Ruhrbarone: Vergangene Woche konnten man Überschriften lesen wie „ein Kreis macht dicht!“, „der Frust und seine Sprengkraft“ oder „ist die zweite Welle schon angekommen?“. Hat das Land NRW die Lage in Ostwestfalen im Griff? Und wie sieht es in Berlin, Göttingen, Magdeburg und anderen Regionen aus?
Magnus Memmeler: Die aktuelle Situation zeigt auf jeden Fall, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist, auch wenn 75% der Deutschen, so eine aktuelle Studie, keine tatsächliche Gefährdung für sich selbst sehen. Angesichts dessen, was gerade landes- und bundesweit geschieht, sind das erschreckende Zahlen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch der Kreis Wesel wegen einer großen Zahl an Infektionen in einer Dönerfabrik kurz vor einem Lockdown steht. Die angesprochenen Städte aber auch viele andere sind gefordert, Infektionsgeschehen schnell zu identifizieren und einzugrenzen. Wahrscheinlich können wir Montag die Städte Köln und Düsseldorf ebenfalls zu den Hotspots zählen, da hier die Gefährdungsignoranten für Räumungen der Innenstädte gesorgt haben, weil sich zahlreiche feierwütige Menschen angesammelt haben, obwohl auch in diesen Städten, wenn auch nicht so stark wie z.B. in Dortmund Neuinfektionen zu verzeichnen waren.
Alle aktuellen Infektionsgeschehen offenbaren aktuell jedoch noch weitere Risiken und eine gesellschaftliche Brisanz, die für manche unvermittelt zu Tage tritt. Neben den medizinischen und organisatorischen Herausforderungen offenbart sich der soziale Sprengstoff, der bislang unter der Decke unserer Wohlstandsgesellschaft versteckt werden konnte und auch rassistische und antidemokratische Tendenzen in der Gesellschaft werden zunehmend offensichtlicher. In Göttingen sind vorwiegend Wohnviertel von Infektionsgeschehen betroffen, in denen Menschen mit eher niedrigem Einkommen leben, die sich nun erneut abgehängt und ausgegrenzt fühlen. Sie versuchen inzwischen, auch mit Gewalt die Quarantänebestimmungen zu umgehen. Bei allem, was derzeit bewerkstelligt werden muss, um Infektionsgeschehen zu beherrschen, stellt das eine zusätzliche Herausforderung dar und erschwert die Arbeit der lokalen Ordnungs- und Gesundheitsbehörden ungemein.
In Ostwestfalen treten die rassistischen Schwelbrände in unserer Gesellschaft nun offen zu Tage, weil Wutbürger sich unter anderem durch Äußerungen der AFD darin herausgefordert fühlten, die vermeintlichen Verursacher der ostwestfälischen Krise zu vertreiben und Fahrzeuge mit rumänischen Kennzeichen in Brand steckten. Unter anderem der Kriminologe Christian Pfeiffer sagt „der Armutssektor scheint in besonderer Weise unter Corona zu leiden“ und Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte und Gemeindebunds, bestätigt dies, indem er sagt: „Wir müssen uns vor Augen führen, wo die Infektionen verstärkt auftreten. Das sind nicht die Villenvororte in Düsseldorf oder Berlin, sondern das ist häufig dort, wo Menschen in beengten Verhältnissen unter nicht besonders günstigen Umständen leben müssen.“
Zusammengefasst kann man sagen, dass die ehemals vorhandenen Ventile wie Diskothekenbesuch oder Sport, die nun lange nicht vorhanden waren oder immer noch nicht sind, dazu führen, dass Gewalt und Fremdenhass zunehmend zum „willkommenen“ Ventil wird, um Frust abzulassen und auf eigene Probleme hinzuweisen, die lange von unserer Gesellschaft ignoriert wurden und die wohl auch weiterhin Bestand haben werden.
