Nach langer Zeit haben sich die Ruhrbarone mal wieder mit Magnus Memmeler unterhalten, der hat aufgeräumt und eine Bundestagsdrucksache gefunden. Die Drucksache 17/5672 vom 27.04.2011 beschreibt die Folgen eines großräumigen Stromausfalls.
Ruhrbarone: Nach der BT-Drucksache 17/12051 zur Pandemie haben Sie nun die BT-Drucksache 17/5672 ausgegraben, die die Folgen eines Stromausfalls beschreibt. Wie gut oder schlecht sind denn der Bevölkerungsschutz auf Blackout-Szenarien vorbereitet? Was wurde seit 2011 getan, um auch für einen langandauernden Stromausfall gewappnet zu sein?
Memmeler: Zunächst möchte ich betonen, dass ich wahrscheinlich nicht der einzige bin, der Kenntnis von dieser Drucksache hat. Ja, einige Kontakte im Bevölkerungsschutz und auch die Ruhrbarone habe ich direkt nach der Entdeckung informiert, weshalb Stefan Laurin die Drucksache ja auch schon für einen Bericht nutzen konnte.
Leider müssen wir auch bei dieser Drucksache feststellen, dass in vielen Bereichen erst jetzt hektische Betriebsamkeit aufkommt und seit 2011 kaum Maßnahmen ergriffen wurden, die einem solchen Zwischenfall präventiv hätten vorbeugen können, um die Eintrittswahrscheinlichkeit zu reduzieren. Unsere Stromnetze befinden sich, angesichts der Herausforderung einer Energiewende, in einem maladen Zustand, was die Wahrscheinlichkeit einer Strommangellage leider erhöht.
Außerdem befinden wir uns tatsächlich in einer multiplen Gefährdungslage, was leider auch zur Wahrheit gehört, denn drohende Stromausfälle sind sicherlich eine extrem große Gefährdung, aber wir haben auch noch andere Versorgungsrisiken. Aus eben dem Grund und einer recht einfachen aber sehr wohl provozierenden Frage, die Prof. Dr. Henning Goersch auf Twitter gestellt hat, hat sich der Think Tank Bevölkerungsschutz unlängst mit der Frage beschäftigt, ob der Bevölkerungsschutz ein Reset benötigt oder ein umfangreiches Update ausreichend sein könnte.
Multiple Gefährdungslage
Prof. Dr. Goersch hat seine Studenten schlicht aufgefordert, den Bevölkerungsschutz vollkommen neu zu denken und die bestehenden Strukturen nicht als Denkblockade zu berücksichtigen, um den Bevölkerungsschutz vollkommen neu strukturieren zu können, ohne sich um bestehende Gesetze, Erlasse und Behördenstrukturen zu scheren. Die Ergebnisse zeigten, dass es nicht gelang, die bestehenden Strukturen zu ignorieren und den Bevölkerungsschutz neu zu erfinden.
Die daraus resultierende Diskussion in einem Twitter Space Format ergab, dass die Strukturen ein zwingendes Update benötigen und insbesondere die lokalen Strukturen gestärkt werden müssen, da es einfach noch dauern wird, bis die erforderlichen Klärungen bei der Zusammenarbeit von Bund und Ländern erreicht werden können, die aber, wie schon oft beschrieben, auch angegangen werden müssen.
Leider muss ich Ihre Frage mit der Feststellung beantworten, dass Kommunen und Kreise dringend gefordert sind die Bevölkerungsschutzstrukturen zu ertüchtigen, da auch diese Drucksache nicht zu dem politischen Handeln geführt hat, welches zur Reduzierung des Risikos geführt oder zur Erstellung von hinreichenden Notfallplänen hätte führen können. Aktuell herrscht hektische Betriebsamkeit in Städten und Landkreisen, um den Bevölkerungsschutz dort zu stärken, wo er zuerst die Bürgerinnen und Bürger erreicht.
Deshalb sollten wir uns zunächst intensiv damit beschäftigen, diese Ebene des Bevölkerungsschutzes nachhaltig gefestigt zu wissen, auch wenn die Kassen überall klamm sind. Zur Verdeutlichung können wir ja eventuell den Soll- und Ist-Zustand betrachten, der auf kommunaler Ebene und in den Landkreisen gerade recht unterschiedlich ermittelt wird. Die 136 Seiten der Drucksache stellen nämlich besonders Städte und Landkreise vor sehr große Herausforderungen.
