Aaron Stratmann gehört keiner Hausbesetzergeneration mehr an, arbeitet nicht für die Kommune und hat auch keinen festen Job in einem Kulturzentrum. Wohl aber ist er an einer Reihe wie der Beatplantation beteiligt, war zu Beginn des AZ Mülheim und des Storp 9 dabei und ist auch im Mode-, Theater- und Kunstbereich tätig. Thema also kein festes Haus, wie in dieser Reihe bisher dargestellt, sondern diesmal ein junger Freiberufler, dessen Projekte temporär, mobil und flexibel angelegt sind. Ein Gespräch über den Ist-Zustand im Kulturabteil des Ruhrgebiets und eine Generation, die eben nicht an Schreibtischen klebt.
Ruhrbarone ?: Zur Vorstellung: Du bist ja in vielerlei Bereichen und an verschiedensten Orten tätig. Du und Deine Mitstreiter haben kein festes Haus für eure Veranstaltungen, es gibt nicht das eine Logo, nicht zwingend einen Verein und auch keine direkten Subventionen, kein Jugendamt als Aufpasser, keine übergeordneten Institutionen. Gib doch bitte einen Überblick über Deine Arbeit.
Aaron Stratmann !: Fast richtig. Ich habe ja mein Atelier in Werden, in dem ich male und kreiere und wir haben mittlerweile unseren eigenen Kunst und Kultur Verein. Grundsätzlich besteht die Arbeit, die ich im Kulturbereich mache, aus Tätigkeiten, die ich vorher immer neben Dingen wie meiner Damenschneider-Ausbildung und Co. betrieben habe. Auslöser war vor langer Zeit für einige Freundinnen und Freunde von mir, dass uns das Angebot in den etablierten Veranstaltungsorten nicht gefiel. Wir wollten unsere Sachen großflächiger und nicht nur an einem Ort durchführen. Im Vergleich zu Berlin, Hamburg oder auch Barcelona war uns das hier zu wenig, und das war der Anfang der Beatplantation (Foto) vor sechseinhalb Jahren, zunächst im AZ Mülheim. Und das war direkt eher als Festival angelegt, mit Szene spezifischer Musik und Subkultur auf verschiedenen Floors, ohne aber einfach wie eine Großraumdiskothek einfach nur die Leute zu bespielen, sondern auch mit Installationen, Projektionen, Live-Programm und Ausstellungen. Da ich verschiedene Ausstellungen auch organisiere und kuratiere, z.B. im Rahmen von Be Rock, Beyond Streetart oder Ruhrpuls (ehemals Music & Arts), ergeben sich da natürlich einige Synergien. Gerade im Bereich der Umgestaltung von Räumen gehen wir weit über eine einfache Dekoration hinaus. Und es entstehen Reihen wie „Nicken im Sitzen“, eine Lesung wo Räppen ihre Texte vorlesen.
?: Eine einzige feste Räumlichkeit für all diese Tätigkeiten käme nicht in Frage, so eine Arbeitsweise wie in Autonomen und Soziokulturellen Zentren?
!: Ich habe zwar das AZ Mülheim damals mitbesetzt, aber eigentlich hoffe ich immer noch, dass irgendeine Stadt unser Potential erkennt und uns fördert. Aber: Die Leute sind gemütlicher, die Zeiten schnelllebiger geworden und man geht mal hierhin und mal dorthin. Und so arbeiten wir dann auch, an verschiedenen Orten, aber mit einer klaren Ausrichtung. Wir wollen durchaus die breite Masse ansprechen, es ist ja eh alles ein großes Crossover; deshalb geht es mehr um Kombination und Ergänzungen und nicht darum, das Rad neu zu erfinden. Wichtig ist dabei, trotzdem auch Szene speziell zu bleiben und nicht den großen Ausverkauf mit zu unterstützen.
Und ein inhaltlicher Gedanke dazu: Wenn ich als Veganer das den Leuten predigen würde, dann brächte das nichts. Es geht mehr darum, bestimmte Lebensweisen auf angenehme Weise vorzuführen, die Leute ein klein wenig zu steuern, aber ihnen die Entscheidung zu überlassen. Früher waren alle anti-Anti, wir sind pro-Pro, d.h. wir machen dasselbe, aber über den positiven Weg. Wir machen also schon politische Veranstaltungen, zumindest sehe ich das so.
Nach dem AZ haben wir uns jedenfalls mit der Beatplantation ins Druckluft begeben und parallel haben wir auch den Verein gegründet, um die ganze Kulturarbeit mal einem Kopf zu zuordnen. Wir haben uns auch mit dem Port e.V. ein Haus besorgt, in Essen und mit Hilfe der Allbau. Doch schon während des Umbaus wurde klar, dass man dort einige Dinge nicht hinbekommen würde, weil es dann doch keine Schallisolierung gab, zum Beispiel. Es ist schon problematisch, Lesungen dort durchzuführen die länger gehen als 22 Uhr. Jetzt hat man sich wieder anderen Räumen zugeneigt und macht ab und an im Storp Aktionen, aber Storp 9 ist doch großteils dem Jugendamt überlassen. Das ist nämlich der Vorteil an AZs, da macht man alles selber. Die Leute von außerhalb verstehen ja meist gar nicht was man macht oder machen will.
Und Ende 2008 hat man sich dann noch einmal um ein anderes Gebäude in der Essener City bemüht, ganz ohne öffentliche Hand quasi, aber das hat sich dann auch bald erledigt gehabt. Da lag es dann mal an ungeklärten Besitzverhältnissen. Wir hatten ähnliches ein Jahr vorher auch schon versucht. Da hatten aber wieder die Vermieter Angst vor einem Verein. Wobei so ein festes Haus dann eh nur eine Art Stützpunkt sein könnte, von dem aus man dann weiterhin verschiedene Projekte an verschiedenen Orten durchführen würde. Es tut auch gut, immer mal woanders hin zu gehen, um immer wieder neue Impulse abzuholen, auszuprobieren und die Spannung drin zu behalten. Angebote im Rahmen einer Veranstaltung von der Tischtennisplatte über die Ausstellung bis hin zum Theaterstück kann man auch sehr gut ohne einen festen Austragungsort verwirklichen.
Teil 2 des Interviews hier.
[…] und Projekt orientiert auch einmal mit öffentlichen Institutionen zusammen arbeiten (so z.B.). Im Gespräch diesmal: Patrick Matzmohr und Oliver Grunau von u.a. Supercity und […]