Es erscheint mir jedoch sehr wichtig zu betonen, dass Landräte, Bürgermeister und alle sonstigen Krisenmanager derzeit auch die zuvor genannten Probleme bei Ihrem Handeln berücksichtigen müssen. Inzwischen sind in Ostwestfalen, wie auch im Kreis Wesel, Testzentren geschaffen worden, die auch durch Ehrenamt und Ressourcen des Katastrophenschutzes ermöglicht wurden. Zusätzlich wurde allen Bürgern in den Kreisen Gütersloh und Warendorf ermöglicht, sich kostenlos bei allen niedergelassenen Ärzten testen zu lassen. Diese Massentests werden zeigen, ob es bereits zu einer massenhaften Infektion außerhalb der Belegschaft von Tönnies gekommen ist. Derzeit sieht es noch so aus, als ob dies nicht der Fall ist. Sehr wohl ist aber auch die Aussage der Landesregierung falsch, dass sich das Infektionsgeschehen ausschließlich auf Mitarbeitende und ganz wenige Angehörige in geringer regionaler Verbreitung reduzieren lässt. Bereits am Donnerstag hat beispielsweise die Stadt Bergkamen, 80 Kilometer entfernt von Rheda-Wiedenbrück, 14 aktiv Infizierte gemeldet, von denen 6 Tönnies-Mitarbeitende sind und 8 Angehörige, was Quarantänemaßnahmen in Schulen und Kindertagesstätten nach sich zog. Inzwischen gelten für über 100 Menschen in Bergkamen Quarantäneeinschränkungen, da diese in Kontaktbeziehung zu Infizierten stehen. In zahlreichen anderen Städten in Westfalen sieht es nicht anders aus. Zusätzlich pendeln sehr viele Menschen aus den Kreisen Gütersloh und Warendorf berufsbedingt in die umliegenden Kreise und Städte. An dieser Stelle muss ich aber auch eine Lanze für all die Bürgermeister und Landräte brechen, die schnelles, transparentes und effektives Krisenmanagement betreiben, wodurch wir eventuell in die Lage versetzt werden, eine Ausbreitung von Infektionen außerhalb der Kreise Gütersloh und Warendorf zu vermeiden. Der Bürgermeister von Bergkamen, Roland Schäfer, hat sich, nach Bekanntwerden von Wohnadressen von Tönnies-Mitarbeitenden in seinem Stadtgebiet, als Usain Bolt der HVB (Hauptverwaltungsbeamten) erwiesen, indem er am Freitag der vergangenen Woche, quasi einen Verwaltungswimpernschlag nach der Meldung durch die Bezirksregierung Arnsberg, Vollzug melden konnte, weil alle erforderlichen Quarantänemaßnahmen innerhalb weniger Stunden umgesetzt waren. Zusätzlich begleitet Bürgermeister Schäfer die für seine Stadt doch ungewöhnliche Situation mit fast täglichen Videobotschaften, in denen er auf die bestehenden Risiken, die ergriffenen Maßnahmen und die Eigenverantwortung aller Bürger hinweist. Je mehr Bürgermeister, Landräte und Gesundheitsämter ähnlich konsequent vorgehen, umso wahrscheinlicher wird es, dass Infektionsgeschehen, wie in Ostwestfalen, Berlin, Göttingen, Magdeburg und im Kreis Wesel, um nur die bekanntesten zu nennen, effektiv eingegrenzt werden können. Wichtig bleibt hierbei auch weiterhin, dass die KV die erforderlichen Testkapazitäten schafft oder aufrecht erhält und die wirtschaftlich strapazierte Ärzteschaft unterstützt wird, um hierbei die erforderliche Hilfe leisten zu können, denn auch hier offenbart das deutsche Gesundheitssystem erneut offene Flanken und Ungerechtigkeiten.
Ruhrbarone: In unserem Vorgespräch haben Sie angedeutet, dass es neue Erkenntnisse zur derzeitigen Rolle des Katastrophenschutzes gibt und die Kassenärzte, zumindest in Westfalen Lippe, auf einen zeitnah greifenden Rettungsschirm hoffen können, der leider nur von Pflichtversicherten getragen wird. Womit wollen Sie beginnen?
