Am Dienstag stellen zehn Ruhrgebietsstädte in Gelsenkirchen einen Masterplan für das Ruhrgebiet vor. In dem Papier stecken acht Jahre Arbeit. Man hätte es aber auch in acht Wochen schaffen können…
"Masterplan – das Wort schon" würde Lukas sagen. Gleich zwei Bedeutungen kennt Wikipedia für den Begriff Masterplan : 1. Ein Ausdruck für eine Übersicht über geplante Schritte zur Umsetzung einer Strategie oder zur Erreichung eines Ziels. 2. Ein informelles Planungsinstrument, eine Diskussionsgrundlage, eine Vision oder eine Strategie zur entwurflichen Bearbeitung eines größeren Gebiets. Klar, dass wenn sich zehn Städte im Ruhrgebiet zusammen tun, um einen Masterplan vorzustellen, nur zweiteres gemeint sein kann. Eine gemeinsame Vision, eine Strategie sucht man vergebens – der Masterplan ist eine Aufzählung diverser Projekte der Städte die, wie die Wasserlagen, zum Teil aus der Zusammenarbeit bei anderen Projekte wie Fluss-Stadt-Land herrührt, zum Teil einfach nur unter einem neuen Label zusammen gefasst wurden.
Geht es um die gemeinsame Vermarktung solcher Projekte ist das in Ordnung – nimmt man das Wort „Plan“ in den Mund ist das natürlich zu wenig. Nach jahrelanger Zusammenarbeit – das ganze geht immerhin auf die 2001 von der Bundesregierung gestartete Initiative Stadt2030 zurück – hat man nun für die drei Bereiche Wohnen, Städtebau und Stadtentwicklung und Region am Wasser nun den 188 Seiten dicken Masterplan vorgelegt. Schon der Anspruch des Buches ist denkbar gering: „ Beim Masterplan handelt es sich um ein informelles Planungs- und Kommunikationsinstrument. Es geht im Wesentlichen darum, in den bearbeiteten Handlungsfeldern auf regionaler Ebene – Ist-Situationen zu erfassen und zu bilanzieren – Stärken und Schwächen zu identifizieren – Entwicklungspotentiale abzuschätzen – Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen – Und damit eine Grundlage für weitere Räumliche Planung zu schaffen.“
Natürlich nicht für das ganze Ruhrgebiet, sondern nur für die kreisfreien Städte – die Kreise spielen bei diesem Masterplan keine Rolle. Entstanden ist so, neben der Auflistung der zum Teil heute schon nicht mehr aktuelle städtischen Projekte, ein wenig detailreiches Zahlenwerk und sich widersprechender Leitlinien: „Erhalt der polyzentralen Struktur“ und „Re-Urbanisierung“ passen nun einmal beim besten Willen nicht zusammen, wenn man einen Blick auf die Region als Ganzes wirft. Schön auch: Man will das Image des Wohnens im Ruhrgebiet verbessern – und gleichzeitig die öden Siedlungen aus den 50er und 60er Jahre weiterentwickeln, die klassisches Abrisskandidaten sind, aber einen Grossteil des Bestandes der kommunalen Wohnungsbauunternehmen ausmachen.
Noch vager ist der Stadtplanungsteil: Neben eine Liste von Projekten finden sich am Ende nur ein paar ganz allgemeine Sätze zum Thema Planung. „ „Die Städteregion ist ein Raum der Integration“, „…gemeinsame Qualitätsstandards entwickeln (Was in acht Jahren offensichtlich nicht gelungen ist) oder auch: „Das Ziel ist der Erhalt und die Weiterentwicklung der Lebens- und Gestaltqualität und eine verträgliche Mischung der Funktionen Wohnen, Arbeiten, Konsum, Erholung, Freizeit und Verkehr unter der Einbeziehung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Belangen.“ Dann werden die Wasserlagen des Ruhrgebiets gelobt, die ja wirklich prima sind – aber das war es dann auch schon.
Über Wirtschaft und Einkaufen will man weiter reden. Später. Wenn am Mittwoch der Plan nach achtjähriger Arbeit vorgestellt wird, ist er nicht nur als Ergebnis von achtjähriger Arbeit peinlich – er ist vor allem ein Zeichen dafür, dass die Städte es nie schaffen werden, sich gemeinsam auf mehr als ein paar unverbindliche Sätze in einer bunten Broschüre zu einigen – und es auch gar nicht wollen. Der Masterplan ist ein Verhinderungsinstrument. Er simuliert die Handlungsfähigkeit der Städte um verbindliche regionale Lösungen zu blockieren. Aber auch um das zu erreichen ist er zu schlecht. Wie heißt es doch so schön in Ritter aus Leidenschaft: Du wurdest gewogen, gemessen und für nicht gut genug befunden.
