#Katar2022: Gibt es beim Fußball ‚gute‘ und ’schlechte‘ Flitzer?

Der WM-Pokal. Foto: Robin Patzwaldt

Auch in der zweiten Wettkampfwoche beschäftigt die umstrittene FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar die Gemüter weit mehr mit Themen abseits des Platzes als mit dem sportlichen Geschehen auf dem Platz.

Am Montag sorgte zum Beispiel ein ‚Flitzer‘ beim Spiel zwischen Uruguay und Portugal (0:2) für viel Aufsehen. Der Mann, der zu Beginn der zweiten Spielhälfte auf den Platz stürmte, verband mit seiner Aktion mehrere politische Botschaften: Auf der Vorderseite seines Superman-T-Shirts stand ‚Save Ukraine‘ (‚Rettet die Ukraine‘), auf dem Rücken ‚Respect for Iranian Woman‘ (‚Respekt für iranische Frauen‘) und er trug eine Regenbogen-Fahne über den Platz. Jetzt machen sich viele Zeitgenossen Sorgen um die Sicherheit des Aktivisten, der von Ordnern vom Platz geführt wurde.

Mich beschäftigt an der Sache heute zudem noch ein ganz anderer Aspekt.

Erstaunlich erscheint mir, dass es hierzulande offenbar zwei Sorten von ‚Flitzern‘ gibt. Zu dem Schluß muss man kommen, wenn man die öffentlichen Reaktionen auf diese Aktion mit denen auf andere, durchaus vergleichbare Störaktionen bei einem Fußballspiel vergleicht. Während der Flitzer in Katar hierzulande überwiegend für seinen Mut und sein großes Engagement gefeiert wird, war dies zuletzt bei selbsternannten Klimaschützern noch ganz anders.

Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren im Profifußball zu Aktionen, wo sich Demonstranten illegal auf das Spielfeld bewegten um auf das Problem des Klimawandels aufmerksam zu machen. Hier waren die Reaktionen zu großen Teilen ebenso negativ, wie bei den in vergangenen Wochen aktiven ‚Klimaklebern‘, die hierzulande abseits der Sportplätze den Unmut großer Teile der Öffentlichkeit auf sich zogen.

Nun mag man über die Auswirkungen des Klimawandels und dessen Ursachen und Dimension streiten, an der grundsätzlichen Notwendigkeit diesbezüglich in Zukunft (noch) aktiver zu werden als zuletzt, besteht bei der Mehrheit der Bevölkerung hierzulande jedoch wenig Zweifel. Trotzdem werden solche Störaktionen mit diesem Hintergrund offenkundig überwiegend als unpassende und zu radikale Protestform verurteilt. Da hilft es den Aktivisten auch nicht, dass viele Beobachter in Anliegen im Kern durchaus teilen.

Sich bei Fußballspielen an Torpfosten zu fesseln oder gar mit einem Gleitflugzeug in das Stadioninnere zu fliegen um dort für Irritationen und eine Spielunterbrechung zu sorgen übersteigt in den Augen vieler offenbar ein Maß, das sie zu unterstützen bereit sind.

Das scheint im Umfeld der Katar-WM, die sich ohnehin vieler Kritiker ausgesetzt sieht, jetzt anders zu sein, wie die Aktion beim Spiel gestern gezeigt hat. Eigentlich findet sich bisher niemand, zumindest nicht hierzulande, der die Aktion ähnlich scharf verurteilt hätte. Stattdessen finden viele den Protest vom Montag mutig und machen sich jetzt Sorgen um das Wohlergehen des Flitzers. Ganz anders als in vergleichbaren Fällen der Vergangenheit.

Das verwundert. Ganz unabhängig von einer persönlichen Bewertung der in der Aktion in die Öffentlichkeit gezerrten Anliegen. Ist Klimaschutz hierzulande weniger erwünscht als der Kampf um Menschenrechte und/oder die Verurteilung des Überfalls auf die Ukraine? Das kann ich mir nicht vorstellen. Selbst wenn, würde das etwas rechtfertigen, das man in anderem Zusammenhang verurteilt? Hier im Blog kam zuletzt in einzelnen Artikeln ja auch schon die Frage auf, warum die Situation im Iran die deutsche Öffentlichkeit denn scheinbar so wenig interessiert. Daran kann es also eigentlich nicht liegen, dass der Protest eines ‚Flitzers‘ in Katar aktuell hierzulande deutlich positiver begleitet wird als der zuletzt in München usw..

Ich bin für mich persönlich bisher noch zu keiner wirklich logischen Erklärung der unterschiedlichen Reaktionen gekommen. Dennoch gibt es offenkundig hierzulande ‚gute‘ und ‚schlechte‘ Flitzer. Warum auch immer…

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thomas weigle
thomas weigle
1 Jahr zuvor

In der BRD starben 2020 fast 30. Menschen vorzeitig wg. der Feinstaubbelastung. Wohlgemerkt in einem Jahr. War dieser Tage zu lesen. Reaktion allgemein moderat bis nicht vorhanden. Da beschäftigt man sich lieber mit 15000 Todesfällen auf den WM-Baustellen. Wohlgemerkt,nicht in einem Jahr.sondern in zwölfen dort im Wüstensand.. Wenn man dann die vorzeitigen Todesfälle allein seit 2010 hierzulande summiert….Noch absurder ist die Reaktion auf den Tod einer jungen Frau,die möglicherweise auf Grund von Klimaprotesten nicht rechtzeitig adäquat versorgt werden konnte. Da kocht bei vielen das Blut. Eine Einheitsfront von der Blöd bis eben zu Teilen der Ruhrbarone. Mannohmann.

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