Memmeler: Dann lassen Sie uns mit dem Rettungsschirm von GKV ( gesetzliche Krankenversicherung) und KVWL (kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe) beginnen, da die Darstellung der derzeitigen Rolle des Katastrophenschutzes zur Eindämmung der Pandemie etwas komplexer ist.
Ruhrbarone: Was ist für Sie und die betroffene Ärzteschaft denn nun der Aufreger bei diesem Rettungsschirm? Es ist doch zu begrüßen, dass endlich eine Lösung gefunden ist.
Memmeler: Ja, es ist zu begrüßen, dass die Ärzteschaft in Westfalen-Lippe bundesweit fast als erste unter den gesetzlich ermöglichten Rettungsschirm schlüpfen kann, durch den ermöglicht werden soll, dass zumindest ein Verlustdelta bis zu 90% des Vorjahresumsatzes abgefedert werden soll. Hierdurch sollen SARS-CoV2 bedingte Praxisschließungen vermieden werden. Dr. Dirk Spelmeyer hat als Vertreter der KVWL die erforderlichen Verhandlungen mit den lokalen Vertretern der GKV geführt, um das regionale Verhandlungsergebnis für den hiesigen Rettungsschirm zu erreichen. Und hier erkennen wir bereits das erste Problem. Warum verdammt noch einmal müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen bundesweit Einzelverhandlungen führen, was sicherlich auch zu regionalen Unterschieden bei den Ergebnissen führen wird? Zusätzlich ist hierdurch die bisherige Verzögerung bei der Etablierung des Rettungsschirmes in vielen Regionen entstanden, was nachfolgend einen großen Verwaltungsaufwand auslösen wird. Zum Beispiel das Kurzarbeitsgeld: Das in einigen Praxen angewendet werden musste, den durch die Kassen zu leistenden Kompensationszahlungen gegengerechnet werden muss, da die durch Kurzarbeitsgeld geminderten Lohnkosten durch die Kassen als Sondereinnahme gewertet werden und mit den Erstattungen der Kassen verrechnet werden müssen, um eine Überkompensation zu vermeiden. Weshalb nun viele Ärzte zur Freude ihrer Angestellten, dass Kurzarbeitsgeld „freiwillig“ auf 100% aufstocken, um Kompensationsausfälle und Bürokratie zu vermeiden.
Den eigentlichen Aufreger beim geschaffenen Rettungsschirm stellt jedoch die Nichtbeteiligung der privaten Versicherer dar. Erneut offenbart das Virus die soziale Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft und die vollständige wirtschaftliche Ausrichtung unseres Gesundheitssystems. Gesetzlich versicherte Menschen finanzieren diesen Rettungsschirm und ca. 20% der Patienten von Praxen, die unter diesen Rettungsschirm schlüpfen, beziehungsweise deren Versicherungen, sind nicht beteiligt, da diese bisher lediglich eine geringe Hygienepauschale zur Unterstützung beisteuern, die ebenfalls zum Großteil durch gesetzliche Versicherungen getragen wird. Bereits jetzt steht fest, dass die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen in den Folgejahren steigen werden, um die pandemiebedingten Mehrausgaben in 2020 kompensieren zu können. Diejenigen, die bereits jetzt die bessere Behandlung bei Ärzten genießen, weil Privatleistungen eben besser abgerechnet werden können, gehören erneut nicht im angemessenen Umfang zu denen, die die Folgen der Pandemie mitfinanzieren müssen. Die Kassiererin bei Aldi zahlt für die zukünftige ärztliche Versorgung von wesentlich besser verdienenden Berufsgruppen oder Beamten. Genauso hat die Gemeinschaft der gesetzlich versicherten Menschen zuvor die Hochleistungsdiagnostik und medizinische Forschung mit Beiträgen ermöglicht, in deren Genuss am ehesten Privatversicherte kommen, da deren Behandlung für Ärzte eine größere Wertschöpfung ermöglicht. Diese Ungerechtigkeit im Gesundheitswesen muss zukünftig wesentlich kritischer begleitet werden und idealerweise zu einer Bürgerversicherung führen, zu der alle ihren Beitrag leisten müssen und bei der auch wirklich alle Einkommen in der Beitragsbemessung Berücksichtigung finden müssen. Um nur kurz auf meine erste Antwort in diesem Interview zurückkommen zu dürfen, will ich an dieser Stelle anmerken, dass dieses Beispiel wirklich allen verdeutlichen sollte, warum es aktuell zu Spannungen in unserer Gesellschaft kommt.