Ruhrbarone: Dann widmen wir uns jetzt den lokalen Herausforderungen und Ihrer Einschätzung zu bereits bestehenden Strukturen, bevor ich eine Antwort bekomme, welche multiple Risikolage Sie zu Beginn erwähnt haben. In unseren zahlreichen Interviews im Rahmen der ersten 2 Jahre der Pandemie haben Sie häufig auch die Performance Ihres Heimatkreises gelobt. Wie sieht es jetzt aus und welches Niveau fordern Sie im Allgemeinen?
Memmeler: Eventuell ist es wirklich hilfreich, wenn wir hier einen Vergleich zwischen Gebietskörperschaften heranziehen und auch auf Risiken bei der Planung eingehen, die vielerorts auch der Haushaltslage geschuldet sind.
In meinem Heimatkreis, dem Kreis Unna, ist der Bevölkerungsschutz auf Kreisebene nur mit drei Mitarbeitenden ausgestattet, wobei eine Personalstelle hier zeitgleich auch noch den Rettungsdienst im Kreis sicherstellen und weiterentwickeln soll. Meine Wahrnehmung ist, dass der Kreis Unna sehr wohl weiß, dass dies viel zu wenig Personal ist, um Rettungsdienstbedarfspläne fortzuschreiben, regelmäßige Risikoanalysen voranzutreiben, die Erstellung und spätere Fortschreibung des Bevölkerungsschutzbedarfsplans sicherzustellen und die erforderliche Vernetzung zwischen kreisangehörigen Gemeinden und dem Landkreis sicherzustellen.
In der Stadt Essen, die von der Einwohnerzahl und den bestehenden Risiken vergleichbar ist, wird der Bereich Bevölkerungsschutz momentan durch 10 Planstellen sichergestellt und weitere 10 Planstellen befinden sich in der Vorbereitung. Im Landkreis Lippe sind dem Bereich Bevölkerungsschutz 3,5 Planstellen zugeordnet und eine zusätzliche Planstelle ist allein für den Rettungsdienst vorgesehen.
Magnus Memmeler (53 Jahre) lebt in Kamen. Seit über 31 Jahren arbeitet er im Rettungsdienst und Katastrophenschutz. 25 Jahre davon hat er diverse Leitungsfunktionen eingenommen. Er war beauftragt zur Organisation des Sanitätsdienstes beim DEKT in Dortmund und Verantwortlicher einer großen Hilfsorganisation bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in den Jahren 2013 – 2018. Er war zudem Mitglied bei der Stabsarbeit von Bezirksregierungen und in Arbeitskreisen des Innenministeriums bei der Konzeption von Katastrophenschutzkonzepte.
Ich habe diese drei Beispiele gewählt, da ich sie recht gut kenne und an den Beispielen recht schnell klar wird, warum es bundesweit so extrem große Unterschiede in der Wertschätzung des Bevölkerungsschutzes und dessen Entwicklung in der Vergangenheit gibt. Die absoluten Negativbeispiele bilden sicherlich Landkreise, in denen dem Landrat ein freigestellter Kreisbrandmeister beiseite gestellt wird, der dann alleinig den Bevölkerungsschutz planen soll, weil es im Kreisgebiet nicht nur freiwillige Feuerwehren, sondern auch Feuerwehren gibt, die über hauptamtliche Mitarbeitende verfügen, die dann quasi nebenbei, regelhafte Strukturen auf Kreisebene ersetzen können sollen. Solche Modelle sind nicht nur aus meiner Sicht zum Scheitern verurteilt, da hier bestehende Sachzwänge ausgeblendet werden.
Erstens steht der betreffende Kreis, somit der Landrat in Person in der Verantwortung die rettungsdienstliche Versorgung, dessen Aufwuchsfähigkeit und den gesamten Bevölkerungsschutz sicherzustellen, wofür natürlich auch die erforderlichen und möglichst auch redundant ausgestatteten Strukturen vorhanden sein müssen. Da in Flächenlagen jede Stadt gefordert sein wird SAE zu bilden (Stäbe außergewöhnliche Ereignisse), um auf Starkregen, Stromausfall oder andere Schadenslagen zu reagieren, wird die Stadt höchstwahrscheinlich nicht den Mitarbeitenden freistellen, der zur Unterstützung des Kreisbrandmeisters geplant wurde. Gleiches gilt bei der Fortschreibung von Bedarfsplänen im Bevölkerungsschutz, denn diese Fortschreibung muss auch lokal in den Städten und nicht allein auf Kreisebene geleistet werden.
