Kein Recht am eigenen Wort

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In vielen Städten werden Ratssitzungen mittlerweile live im Internet übertragen. Nicht so in Radevormwald. Dort wurde einem Ratsmitglied sogar verboten, Aufzeichnungen von seinen eigenen Reden zu machen.

Es geht salopp zu im Rat der Stadt Radevormwald. Bürgermeister Josef Korsten (SPD) verzichtet auf das Sakko, die Sitzung findet in einem Saal der Bürgerhauses statt, der den Charme einer Gesamtschulturnhalle aus den 70er Jahren sein eigen nennen darf. Die große Politik findet hier nicht statt, die Kommunalpolitiker arbeiten auf der Sitzung am vergangenen Dienstag an handfesten Problemen: Die Wegeverbindung nach Wülfing soll erneuert und das Betreuungsangebot für Kinder ab einem Jahr ausgebaut werden.

Als die Tagesordnung abgearbeitet wird, ist Fritz Ullmann, Vertreter einer parteiunabhängigen linken Liste, schon von der Ratsmehrheit von der Sitzung ausgeschlossen worden und darf weder das Wort ergreifen noch an einer Abstimmung teilnehmen. Ullmanns Vergehen: Er wollte sich nicht davon abbringen lassen, während der Ratssitzung Tonaufnahmen zu machen. Nicht von der ganzen Sitzung sondern nur von seinen Reden. Im Internet wollte er sie dann seinen Wählern zur Verfügung stellen.

In vielen Städten können Bürger mittlerweile Ratssitzungen live über das Internet verfolgen. Ob Essen oder Köln: Immer mehr Räte nutzen die kostengünstige Möglichkeit der Online-Liveberichte. In der Regel schauen einige hundert interessierte Bürger zu. Es ist ein Schritt zu mehr Transparenz. Die Ratsmitglieder müssen der Übertragung zustimmen, für die ehrenamtlichen Politiker gelten andere Regeln als für die Profis im Land- und Bundestag. Wer nicht will, dass seine Reden gesendet oder aufgezeichnet werden, kann dies verhindern.

Das einem Ratsmitglied allerdings untersagt wird, seine eigenen Reden aufzunehmen, ist skurril. Die Stadtverwaltung macht in einer Anfrage an den Städte- und Gemeindebund klar, was ihre Sorgen sind: Auch die Beiträge anderer Ratsmitglieder könnten heimlich aufgezeichnet werden und „die Wiedergabe einzelner Wortbeiträge zu einer Verzerrung des Beratungsverlaufs führen und somit in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck erweckt werden.“

Der Gemeindebund schrieb der Stadt am 27. April, dass Aufnahmen nur erlaubt sein wenn alle Ratsmitglieder ihnen zugestimmt hätten und dass das „Persönlichkeitsrecht beinhaltet (…) dass der Rechteinhaber selbst entscheiden kann, ob sein Wort aufgezeichnet wird oder nicht.“

Bürgermeister Korsten sieht sich durch den Städtebund ebenso in seiner Auffassung bestätigt wie Ratsmitglied Ullmann. Der will nun gegen den Ausschluss aus der Ratssitzung klagen. „Ob ich mich selbst aufnehme oder nicht, geht niemanden was an.“ Am liebsten wäre ihm allerdings, dass der ganze Streit unnötig wäre und auch in Radevormwald Ratssitzungen live übertragen werden würden. „Aber dafür gibt es hier keine Mehrheit.“

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits auf welt.de

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WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Bezogen auf den konkreten Fall und ganz generell ließe sich über die hier problematisierten Sachverhalte – differenziert -streiten. Das wäre das Eine.

Das Andere ist, zu fragen, zu bedenken, welche Gründe es für ein Ratsmitglied geben könnte, daß nicht jedermann erfahren darf, ob er was wann und wie im Rat sagt bzw. gesagt hat und warum dabei nicht völlig belanglos ist, mittels welcher Medien dieses jedermann erfahren kann.

M.E. gehört es zum Selbstverständnis -eines selbstbewußten- Ratsmitgliedes, daß jedermann nicht nur erfahren darf, sondern erfahren sollte, ob er was wann und wie im Rat sagt bzw. gesagt hat.

"Politische Kultur in einer demokratisch verfaßten Bürgekommune und in den Köpfen der gewählten Ratsmitgleder?" Ich jedenfalls kann gegenteilige Positionen nicht -nicht so recht- nachvollziehen.

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