseinandersetzung einließ, beruhte diese auf der ausgesprochenen oder stillschweigenden Voraussetzung der Selbstaufgabe der Juden. Jüdische Beteuerungen über die >geistige Gemeinsamkeit des deutschen Wesen mit dem jüdischen Wesen< stießen in breiten Kreisen auf Ablehnung.“( Schulze-Marmeling)
So trieben deutschen Juden bis 1933 hauptsächlich in den nichtjüdischen Vereinen Sport, um sich im Wettkampf zu messen und vielerorts unterstützten jüdische Handelsleute und Unternehmer die bereits bestehenden Vereine und deren Spieler. So finanzierte der jüdische Metzger Leo Sauer in Gelsenkirchen einem gewissen Ernst Kuzorra den Führerschein und stellte ihn als Fahrer ein. Der gute Kuzorra fuhr also ab 1927 nicht mehr unter Tage ein, wie es der Mythos vom Arbeiterverein Schalke will. Der DFB aber sah laut Chef Linnemann ab 33 seine Aufgabe darin, „seine Mitglieder zu staatsbejahenden, einsatzbereiten Volksgenossen des nationalsozialistischen Staates herauszubilden.“ In dieser „Bildung“ waren Juden nicht vorgesehen.
Nur wenige Vereine schlossen Juden nicht aus, denn staatlich war der Ausschluss (noch) nicht zwingend vorgeschrieben. Die Frankfurter Eintracht nahm sogar noch Nichtarier auf, die letzten jüdischen Eintrachtler wurden erst 1937 ausgeschlossen Als Walter Bensemann, dem der deutsche Fußball viel verdankt, 1934 im Schweizer Exil starb, wurde seiner bei der Eintracht ehrend gedacht.. So heißt es in JÜDISCHE FUßBALLVEREINE IM NATIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHLAND aus der „Göttinger Werkstatt“: „Im historischen Vergleich waren solche Maßnahme die seltene Ausnahme.
Ganz offensichtlich waren nur wenige Funktionäre bereit, die noch vorhandenen rechtlichen Freiräume auch tatsächlich zu Gunsten ihrer jüdischen Vereinsmitglieder auszunutzen.“
Nicht nur, dass es nur wenige jüdische Sportvereine gab, sie waren auch untereinander uneins, ideologisch getrennt. Da war der Makkabi-Verbund, der streng zionistisch ausgerichtet war, auf der anderen Seite der Sportbund Schild , den die auf Assimilierung setzenden deutschen Juden gegründet hatten. Dieser Sportbund der jüdischen Veteranen des „großen Krieges“ setzte auch auf die nicht wenigen deutschnational orientierten Juden. Ausgrenzungsmaßnahmen der Nazis ließ die Unterschiede kleiner werden, beseitigte sie aber nicht. So führten Makkabi und Schild 35/36 jeweils eine reichsweite Meisterschaft durch, die von Frankfurter Mannschaften gewonnen wurden. Diese Meisterschaften wurden nach den Regeln des DFB durchgeführt. Bezirksmeister spielten in KO-Runden dann den Meister aus.
Sport zu treiben war für die deutschen Juden mit einem Schlag schwierig geworden, denn die jüdischen Vereine wurden von den staatlichen und vielen vereinseigenen Sportplätzen vertrieben, ihre Nutzung Juden untersagt. Eigene Sportplätze hatten sie kaum, es fehlte an Geld neue einzurichten. Nachdem Hitler sich für die Beibehaltung der Austragung der OS 1936 entschieden hatte, verbesserten sich die Bedingungen für jüdische Sportler zeitweilig, so durften jüdische Vereine, „gegen die keine polizeiliche Bedenken“ vorlagen, laut einer Direktive des Reichssportführers vom November 33 offiziell Sport treiben und es gab fürderhin sogar einige „Gesellschaftsspiele“ zwischen jüdischen und DFB-Vereinen. Nach den OS 1936 allerdings war die Schonzeit vorbei und nach der Reichspogromnacht im November 1938 wurde den deutschen Juden im Zuge der rigoros verschärften Ausgrenzungsmaßnahmen der Nazis jegliche Sportausübung untersagt.
Neben den staatlichen Sanktionen mussten die jüdischen Vereine auch damit leben, dass immer mehr ihrer Aktiven das nationalsozialistische Deutschland verließen, ein Aderlaß, der sich teilweise lähmend auswirkte, denn es waren naturgemäß meistens junge Menschen, die der Auswanderung den Vorzug gaben -v.a. nach Palästina. Auch dort trafen sie auf eine tw. feindliche Umgebung, so musste die 38er Makkabiah in Tel Aviv wegen politischer Unruhen abgesagt werden, für die bereits ein vorläufiger deutscher Kader nominiert worden war.
Tor:Fries,
Verteidigung: Gigurski, Rosenbusch(alle FFM), Sperber( BK Hakoah
Berlin), Cohn(Mannheim),
Läufer: Grünenbaum, Hersch(FFM), Ziesinsky(Leipzig), Scharf(Hakoah
Berlin), Kaufmann(Hagibor Berlin), Deutsch(JSK Berlin,
Sturm: Gerson(JSK Berlin), Kleinmann(Düsseldorf),May(Frankfurt),
Hecht(JSK Berlin), Kleinmann(Nürnberg), Hilkowitz( BK Hakoah Berlin)
Es fällt auf, dass keine Spieler aus dem unmittelbaren „Sendebereich“ der Ruhrbarone dabei waren, obwohl ein gutes Dutzend Vereine am Ball war. Mehr darüber in der nächsten Folge.
Alle Angaben aus Pfeiffer/Wahlig: Jüdische Vereine im nationalsozialistischen Deutschland, Die Werkstatt, Göttingen 2015 bzw. Schulze Marmeling(Hg): Davidstern und Lederball, Die Werkstatt, Göttingen,2003
…aber die jüdische Meisterschaft im Juni 1938 wurde von "Schild Bochum" unter dem Kapitän Erich Gottschalk gewonnen!
siehe http://www.joods-leven.net/geschichten/index.php?id_geschichten=147