Wer also im Ernst meint, dass maximal ein bis zwei Personen dazu in der Lage sind, die Moderation im Zusammenspiel zwischen Kreis und Kreisangehörigen Städten zu moderieren, deren Bedarfsplanung zu koordinieren, den Aufbau aller erforderlichen Strukturen und eine kompatible Ausstattung im Landkreis zu garantieren, der wird entweder Mitarbeitende aufs übelste verschleißen oder zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zu lange für den Aufbau geeigneter Strukturen benötigen und im Schadensfall Schiffbruch erleiden. Nach der Beschreibung dieses Planungs-Gaus, der sehr häufig Haushaltslagen und Befindlichkeiten innerhalb der Feuerwehrstrukturen in einzelnen Kreisen geschuldet ist, schauen wir auf die Realität in den Landkreisen Lippe, Unna und der Stadt Essen.
Im Gegensatz zur Stadt Essen, verfügen die Kreise Unna und Lippe nicht über die eine und recht üppig ausgestattete Berufsfeuerwehr, welche auch schon über nachhaltig erprobte Strukturen verfügt um Schadenslagen in einer Stadt begegnen zu können. Dennoch wird die im Vergleich zu den beiden Landkreisen recht üppig ausgestattete Struktur im Bevölkerungsschutz der Stadt Essen weiter ausgebaut. Und die Begründung ist recht leicht. In bereits recht gefestigten Strukturen konnte bereits seit Jahren ein ausreichendes Bewusstsein für den Bevölkerungsschutz aufgebaut werden und es bestand die Möglichkeit, freigestellte Mitarbeitende in Facharbeitskreise und Expertenkommissionen zu entsenden, in denen Risiken bewertet werden und die Konzepte entwickelt werden, wie diesen Lagen zu begegnen ist. In den Kreisen Lippe und Unna besteht die Herausforderung, freiwillige Feuerwehren und freiwillige Feuerwehren mit hauptamtlichen Kräften zu koordinieren weil diese in unterschiedlichen Gebietskörperschaften abgebildet und organisiert sind.
Der Kreis Lippe hat sich dieser Herausforderung bereits vor vielen Jahren gestellt, weshalb auch alle Fahrzeuge des Rettungsdienstes dem Bevölkerungsschutzes des Kreises Lippe zugeordnet und auch als solche kenntlich gemacht wurden. Auch wenn unterschiedliche Organisationen am Rettungsdienst beteiligt sind, wird dieser zentral durch den Kreis koordiniert. Ähnliches gilt für die Feuerwehren im Kreis Lippe, die in einer Region angesiedelt sind, in der es bereits seit vielen Jahren selbstverständlich ist, dass die Region Ostwestfalen und Lippe eine gemeinsame und kompatible Beschaffung betreibt und die Kreisleitstellen der Region und die Leitstelle der Stadt Bielefeld redundant betrieben werden. Dennoch soll auch hier eine zusätzliche Personalstelle im Bevölkerungsschutz geschaffen werden, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen nachhaltig begegnen zu können.
Essen, Lippe, Unna…
Obwohl der Kreis Unna noch weit von dieser Form der Organisation entfernt erscheint, ist es hier bislang recht gut gelungen, Krisen zu begegnen. Dies ist gelungen, da der wichtige Moment gegeben war, dass sich die maßgeblichen handelnden Personen seit vielen Jahren kannten und kennen. Im Kreis Lippe ist es möglich, dass der Leiter des Bevölkerungsschutzes sich an den Fachgremien des Landkreisstages beteiligt, um so auch Wissen aus anderen Regionen im Kreis Lippe zu nutzen.
In meinem Heimatkreis ermöglicht die Bevölkerungsschutzstruktur dies noch nicht. Hier ist es vielmehr so, dass bestehende Verbindungen zur Berufsfeuerwehr Dortmund häufig genutzt werden konnten, weil in Dortmund hauptamtlich beschäftigte Mitarbeitende sich in den freiwilligen Feuerwehren des Kreises engagieren oder engagiert haben, weil sie im Kreisgebiet wohnen. Problem – welcher Wehr dienen diese Mitarbeitenden in einer flächigen Schadenslage?
