Jüdische Gemeinde Bochum ehrt Volker Beck mit Otto-Ruer-Medaille

Volker Beck Foto: Stefan Kaminski

Am 30. Oktober verleiht die Jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen ihre Otto-Ruer-Medaille an den Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck. Die Laudatio auf den Publizisten und Lehrbeauftragten der Ruhr-Universität hält Richard C. Schneider, langjähriger Israel-Korrespondent der ARD.

Vor 100 Jahren, am 31. Oktober 1924, wurde Otto Ruer zum Oberbürgermeister der Stadt Bochum gewählt, acht Jahre lang hat der promovierte Jurist aus jüdischem Haus den Wandel der Stadt zur Großstadt angeleitet. Im März 1933 stürmten Nazis, die Bochum zu ihrer „Gau-Hauptstadt“ gemacht hatten, sein Dienstzimmer im Rathaus, das unter Ruers Regie gebaut worden war, und trieben ihn, von einer medialen Hetzkampagne begleitet, aus der Stadt. Von Berlin aus kämpfte Ruer  um seinen Ruf, das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt, die Nachricht hat Ruer wohl noch in Berlin erreicht. Am 29. Juli 1933 nahm er sich das Leben, Bochums Stadtrat rehabilitierte ihn zwei Tage später, viele Tage zu spät.

100 Jahre später, fast auf den Tag genau am 30. Oktober, wird der Publizist und langjährige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Volker Beck, die Medaille entgegennehmen, mit der die Jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen an das Leben und Sterben von Otto Ruer erinnert. Beck, der am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität (CERES) einen Lehrauftrag innehat, ist seit 2022 Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), seine Stimme hat bundesweit Gewicht, ob er über die prekäre Situation Israels im Nahen Osten spricht, die gescheiterte Islampolitik der Bundesländer oder die antisemitischen Ausbrüche im hiesigen Kultur- und Wissenschaftsbetrieb. Unvergessen, wie lässig er die Documenta 15 auf einen präzisen Begriff gebracht hat: „Da quieken ja die Judensäue“.

Laudatiert werden wird Beck, der  –  schon vor der antisemitischen Welle, die mit dem 7. Oktober hervorgebrochen ist  –  zu einer öffentlichen „Zielscheibe des Hasses“ geworden ist, von Richard C. Schneider, dem ehemaligen Studioleiter und Chefkorrespondenten des ARD-Studios in Tel Aviv. Schneider, selber vielfach geehrt mit ua einem Grimme-Preis, hat sich in seiner aktuellen Spiegel-Kolumne der Frage gestellt, „wann ist der Zeitpunkt gekommen zu gehen? Und wie erkennt man den richtigen Augenblick? Kann es ernsthaft sein, dass ich mir heute, dass sich die jüdische Gemeinschaft heute in Deutschland diese Frage stellen muss?“

Was Schneider tief irritiert hat, war „der Schock meiner nichtjüdischen Freunde“, als ihnen am letzten Sonntagabend die Wahlergebnisse aus Thüringen und Sachsen vor Augen standen: „Sie hatten es nicht glauben wollen. Bis zuletzt schienen sie, trotz der Wahlumfragen und wider besseres Wissen, nicht wahrhaben zu wollen, was sich in Deutschland schon länger zusammenbraut. Ich fühlte mich auf einmal sehr einsam, obwohl diese Freunde ja ähnlich fühlen wie ich.“

Es ist die Otto-Ruer-Erfahrung, die Einsamkeit unter Freunden, die, weil nicht-jüdisch, immer die Wahl haben, ob sie gehen oder bleiben, sie können die Frage, welcher Zeitpunkt der richtige sei, immer noch zurückstellen bis zur nächsten und übernächsten und abermals nächsten Wahl. Volker Beck kann das so wenig wie Richard C. Schneider und wie die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, Beck ist Zielscheibe des Hasses wie sie. Wie Otto Ruer es war, als der im April 1933 in Berlin verhaftet und zurückverbracht wurde in die Stadt, deren erster Bürger er eben noch war, bildete sich dort  –  es war der Ostersamstag  –  „eine erregte Menschenmenge, die kategorisch die Herausgabe des Verhafteten verlangte“, schreibt Ernst-Albrecht Plieg in seiner Otto-Ruer-Biographie: „Zu Hunderten bildeten sie Spalier vom Rathaus bis zum Landgericht“  –  um Otto Ruer, wenn er vorgeführt wird, zu befreien? Die Nazi-Funktionäre forderten Schutztruppen an, schließlich wurde die Menge „durch das Überfallkommando zerstreut. Sie machte dann mit Rufen: ‚Nieder mit Ruer!‘, ‚Hängt ihn auf!‘ ihrer Enttäuschung Luft.“
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Transparenz-Hinweis: Vor zwei Jahren hat der Autor dieses Artikels die Otto-Ruer-Medaille von der Jüdischen Gemeinde verliehen bekommen.

 

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