Ebenso ungleich wie die Vermögensverteilung ist derzeit leider auch die Verteilung der Lasten dieser Pandemie geregelt.
Ruhrbarone: Herzlichen Dank für die Erklärung zum Rettungsschirm für Kassenärzte und Ihre kritische Betrachtung der Zweiklassengesellschaft in der medizinischen Versorgung. Nun wollen wir aber die derzeitige Rolle des Katastrophenschutzes bei der Bewältigung der Pandemie betrachten. Wie ist die Rolle und werden die von Ihnen in den letzten Wochen angedeuteten Änderungen im bundesdeutschen Katastrophenschutz eintreten?
Memmeler: Titeln Sie heute bitte nicht wieder mit der bockig klingenden Überschrift „Eine Katastrophe ist eine Katastrophe ist eine Katastrophe“, wenn ich mit meiner Antwort abgeschlossen habe.
Nach wie vor hat außerhalb von Bayern kein Bundesland die Lage als Katastrophe eingestuft. Dennoch befinden sich ständig Ressourcen des Katastrophenschutzes im Einsatz, um zum Beispiel Menschen in Jena zu versorgen, die unter Quarantäne stehen, um Testzentren mit Hilfe von THW und Hilfsorganisationen aufzubauen oder Logistikleistungen zu ermöglichen, damit Schutzausstattung des Bundes und des Landes an die Orte der aktuellen Infektionsherde zu bringen, die es leider bundesweit gibt, auch wenn wir hier nur immer die bekanntesten Beispiele nennen können. Aktuell gilt, was schon seit Beginn galt. Es gibt, außerhalb des Amtshilfeersuchens, keinerlei gesetzliche Grundlage für diesen immer wieder erforderlichen Zugriff auf Ressourcen des Katastrophenschutzes, ohne die die Lage derzeit nicht beherrschbar wäre. Am deutlichsten wird dies angesichts der Warnung von Hausärzten in Ostwestfalen, die Ermöglichung von kostenlosen Tests für Bürger in den Kreisen Gütersloh und Warendorf können die Praxen hemmungslos überfordern. Verbunden ist diese Warnung nämlich stets auch mit der Frage warum nicht der „Sonderfall NRW“ ausgerufen wird, der durch das eiligst beschlossene Pandemiegesetz ermöglicht wurde. Offensichtlich will niemand die inzwischen 75% Gefährdungsleugner aus dem Traum der „neuen Normalität“ reißen, sondern weiterhin soll lediglich Rechtssicherheit für die erforderlichen Mehraufwendungen im Haushalt erreicht werden.
Eine Erkenntnis aus den derzeit immer wieder erforderlichen Einsätzen ist, dass die dezentrale Vorhaltung von Ressourcen und die in den letzten Jahren bei den Hilfsorganisationen etablierten kleinen Einsatzkomponenten dazu beitragen, dass in allen Fällen sehr zeitnah reagiert werden kann, wenn es zu Anforderungen von Katastrophenschutzkomponenten kommt. Es ist logischer Weise wesentlich leichter eine kleine Komponente besetzen zu lassen und Einsatzfähigkeit zu erreichen, als zum Beispiel Großverbände in Abmarschbereitschaft zu bringen. Diese kleinen Einsatzkomponenten können dann sehr rasch und bedarfsgerecht zusammengezogen werden, um zum Beispiel die Versorgung in großen Quarantäneeinheiten sicherzustellen oder das erforderliche Material und Personal für Testzentren herbei zu führen. Genau das sehen wir derzeit nahezu täglich in den Nachrichten, wenn zum Beispiel über einen Verpflegungseinsatz in Jena, die Betreuung der Quarantänemaßnahmen in Göttingen und Magdeburg oder die aktuelle Situation in den Kreisen Gütersloh, Warendorf und Wesel berichtet wird.