Diese und ähnliche Fragestellungen und auch die Erstellung und Fortschreibung der Bevölkerungsschutzplanung sind hier die aktuelle Herausforderung, die neben der Abstimmung mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden besteht. Aufgrund der bestehenden Risiken, bin ich deshalb froh, dass sich das Ressort Bevölkerungsschutz in meinem Heimatkreis im Aufbau befindet und es damit dem Kreis zunehmend besser gelingen sollte, die erforderliche Choreografie im Bevölkerungsschutz des Kreises garantieren zu können.
Glücklicherweise unterstützen die Städte und Gemeinden bislang die Bemühungen des Kreises, was in anderen Regionen der Republik leider nicht immer gegeben ist, wenn der Kreis darauf vertrauen muss, dass die Städte Rettungsdienst, Feuerschutz und den gesamten Bevölkerungsschutz in ihrer Zuständigkeit so organisieren, wie es die Aufgabenstellung des Kreises erfordert.
Allein an diesen drei Beispielen sehen Sie, dass die Organisation im Bevölkerungsschutz sehr stark davon abhängig ist, welche Strukturen sich in der Vergangenheit etabliert haben. Sollten in diesen Strukturen auch noch Eitelkeiten von Wehrführungen Einfluss nehmen, wird die Aufgabenerfüllung in Landkreisen zusätzlich ungleich schwieriger, als dies bei zentral geführten Behördenstrukturen in Großstädten der Fall ist. Häufig müssen nämlich auch noch liebgewonnene Gewohnheiten berücksichtigt werden, weil es halt schon immer so war.
Ruhrbarone: Müssen wir jetzt vollkommen neu denken oder reicht ein Update?
Memmeler: Ich finde, dass mindestens ein bundesweites Update in allen Regionen erforderlich ist, welches auch mit einer entsprechenden personellen Ausstattung verbunden sein muss. So gut es den beiden Landräten im Kreis Lippe und im Kreis Unna gerade auch gelingt, Runde Tische zu bilden, die klären, welche Herausforderungen bestehen und wer welchen Beitrag im Schadensfall leisten kann und sich mit Videoansprachen an die lokale Bevölkerung wenden, um zum Selbstschutz zu ermuntern, da Bevölkerungsschutz nicht sofort und überall handeln kann, muss ein ausfallsicherer Bevölkerungsschutz stetig moderierend, planend und sich weiterentwickelnd personell begleitet und geführt werden.
Je koordinierter dies und dem Landrat direkt unterstellt geschieht, desto effektiver funktioniert die Stabsarbeit und Schadensbewältigung auch auf der Kreisebene. Der Landrat benötigt hierzu ein eigenes Dezernat im Hause.
Ruhrbarone: Zum Abschluss nun zur Frage der von Ihnen angesprochenen multiplen Gefährdungslage: Welchen Risiken und Problemen sind wir gerade ausgesetzt?
Memmeler: Um einen falschen Anschein zu vermeiden, muss ich hier betonen, dass es nicht nur meine Meinung ist, die sich in diesem Interview wiederfindet und dass ich hier auch nur frei zugängige Daten und Erkenntnisse zusammenfüge, die ich nicht erarbeitet habe, sondern hier nur kommentiere und so gut wie möglich zusammenfasse, damit Leserinnen und Lesern ein grober Überblick ermöglicht wird.
Auf die diversen Gefährdungen möchte ich hier kurz in einigen Punkten eingehen, um dann auf wenige aber komplexe Dinge etwas ausführlicher einzugehen.
- Es drohen mindestens temporäre und lokale Stromausfälle, weil die Anbieter wahrscheinlich nur so die Netzstabilität sicherstellen können.
- Eine Gasmangellage ist, trotz relativ guter Speicherfüllungen, nicht ausgeschlossen.
- Die Trinkwasserversorgung muss, trotz bestehendem Mangel an erforderlichen Chemikalien sichergestellt werden.
- Gefährdete Mobilität in der Logistik durch Produktionsengpässen bei Adblue.
- Damit einhergehend Versorgungsengpässe bei verschiedenen Produkten des Alltags.
- Eine noch nicht als final bewältigt zu betrachtende Pandemie.
- Flächiges Ausfallrisiko im Bereich der allgemeinen und behördlichen Kommunikation.
