Jugend Kultur Zentren 2010 – Teil 5 (2)

?: Man ist ja heutzutage auch immer sofort im Markt und es gibt direkt Konkurrenz in der sogenannten Off-Szene. Da ist man dann selten noch im Clinch mit der Stadtverwaltung,  dafür hat man jetzt die Kulturhauptstadt, zu der man sich verhalten muss…

!:
Ich versuche eher meine eigenen Sachen zu machen mit ein paar weiteren Leuten, dann ist auch klar dass das inhaltlich in Ordnung ist. Ich arbeite gerne mit vielen Leuten zusammen, aber nicht zwingend mit Institutionen. Ich weiß selbst recht gut wie ich meine Bereiche abdecken kann, aufgrund meiner Erfahrungen, dafür brauche ich nicht unbedingt Hilfe von der Kommune oder anderen. Schön wäre es, aber es muss eben auch ohne gehen. Ich hatte z.B. für Ruhr.2010 kein Projekt abgegeben, weil ich da einfach zuviel zu tun hatte. Ich fand damals die Idee ja sehr gut, dass mal klar wird dass in der Region viel Potenzial steckt, bis ich gemerkt habe, dass bei der Idee „Kulturhauptstadt“ ein bisschen etwas anderes angesteuert wird. Auf einmal kamen dann Leute in meine Stadt, fragten alle möglichen kulturell Aktiven aus, und sonst passierte nicht viel. Man erzählte denen also was hier passiert, das auch gerne, aber ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich denen keine Ideen geschenkt habe – und das geht ja im Grunde auch gar nicht. Ohne Hintergrund-Infos sind gewisse Arbeiten schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Irgendwie nervt es mittlerweile auch, dass alle über Kultur quatschen aber inhaltlich viel zu wenig passiert. Und da habe ich dann in letzter Zeit eher mal überlegt, aus dieser Situation und dieser Stadt weg und dahin zu gehen, wo wirklich etwas passiert und nicht mehr nur plötzlich alle darüber reden.

?: Das hat natürlich auch mit der speziellen Struktur zu tun, dass das hier im Grunde eine große alte Arbeitersiedlung ist, die eben keine gewachsene Stadt ist, strukturell wie historisch.

!: Ja, denn es gibt hier etwas sehr Eigenes, was ich auch sehr mag. Die Leute hier haben halt eine große Schnauze und sind wie sie sind. Und darin ist eine ganze Menge an eigener Vielfalt zu finden. Das hat auch was ehrliches. Nichts gegen gut aufgezogene Kampagnen und Großprojekte, aber es geht halt um Inhalte. Ich kenne das aus Holland, dass da gute Leute ihr eigenes Konzept verwirklichen, und dann kommt die Stadt und fragt, ob man das nicht in einer ihrer leeren Hallen durchführen kann. Oder dass Freunden von mir leer stehende Ladenlokale angeboten werden. Ein Gebäude wurde dann auch irgendwann angemietet. Das ist so ziemlich das Gegenteil von Ausschreibungen und Wettbewerben. So etwas mache ich im Grunde grundsätzlich nicht. Wie gesagt, da laufen auch gerade Klagen wegen Ideenklau.

?: Klingt ja fast als würde genau die Situation ausgenutzt, dass die Kommune sich nicht kümmert…

!: Ich habe dann mal nachgefragt, was daraus wurde dass ich mal bei Ruhr.2010 vorbei bin um denen ein paar Infos zu unseren Arbeiten und Vorgehensweisen zu geben. Im Nachhinein  hieß es „Das habe ich dem Dieter ganz genau erzählt.“ Und ich sagte: „Das kann ich mir gut vorstellen, dass Du das dem Dieter ganz genau erzählt hast. Und sonst?“ Da fragt man sich schon, was da mit den Ideen und Namen passiert, die man denen anvertraut hat. Wobei die das eh nicht so hinbekommen würden, wie wenn etwas aus einer Subkultur heraus passiert. Bei meiner derzeitigen Arbeit für „Crayfish“ von Sami Akika am Rheinischen Landestheater in Neuss hat der Regisseur zumindest Leute aus den einzelnen Sub-Szenen heraus geholt und arbeitet mit denen gemeinsam an der Produktion. Auf dem Level klappt das dann wieder. Lustig war auch als einer vom Theater angerufen hat und sich darüber beschwerte, dass nur Wahrzeichen aus dem Ruhrgebiet und nichts aus der Stadt Neuss im Bühnenbild vorkommt – obwohl es in einer Szene des Stücks um einen HipHopper aus Wanne-Eickel geht. Nach ein paar Erklärungen hat er das dann auch eingesehen und hat auch nichts mehr gegen meine Zechen- und Industrielandschaft (Illustration) gesagt.

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