Aktuell werden diese Einsätze in NRW über das gemeinsame Lagezentrum der Hilfsorganisationen abgewickelt, da keine Grundlage dafür geschaffen wurde, die regulären und nachweislich effektiven Strukturen des Katastrophenschutzes umfänglich zu nutzen. Als ehemaliger Mitarbeitender einer Hilfsorganisation macht mich das auch ein Wenig stolz, da einiges von dem, was da gerade bundesweit auf den Straßen rollt, auch von mir mit zu verantworten war. Andererseits zeigt zum Beispiel die Bundesrats Drucksache 306/1/20 vom 22.06.2020, dass sich Innenminister in den Bundesländern, entgegen den im Bund diskutierten Möglichkeiten einer bundesweiten Katastrophenschutzkoordinierung, weiterhin an eine föderale Struktur im Katastrophenschutz und die damit verbundene Zuständigkeit der Länder klammern. Sie wollen die Folgen dieser Pandemie nicht zu einer Lage für den Katastrophenschutz werden lassen. Deshalb werden wohl auch weiterhin Ressourcen und Personal des Katastrophenschutzes eingesetzt und kreative Alarmierungswege genutzt werden.
In der genannten Drucksache des Bundesrates handelt es sich eigentlich um eine Stellungnahme zur von der EU geplanten Ertüchtigung von Ressourcen im Rahmen von ResEU, über die wir bereits berichtet haben. Um der EU die Rechtfertigung Katastrophe zu nehmen, die die EU als Begründung der Kommissionsmaßnahmen zu nehmen, heißt es in der Drucksache, wie aus zahlreichen Bundesländern auch hier zu Lande bekannt: „Ein allgemeiner und pauschaler Verweis auf die aktuelle Pandemielage reicht keinesfalls aus. Es handelt sich dabei um eine Gesundheitslage und nicht um eine Katastrophenschutzlage.
Das bedeutet, dass zur Vorbereitung einer besseren Bewältigungskompetenz im gesundheitsbehördlichen Bereich Änderungen durchgeführt werden müssen (Beschaffung, Prüfung und Lagerung von Schutzausrüstung; Aufstockung von Intensivbetten und Beatmungsgeräten; Schulung des Fachpersonals; Transport von medizinischen Gütern und so weiter): Bei einer Pandemievorsorgeplanung handelt es sich nicht um Katastrophenschutzmaßnahmen, sondern um eine fachgebundene Vorsorgepflicht.“
Noch vor wenigen Wochen haben Bund und Länder eine verbesserte Vorhaltung für zukünftige Pandemielagen und andere Ereignisse mit bundesweiter Auswirkung geforderte und dies mit den Pandemieplänen gerechtfertigt, die der Feder der Katastrophenschutzbehörde des Bundes entsprungen sind.
