Junge Presse: Statt Reportagehilfe nur reine PR

Die Reportagehilfe der Jungen Presse e.V. (Netterweise abfotografiert von der Jugendpresse Rheinland)
Die Reportagehilfe der Jungen Presse e.V.

 

Mitte Mai wird vielen Mitgliedern der Jungen Presse e.V. eine „Recherchehilfe“ aufgefallen sein, der dem Infobrief des Vereines beilag. Dieser Brief informiert über aktuelle Veranstaltungen und Angebote für die Nachwuchsjournalisten. So auch dieses mal. Es geht darum, wohin das Geld bei Westlotto fließt, was nicht wieder als Gewinn ausgeschüttet wird. An sich also nichts schlechtes. Ein interessantes Thema, auf das man sonst nicht unbedingt Aufmerksam werden würde. Aber eine Sache stört: Es ist reine PR.

 

 

Die Junge Presse e.V. richtet sich, wie der Name schon sagt an junge Medienschaffende. Viele davon werden vor allem wegen dem Jugendpresseausweis Mitglied in dem Verein sein. Mit unter 18 Jahren muss man als (angehender) Journalist einen Jugendpresseausweis besitzen, um zum Beispiel bei einer Demo hinter die Polizeiabsperrung zu dürfen. Auch viele Festivals erwarten einen Presseausweis bei der Akkreditierung. Einen „richtigen“ Presseausweis kriegt man unter 18 nicht. Man darf bis zum Alter von 27 einen Jugendpresseausweis besitzen.

Die Junge Presse e.V. also, in dem zumindest ein gewisser Prozentsatz an Mitgliedern unter 18 sein dürfte, macht eine „Reportagehilfe“, in der in keinem Wort auf Glücksspielsucht eingegangen wird und vollkommen unkritisch berichtet wird. Ich habe bei einem anderen Verband für junge Medienmacher nachgefragt, die auch den Jugendpresseausweis ausstellen: Die Jugendpresse Rheinland e.V.

Michel Thalis von der Jugendpresse Rheinland erklärt mir per Mail: „Auch wir haben die Post mit der Recherchehilfe und den Falt-Flyer von der Jungen Presse erhalten und uns tatsächlich ähnliche Fragen gestellt wie Du.“ Das ist ja schon mal schön zu hören. Ich bin also nicht der einzige, der stutzig wurde. Zwar ginge es heute nicht mehr ohne Kooperationen mit Unternehmen, so Thalis, aber Recherchehilfe, „die nur dazu dienen, ein Unternehmen gut dastehen zu lassen, gibt es bei uns auf keinen Fall.“ Eine Sponsoring dürfe, laut Thalis, nicht davon abhalten, im Zweifel auch kritisch über den Sponsor zu berichten.

 

Die Reportagehilfe der Jungen Presse e.V. (Netterweise abfotografiert von der Jugendpresse Rheinland)
Die Reportagehilfe der Jungen Presse e.V.

Eine WIN-WIN-Situation wird hergezaubert: Der Lotto-Spieler könne nur gewinnen, schließlich lande sein Geld ja in tolle Projekte in NRW.

 

Die Reportagehilfe der Jungen Presse e.V. (Netterweise abfotografiert von der Jugendpresse Rheinland)
Die Reportagehilfe der Jungen Presse e.V.

 

Im Falle der Reportagehilfe der Jungen Presse ist das nicht passiert. Stattdessen wird die PR einer Lotto-Gesellschaft gezielt an Jugendliche und junge Erwachsene verbreitet. Es wird nur auf die ach so tolle Verwendung von Lotto-Einsätze hingewiesen. Dadurch wird das Bild des tollen Lotterie-Betreibers gezeichnet. Eine Win-Win Situation wird hergezaubert: Der Lotto-Spieler könne nur gewinnen, schließlich lande sein Geld ja in tolle Projekte in NRW. Dass nicht einmal ein kleiner HInweis auf Spielsucht in der Reportage-Hilfe ist, ist vollkommen unverständlich. Darauf angesprochen versucht sich Westlotto aus der Affäre zu ziehen: „Die Recherchehilfe ist ein Produkt der Junge Presse“, sagt Alex Weber, nur um am Ende der Antwort Infos über Glücksspielsucht zu verlinken, so, als hätte man etwas vergessen und wolle es nachreichen. Auf die Frage von mir, wie die Recherchehilfe, die WestLotto durchgehend positiv darstelle, mit der journalistischen Maxime der Unabhängigkeit vereinbar sei, kam folgende Antwort:“ (…)Einen Eingriff in die Maxime journalistischer Unabhängigkeit stellt dieses nicht dar. Ganz im Gegenteil, wir fördern durch das Engagement bei der Jungen Presse den journalistischen Nachwuchs dahingehend, tiefgründig zu recherchieren, journalistisch ausgewogen zu berichten und der journalistischen Sorgfalt nachzukommen.“ Wie durch die offensichtliche PR die journalistische Sorgfalt gefördert werden soll, bleibt mir ein Rätsel. Einzige Möglichkeit: Welcher Nachwuchsjournalist sich da nicht wundert und WestLotto den Gefallen tut, möglichst positiv über sie zu berichten, sollte sich dringend fragen, ob er nicht besser eine andere Berufslaufbahn einschlägt. 

Reportagehilfe ohne zu Hinterfragen, ohne zu Kommentieren und ohne kritisch Einzuordnen

 

Die Junge Presse e.V. scheint sich keiner Schuld bewusst: „Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass sich unsere Mitglieder in ihren Berichterstattungen kritisch mit allen Themen auseinandersetzen und journalistische Sorgfalt walten lassen. Zu dieser Sorgfalt halten wir unsere Mitglieder und Seminarteilnehmer bei all unseren Veranstaltungen an.“, sagt Marcus Hammes. Man habe ganz bewusst auf Werbung für Glücksspiel verzichtet. Auch wenn sich viele Nachwuchsjournalisten nicht von so einer PR-Broschüre beeinflussen lassen: Man muss es doch nicht drauf anlegen. Wenigstens ein kritischer Satz wie „Ein maßvoller Umgang mit Glücksspielen ist wichtig, sonst droht finanzieller Ruin“ wäre nötig gewesen, um wenigstens ein bisschen Unabhängig zu wirken. Genau das, was Journalisten liefern müssen, nämlich kritische Berichterstattung, das Hinterfragen von irgendwelchen Pressemitteilungen und das Einordnen, hat die Junge Presse e.V. nicht erbracht. Stattdessen tritt die Junge Presse e.V. als Vermittler zwischen PR-Abteilung und Leser (also den Nachwuchsjournalisten) auf. Ohne zu Kommentieren, ohne zu Hinterfragen und ohne kritisch Einzuordnen. Das habt ihr euren jungen Journalisten toll vorgemacht, liebe Junge Presse!

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

"Man habe ganz bewusst auf Werbung für Glücksspiel verzichtet" – Ach? Das "Westlotto"-Logo direkt auf der Titelseite ist wohl nur ein Druckfehler, oder?

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