„die Kreise spielen bei diesem Masterplan keine Rolle“
dazu passt: https://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/gelsenkirchen-buer/2009/2/26/news-112862311/detail.html#554812
Man blockiert sich halt lieber 😉
Gruß
Malte!
Ja, der Masterplan:
https://www.bochum.de/C12571A3001D56CE/vwContentByKey/W27PLEPJ216BOLDDE/$FILE/MPRuhr_2008.pdf
Dass die Bezeichnung ?Masterplan? irreführend, mindestens unglücklich, ist, beschreibt Klaus Kunzmann schon im einleitenden Gastbeitrag der Broschüre. Er hat Recht. Ohnehin ist der Begriff dermaßen wund geritten, dass verbales Augenrollen (?Masterplan, das Wort schon?) vollkommen verständlich ist.
Es ist, auch vom Aufgabenverständnis her, mehr eine thematische Synopse. Sie gibt, und das ist das Gute, einen Überblick über die teilweise beträchtlichen Qualitätsunterschiede in den städtebaulichen Planungen und Projekten der erst acht, dann zehn (und jetzt elf) Städte. Nicht die gemeinsamen Themen sind interessant (die kannte man ja schon), sondern diese Unterschiede; insofern sollte man das Ganze als kleines regionales Benchmarking lesen. Wenn der ?Masterplan? nun dazu führt, dass die elf Städte entlang dieser Themen zu einer produktiven Rivalität finden (?Wer schafft die besseren Wohnquartiere?? etc.), dann wäre das genauso wichtig wie die Verstetigung der ohnehin alternativlosen Kooperationskultur im Ruhrgebiet. Ben Davy hat diese notwendige Mischung aus Kooperation und Wettbewerb seinerzeit, im 2030-Projekt, richtigerweise ?Coopetition? genannt.
Nein, ein Verhinderungsinstrument für effektive Regionalplanung sehe ich da nicht, diese Form der Zusammenarbeit der Städte verhindert bestenfalls allzu paternalistische Ansätze ?von oben? (die aber sowieso nicht mehr funktionieren würden). Dennoch, und da gebe ich der Kritik ein wenig recht: Das viele ?Neuland in den Köpfen?, das auch hier wieder herbeigesehnt wird, ist so recht noch nicht zu sehen. Das Ruhrgebiet ist halt nicht die Gegend, die sich durch wilden Avantgardismus hervortut.
Es ist bestenfalls die Region der wilden Worte (hier z.B. ?Von der Industrieregion zur Brandungszone?, S.166, oder auch ?Das Leben brandet an unseren ?Küsten? ?, S.179).
Brandungszonen, das sind die bevorzugten Habitate von Strudelwürmern und Surfern:
https://www.youtube.com/watch?v=d4-Fso2EZq8&feature=related
Gemeint ist dann aber so etwas:
https://www.youtube.com/watch?v=tT7nUjN2xS4
? was, wie jeder sehen kann, nicht ganz das Gleiche ist.
Ich bin immer wieder verwundert, wie man sich im Ruhrgebiet über Sachen freut, die, wenn das alles eine Stadt wäre, völlig selbstverständlich sind. Man stelle sich allerdings z.B. in Berlin vor, dass 11 der Stadtteile ca. 8 Jahre brauchen würden um ihre Projekte zusammenzustellen und zu vergleichen. Keine der Verantwortlichen würde das politisch überleben.
Im Ruhrgebiet lobt man sich stattdessen mit ausführlichen und staatlich finanzierten Selbstbewunderungsbüchern und geht mit so wundervoll nichtssagenden Wortschöpfungen wie „Coopetition“ in die Geschichte der Regional- und Stadtplanung ein.
Wenn das keine Parallelwelt ist, was ist es dann?
@Voss: Provinz. 🙂
?Ich bin immer wieder verwundert, wie man sich im Ruhrgebiet über Sachen freut, die, wenn das alles eine Stadt wäre, völlig selbstverständlich sind.?
Tja Arnold, das mag daran liegen, dass das Ruhrgebiet genau das eben nicht ist: eine Stadt; egal, wie sehr man sich seit vielen Jahren eine andere Realität wünscht. Nach wie vor ist die eine große Ruhrstadt die eigentliche Parallelwelt.