Weiter heißt es in dem Papier der Innenminister:
„Der Bundesrat hatte mit Stellungnahme vom 2. März 2018 frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Errichtung eigener Ressourcen der Union die Grundlage eines Einstiegs in operative Kompetenzen darstelle und keinesfalls akzeptabel sei (vergleiche BRDrucksache 757/17 (Beschluss)).“
Wenn man dem Papier weiter folgt, ist für uns alle zu erahnen, welche Argumentation die Länder künftig anwenden werden, um eine Zuständigkeit des Bundes im Katastrophenschutz auch zukünftig abzulehnen, auch wenn sich dieses Papier auf aktuelle EU Pläne bezieht. Irgendwie haben wir das folgende auch schon von den Bundesländern gehört, als der Bund in der Vergangenheit versucht hat, seine Zuständigkeit auszuweiten:
„Auf dieser Grundlage erscheint es dann auch sinnvoll, mehr Ressourcen für den gesundheitlichen Bevölkerungsschutz und – soweit erforderlich – auch für den europäischen Katastrophenschutz zu mobilisieren; dies wird von den Ländern ausdrücklich unterstützt.“ Und später: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, diese Stellungnahme bei der Festlegung der Verhandlungsposition gemäß § 5 Absatz 2 Satz 1 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen, da der Katastrophenschutz nach dem Grundgesetz allein in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegt und daher die vorgeschlagenen Maßnahmen im Schwerpunkt diese Gesetzgebungsbefugnisse betreffen.“
Die beiden folgenden Zitate aus dem Papier des Bundesrates, lassen die Leser, die den Katastrophenfall stets anerkannt haben und den Zuständigkeitswechsel eingefordert haben, jedoch endgültig fassungslos und nachhaltig irritiert zurück:
„Darüber hinaus zeigt gerade die Corona-Krise, dass systemische Krisen und deren Vorsorge keine primären Themen des Katastrophenschutzes darstellen, sondern sich dessen Beitrag auf akute Rettungs-, Unterstützungs- und Versorgungsleistungen beschränken muss.“
Dieses Zitat bildet die momentane Haltung der Bundesländer außerhalb Bayerns ab und ist zumindest konsequente Fortsetzung der bisherigen Haltung. Mit dem folgenden Zitat wird dann aber vorbeugend die Möglichkeit einer anderen Bewertung eingeräumt, um erstens den bayrischen Amtskollegen nicht in den Regen zu stellen und zweitens die Möglichkeit aufrecht zu erhalten, eventuell doch über durch die EU finanzierte Ressourcen verfügen zu können, um die Vorhaltung in der BRD ausbauen zu können. Auch wenn hier eingeräumt werden muss, das so ein klein wenig Katastrophe doch vorhanden sein könnte: „Das benannte Wissensmanagement im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens kann hierzu funktional beitragen, indem etwa szenariobezogen und im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen die Verfügbarkeit von Mangelressourcen im europäischen und internationalen Maßstab stetig beobachtet und hierzu erforderlichenfalls Empfehlungen formuliert werden.“
Ich denke, dass wir dieses Papier des Bundesrates als Vorausschau der kommenden Diskussionen zwischen Bund und Ländern betrachten können und die Chance für eine mögliche Neuausrichtung des bundesdeutschen Katastrophenschutzes somit vom Tisch sein dürfte.
Ruhrbarone: Herzlichen Dank für diese Vorschau. Es bleibt zu hoffen, dass die beginnenden Ferien und die damit verbundenen Urlaubsreisen uns keine weiteren Überraschungen bringen werden.
Memmeler: Das bleibt allerdings abzuwarten, da die letzten beiden Schulwochen in NRW auch nur zu einem „Fastnormalbetrieb“ taugten, obwohl dies von der Landesregierung als Vorschau für die Zeit nach den Ferien geplant war und zur Beruhigung beitragen sollte. Hoffen wir einfach, dass die Menschen wieder etwas vorsichtiger werden und durch Masken atmen, damit nicht unnötig viele Menschen auf Intensivstationen durch Schläuche beatmet werden müssen.
Magnus Memmeler aus Kamen, 52 Jahre, ist seit 31 Jahren Mitarbeiter im Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Davon 25 Jahre hat er diverse Leitungsfunktionen eingenommen. Er war beauftragt zur Organisation des Sanitätsdienstes beim DEKT in Dortmund und Verantwortlicher einer großen Hilfsorganisation bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in den Jahren 2013 – 2018. Mitglied bei der Stabsarbeit von Bezirksregierungen und Mitglied in Arbeitskreisen des Innenministerium bei der Konzeption von Katastrophenschutzkonzepten.
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