Diese kurze Auflistung ist nicht als abschließende Auflistung zu betrachten. Hier habe ich lediglich einige maßgebliche Risiken benannt, die weitere Risiken und Mangellagen nach sich ziehen können. Der Beitrag „Kläranlagen gehen Chemikalien zur Wasserreinigung aus“ vom 09.September beschreibt die aktuelle Komplexität im Bereich der Gefährdungsbeurteilung und – Vorbeugung recht gut. Aufgrund von Ausfällen in anderen Bereichen, stehen nun plötzlich nicht mehr die erforderlichen Mengen an Chemikalien zur Verfügung, um Kläranlagen im gewohnten Maße zu versorgen. Gas und Strom hatten wir alle auf dem Schirm und nun kommt plötzlich eventuell noch die Trinkwasserversorgung hinzu.
Wer die Drucksache 17/5672 aus 2011 gelesen hat, wird sich nicht über die kaskadenartigen Auswirkungen wundern, die Mangellagen verursachen können. Zwar haben wir noch Strom und Gas aber beides ist extrem teuer geworden und wird begleitet durch seit vielen Monaten andauernde Störungen innerhalb zahlreicher Lieferketten.
Aufsummiert haben diese Probleme den gleichen, wenn auch nicht unmittelbaren und umfassenden Effekt, wie zum Beispiel ein Blackout. Erschwert wird die Lagebeherrschung durch den allgemeinen und bereits länger bestehenden Fachkräftemangel und der Tatsache, dass pandemiebedingt immer noch viele Fach- und Einsatzkräfte immer wieder für zahlreiche Tage krankheitsbedingt ausfallen. Bildhaft würde man hier im Revier fragen, ob man schon mal einem Nackten in die Tasche gegriffen hat.
Begleitet wird all das durch eine unsägliche Form der Kommunikation, die zusätzlich dafür sorgt, dass es stetig zu Fehlanreizen in der Bevölkerung kommt. Die kommenden sechs bis zwölf Monate werden zu Einschränkungen führen und uns einiges abverlangen. So lautet die schlichte Wahrheit.
Ja, eventuell müssen einige oder auch zahlreiche Unternehmen in der Zukunft reanimiert werden, weil diese in die Insolvenz geraten. All das gehört zur bitteren Wahrheit und genau deshalb ist es wichtig klar und unmissverständlich zu kommunizieren. Das ist nicht allein eine Aufforderung und Herausforderung an die Politik, sondern im gleichen Maße auch an die Medien. In den kommenden 12 Monaten gilt es gesamtgesellschaftlich an gemeinsamen Zielen zu arbeiten und sich nicht an populistischen Schlagzeilen zu ergötzen oder diese zu produzieren, weil so immer wiederkehrend Fehlverhalten in der Bevölkerung provoziert wird.
Natürlich ist es absolut peinlich, dass Politik und Energieversorger, zu der ich auch die Netzbetreiber zähle, nicht in der Lage waren 1 und 1 zu addieren, denn zum Schwenk auf erneuerbare Energien zählt auch der erforderliche Netzausbau, der sträflich vernachlässigt wurde, weshalb es auch zu so absurden Momenten kommt, dass Windanlagen abgeschaltet werden müssen, um lokale Stromnetze nicht zu gefährden. Der Beitrag ist nur ein Beleg dafür, welches Versorgungsrisiko besteht und welche Vorbeugemaßnahmen seit Jahren unterlassen wurden. Wegen der zuvor benannten Risiken bunkert mein Heimatkreis derzeit 500.000 Liter Diesel, um Fahrzeuge der Daseinsvorsorge und Stromaggregate betreiben zu können, wenn Zapfsäulen bei Stromausfällen nicht zur Verfügung stehen. Ebenso hätte man Tankstellenbetreiber auch schon seit Jahren verpflichten können, eine externe Stromeinspeisung durch Notstromaggregate ermöglichen zu müssen, damit die Kraftstoffversorgung aufrechterhalten werden kann.