Die Städte zu kritisieren ist ja richtig, aber es gibt bessere Kritik, als ihnen vorzuwerfen, dass sie 10 Städte sind (und nicht 1 Stadt) und dass sie für ihre Synopse reichlich lang gebraucht haben. Eine solche Kritik tut ihnen ohnehin nicht weh, weil sie jederzeit auf den noch viel langsameren RVR verweisen können.
Und die Bemerkung zu ?coopetition? ? kommt mir ein wenig ignorant vor. Zu was soll das führen?
Dirk, die Orte die hier miteinander so mühselig kooperieren liegen in Sichtweite zueinander. Ihr Probleme sind materiell und strukturell aufs engste verwoben. Es ist also praktisch völlig egal ob sie auch formal eine Stadt sind. Die Parallelwelt entsteht erst dadurch, dass die Verantwortlichen diese Erkenntnis immer dann verdrängen wenn sie nicht kooperieren wollen.
Hilfreich bei dieser Verdrängung sind solche Unworte wie Coopetition.Sie geben einer idiotischen Realität einen klug klingenden Namen der nichts anderes als eine beschönigende Funktion erfüllt. Ähnlich wie z.B. der immer noch herumgeisternde Begriff des perspektivischer Inkrementalismus. Solche Worte liefern vor allem Ausreden dafür, sich die Realiät so zurecht zu biegen wie es einem machtpolitisch gerade passt bzw. genau diese Machtverhältniss nicht anzugehen geschweige denn sie auch nur zur Debatte zu stellen. Das nenne ich ignorant. Und das nicht nur ein bisschen.
Das Ergebnis davon sind Abermillionen Steuergelder, die hier in den letzten Jahrzehnten unter dem Beifall von Politikern und Experten in den Sand gesetzt worden sind.
Arnold, so wird das wieder eine dieser heillosen Standarddebatten zum Ruhrgebiet. Entweder diskutieren wir über den Sinn oder Unsinn dessen, was die 10 Städte irreführenderweise Masterplan genannt haben, also über die planerischen Absichten der großen Ruhrgebietsstädte ? oder Sie machen hier einen neuen, unerhörten Vorschlag, wie man sich der ?idiotischen Realität? von 53 Kommunen ad hoc entledigt.
Coopetition und perspektivischer Inkrementalismus, also das Unwort und der herumgeisternde Begriff, sind Modernisierungsstrategien, die nicht darauf warten, bis sich eine solche ?idiotische Realität? verflüchtigt hat. Würde ich Ihrer Logik folgen, besäßen IBA Emscher Park und Ruhr 2030 sogar eine beträchtliche Mitschuld daran, dass die Große Ruhrstadt nicht schon längst Wirklichkeit geworden ist. Kann sogar sein, dass das irgendwer glaubt.
Die meisten der 53 Kommunen brauchen keine Außenhilfe meinerseits um sich als idiotische Realität zu ent- bzw. zu erledigen. Sie sind feste dabei das aus eigenen Stücken zu tun. Viele von ihnen sind auch schon lange keine eigenständig handelnden politischen Raumsubjekte mehr sondern absolut abhängige Größen in einem weitaus größeren Spiel. Dort haben sie nur noch deswegen formell ein Rolle, weil sie sich in eine weitere Runde maßloser Verschuldung begeben haben.
Die IBA war auch keine Modernisierungsstrategie sondern die systematische Flucht vor einer solchen. Oder sehen sie, dass sich durch sie im Ruhrgebiet außerhalb der äußeren Erscheinung etwas Wesentliches verändert hat. Und selbst da wo es schöner und interessanter geworden ist hat sich parallel eine Welt entwickelt die das genaue Gegenteil darstellt.
Am Fall Opel und Nokia könne sie abseits von allem Wirtschaftsförderungswortgeklingel konkret studieren, wie wenig diese Region immer noch in der Lage ist, sich wirklich zu modernisieren bzw. wie wenig sie bislang getan hat um sich neben einem schöneren Bild v o n sich selbst auch eine ökonomisch tragfähigere Zukunft f ü r sich selbst zu schaffen.
Und was die Mehrzahl des verbeamteten Intellekts, der dieser Region per postmondernem Facelifting eine bessere Zukunft angedient hat, betrifft, so wird dieser wahrscheinlich erst dann begreifen, dass auch der Staat nicht dauerhaft mehr ausgeben kann als er einnimmt, wenn dieser gezwungen ist ihnen die Pansionen zu halbieren.
[…] – zehn Städte veröffentlichten im März einen Masterplan für das Revier – und haben die 43 Städte in den Kreisen einfach mal […]