Die „man hätte Liste“ ist leider unendlich und unerträglich lang, da die geringe Eintrittswahrscheinlichkeit bei vielen Szenarien dazu geführt hat, dass die Vorbeugung vernachlässigt wurde. So auch für den Fall von Stromausfällen, Pandemien, Ausfall von Lieferketten und multiplen Lagen, wie wir sie jetzt gerade erleben. Schließlich hatten wir in Europa über 70 Jahre Ruhe vor Kriegen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir uns zunehmend mit Extremwetterlagen auseinandersetzen müssen. Eine Überflutung in Indien kann die Medikamentenversorgung in Europa gefährden und so weiter. Bevölkerungsschutz und Versorgungsstrukturen müssen nachhaltig und effektiv gestärkt werden, denn das, was wir derzeit erleben, kann durch die unterschiedlichsten Szenarien, die aufeinander einwirken erneut nd in unbekannter Häufung ausgelöst werden.
Aus den zuvor grob angeschnittenen Gründen, sind die Erfolgsmeldungen zu Gasspeicherfüllständen sicherlich wichtig, um unangebrachte Panik zu vermeiden. Leider werden diese Meldungen aber so kommuniziert, dass sie bisweilen dazu beitragen, dass der Gasverbrauch der Privathaushalte plötzlich höher ist, als dies im Vorjahr der Fall war.
Seminare zur Krisenkommunikation
Politiker und Medienschaffende sollten unbedingt Seminare zur Krisenkommunikation wahrnehmen, denn nur so kann das gewünschte und in der Krise erforderliche Verhalten in der Bevölkerung sichergestellt werden. Alle Landräte, Bürgermeister, und MdL und MdB in den jeweiligen Innenausschüssen sollten zudem Seminarre des BBK besuchen, denn Innenpolitik und Sicherheit wird nicht allein durch Polizeiarbeit und Zoll sichergestellt.
Bevölkerungsschutz und Krisenkommunikation werden leider allzu oft vernachlässigt. Liebe Politik, ladet die im Bevölkerungsschutz engagierten Experten häufiger ein und hört ihnen dann auch bitte ausnahmsweise aufmerksam zu, damit nicht immer wieder Drucksachen beweisen, dass wir es hätten besser machen können.
Außerdem ist es ein verheerendes Zeichen des Bundes, wenn in der aktuellen Situation die Haushaltsmittel 2023 für THW, BBK und Zivilschutz gesenkt werden. Auch wenn Einmaleffekte den Haushalt in 2022 sicherlich beeinflusst haben, haben alle Bevölkerungsschützer mindestens auf eine Beibehaltung des Etats gehofft. Das nun entsendete Signal an Länder, Städte und Landkreise ist leider nur als Katastrophe zu beschreiben, denn angesichts klammer Kassen wurde hier nicht zwingend animiert, die erforderlichen Verbesserungen im lokalen Bevölkerungsschutz voran zu treiben.
Um die Leserinnen und Leser an einem Sonntag nicht allzu sehr zu fordern, erlaube ich mir erneut einige Links (siehe unten) zur Verfügung zu stellen, die es den Interessierten erlauben, sich weitergehend zu informieren. Eventuell wird es Sie beruhigen, wenn ich an dieser Stelle schreibe, dass ich seit Wochen Remoulade in meinem Supermarkt um die Ecke vermisse, dennoch aber noch kein Gramm abgenommen habe. Ja, es wird in den kommenden Monaten immer mal wieder etwas fehlen in den Regalen. Wenn wir aber gemeinsam bereit sind, dass wir auch mal Alternativen nutzen oder auf inzwischen gewohnten Luxus zu verzichten, können wir auch gemeinsam über reißerische Überschriften des Boulevards lächeln. Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Restsonntag und eine hoffentlich gute Woche.
Gercek: Herzlichen Dank und einen schönen Sonntag!
LINKS:
Der Katastrophenschutzleuchtturm
SPIEGEL: Stromnetzbetreiber sieht keine Blackout-Gefahr im Winter
WELT: Ausfall des Digitalfunks der Polizei „Das Warnsignal muss gehört werden“
BBK: Das Gemeinsame Kompetenzzentrums Bevölkerungsschutz
blackout news: Tausende demonstrieren gegen Energiepolitik der Regierung
Und am Ende der Link zu den ostdeutschen antidemokratischen Demonstrationen, getragen von AfD und Linkspartei gegen die Energiewende und für Putin. Man merkt die Absicht. Nur: Die Unterstützung für die Ukraine wird fortgesetzt werden. Einen Blackout wird es nicht geben, auch keine Gasmangellage. Und der Ausstieg aus den vier fossilen Energiequellen wird kommen. Jedenfalls nach der aktuellen Faktenlage. Sagt alles der Bundeskanzler. Wer das widerlegen kann, soll es tun, aber viele Menschen ziehen es halt vor, andere Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen.
Nun ja, jeder Fachmann kann Ihnen erklären, warum die Energiewende für das Klima vollständig bedeutungslos ist.
Im besten Falle wird der CO2 Anstieg im unteren Promillebereich verlangsamt
Angesichts der komplexen Probleme kaum eine Strategie mit der man irgendeinen Erfolg erzielen kann.
Im Gegenteil wird es auf Verzicht hinauslaufen und Verzicht bedeutet deutlich abnehmenden Wohlstand und Abwanderung von Unternehmen und Fachkräften. Womit die Chancen, am Ende tatsächlich den Klimawandel zu bewältigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von Deutschland ausgehen werden.
Die Hochwasserkrise 2021 hat m.E. sehr deutlich erkennen lassen, dass die gemeindeorientierte Feuerwehr bzw. Brandbekämpfung plus Technische Hilfeleistungen und eine Katastrophenschutzbewältigung (KatS) organisatorisch, vorhalteorientiert und einsatztaktisch völlig unterschiedliche Tätigkeitsschwerpunkte sind. KatS-Herausforderungen sind i.d.R. deutlich umfangreicher und längerfristig; wobei die Feuerwehren parallel ebenfalls schon mit allem was sie personell und materiell haben im Einsatz sind.
Im spezifischen NRW-Gesetz (BHKG) wurde aber der KatS als ergänzende Randaufgabe des Kommunen als Pflichtaufgabe „untergeschoben“, ohne allerdings konkreter zu formulieren, was denn präventiv im Vorfeld und dann später im Krisenfall tatsächlich „vor Ort“ im Detail und ggf. überregional zu leisten wäre.
Der formalisierte Versuch eine überregionale Vororganisation und Einsatzkoordination über die fünf Regierungspräsidien abzubilden, hat 2021 schon nicht in einem RP-Bezirk ansatzweise geklappt. Daher muss eine operative und finanzielle; d.h. organisatorische Zentralisierung (in Form einer neuen Landesbehörde; ähnlich dem BBK auf Bundeebene) zeitnah etabliert werden.
Im Rahmen formal belassener Unschärfen haben sich nämlich bisher alle Landesregierungen einer konkreter abzufassender Durchführungsverantwortung (sowie objektiv tatsächlich wiederholter Aufsichtsverpflichtungen und wahrscheinlich exakter bestimmbaren Zuschussverpflichtungen) entzogen. Chronisch defizitäre Kommunalhaushalte musste zudem erst sehr selten die somit auferlegte Pflichtaufgabe KatS abdecken, welche über nachbarschaftliche Feuerwehrhilfe hinausging. Völlig unabhängig davon das schon für die Gemeindefeuerwehren kaum Geld zur Verfügung stand, was u.a. durch einen teilweise überalterten Fahrzeug- und Materialpark nicht zu übersehen ist.
Eine faktische Verdrängung oder Prioritätsverschiebung war und ist aber in einer komplexeren Realität, mit vielfältig verdeckten Abhängigkeiten, keine verantwortbare Vorgehensweise. Das fiel nur deshalb nicht auf, weil punktuelle Krisen bisher noch relativ überschaubar waren, die Bevölkerungsschutzmaßnahmen des Bundes viele lokal dramatischen Defizite überdeckten; und partiell die Bundeswehr sowohl mit ihren „unbeschäftigten“ Ressourcen (z.B. Bergepanzer, Tankwagen, etc.), aber auch stringent aufgestellten Führungsorganisation aushelfen konnte.
Standardisierte KatS-Bewältigungsstrategien gehören außerhalb einer bisherigen Gestaltungskreativität nach lokaler Kassenlage in zentrale, d.h. landesweite einheitlichen Erledigungsverantwortung (vgl. Landespolizei). Unter einer zweifelhaften Fiktion einer jederzeit kommunal vollumfänglich finanziell gesicherten Selbstverwaltung ist es unverantwortlich, die eigen Bevölkerung in Stadt und Land weiterhin instabilen oder eher sich zufällig ergebenden Handlungsabläufen (Umwelteinflüsse, ABC-Risikoanalysen/Industrieunfälle, Energiemangellagen, Trinkwassersicherstellung, Pandemien/Medikamentenengpässe, umfangreiche Evakuierungskonzepte, uvm.) auszusetzen!
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