VRR-Bahn-Kumpelei: Kein Wettbewerb bis 2023

Weder Bahn noch VRR sind große Freunde des Wettbewerbs. Lieber verhandelt man untereinander, auch wenn man angesichts des Verhaltens der Bahn schnell das Gefühl bekommen kann, dass hier nicht gleichberechtigte Partner an einem Tisch sitzen: Der VRR schuldet der Bahn nach einem verlorenen Gerichtsstreit 112 Millionen Euro – und braucht, wenn er sich nicht mit der Bahn einigt, 35 Millionen von den Städten. Ich habe Engelbert Recke vom Verband Mofair , in dem sich die unabhängigen Verkehrsunternehmen organisiert haben, gebeten, die augenblickliche Situation zu kommentieren. In den nächsten Wochen werden wir uns verstärkt dem Thema Nahverkehr im Ruhrgebiet widmen. Nehmt diesen Text von Engelbert Recke als Auftakt einer Serie:

Der Verkehrsvertrag des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) ist seinerzeit ohne Wettbewerb direkt mit der Bahn abgeschlossen worden. Die privaten Mitbewerber und Mitglieder unseres Verbandes mofair e.V. hatten keine Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Das ist nicht nur unfair, sondern widerspricht auch dem Vergaberecht. Die Höhe der Zahlungen des VRR steht auch nicht in Einklang mit dem EG-Beihilfenrecht. Ein Beihilfeverfahren gegen den gleichgelagerten Verkehrsvertrag Berlin-Brandenburg ist inzwischen von der EU-Kommission eingeleitet worden. Der jetzige Vertrag wäre 2012 ausgelaufen und dann hätte eine Ausschreibung angestanden.

Mit dem Eckpunktepapier soll der laufende Vertrag mit gewissen Anpassungen bis 2023 fortgeführt werden. Damit werden die Mitbewerber erneut benachteiligt und vom Markt ausgeschlossen. Die beihilfewidrigen Zahlungen werden fortgesetzt. Außerdem ist das Land Nordrhein-Westfalen bereit, jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag an die Bahn zu zahlen, damit der Vertrag fortgesetzt werden kann. Das Land ist kein Vertragspartner und kann sich deswegen dort nicht einmischen, schon gar nicht um für die Zukunft den Wettbewerb weiter zu verhindern. Die Zahlungen des Landes verstoßen auf jeden Fall gegen das Beihilferecht des EG-Vertrages. Das Beihilferecht soll gerade sicherstellen, dass das Land kein Unternehmen ungerechtfertigt bevorzugt. Deswegen hat mofair bei der Kommission Beihilfebeschwerde erhoben.

Die Bahn verfügt nicht nur über gute Beziehungen sondern auch über eine Reihe von grundsätzlichen Vorteilen. DB Netz bestimmt die Spielregeln auf der Schiene. Die Bedingungen, zu denen sie Mitbewerber der Bahn auf die Schiene oder in die Werkstätten lässt, sind gesetzlich nicht sauber geregelt. Das ermöglicht viele Formen subtiler Diskriminierung im Laufe eines Verkehrsvertrages. Weiterhin werden den Wettbewerbern notwendige Informationen zur eigenen Trassenplanung vorenthalten. Auch die Kostenrechnung für die Trassen kann von den Mitbewerbern nicht überprüft werden. Die Konkurrenten müssen zahlen, was die Bahn verlangt und dürfen nicht einmal die Zahlung für Schlechtleistungen verweigern.

Auch im Ruhrgebiet ist der Nahverkehr auf der Schiene Nahverkehr wie überall. Auch wenn es sich um ein großes Ballungszentrum handelt, lassen sich die Verkehrsleistungen – sinnvoll abgegrenzt – ausschreiben und können problemlos von verschiedenen Verkehrsunternehmen erbracht werden. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund macht das zum Beispiel, der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg jetzt auch. Das muss man also nur wollen. Wenn der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr über Mängel klagt, kann ich einige zumindest aus eigener Anschauung nur bestätigen. Auch die Tatsache, dass die Bahn nunmehr Verbesserungen anbietet, zeigt, was die Stunde geschlagen hat.

In fairen Ausschreibungen können die Mitgliedsunternehmen von mofair jederzeit mithalten, sowohl qualitativ als auch preislich. Wie schrieb die Bildzeitung nach der Kündigung der Verträge durch den VRR, „Bekommen wir jetzt auch die Superzüge.“ Wie wettbewerbsfähig unsere Mitglieder sind, zeigt das Beispiel S-Bahn Bremen, die nicht an die Bahn gegangen ist. Bei der S-Bahn Stuttgart haben sich unsere Mitglieder zurückgezogen, weil sie keinen ausreichenden Zugang zu Werkstätten erhielten und neue in dem Ballungsraum nicht zu beschaffen waren. Auch der S-Bahn-Vertrag Berlin-Brandenburg wurde ohne Ausschreibung verlängert. Da wo die Bahn mit Ausschreibungen konfrontiert ist, bietet sie plötzlich wesentlich günstiger als bisher. In einigen Fällen in Nordrhein-Westfalen und Bayern begnügt sich die Bahn im Wettbewerb nur noch mit einem Zehntel der öffentlichen Zuschüsse, die sie vorher ohne Ausschreibung erhalten hat. Im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg polemisiert sie gegen die Aufteilung in Lose und die Tatsache, dass in Übereinstimmung mit dem Vergaberecht nicht einer alles gewinnen kann.

Jetzt wirft die Bahn unseren Mitgliedern vor, dass sie Wettbewerbsvorteile durch niedrigere Löhne hätten. Alle unsre Mitglieder haben gültige Tarifverträge mit den Gewerkschaften. Die Ausschreibungen zeigen deshalb auch regelmäßig ein vergleichbares Lohnniveau zwischen den Anbietern. Welche Konzernkosten der DB Regio das Leben schwer machen, wird die Bahn sicherlich am besten selbst beantworten können.

Wie es um den Wettbewerb wirklich steht, macht eine Zahl deutlich. Auch mehr als 10 Jahre nach der Bahnreform beträgt der Marktanteil der privaten Eisenbahnunternehmen im Nahverkehr nur rd. 8 Prozent. Noch profitiert die Bahn von den großen Verkehrsverträgen, die sie nicht im Wettbewerb gewonnen sondern direkt erhalten. An ihren Reaktionen sieht man, wovor die Bahn Manschetten hat.

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Stefan Hennigfeld
15 Jahre zuvor

Ich habe vollstes Verständnis dafür, daß sich die Privatbahnen, die ja wie die DB Regio NRW GmbH auch ganz normale Marktspieler sind, nicht mit dieser Vergabe einverstanden sind, sondern die EU-Kommission angerufen haben. Übrigens hat sich das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht im Dezember letzten Jahres ausdrücklich nicht zu der Frage geäußert, ob ein Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht vorliegt – es steht auf dem Standpunkt, daß ein Verstoß dagegen nicht durch ein nationales Gericht, sondern nur durch die EU-Kommission festgestellt werden könne.

Doch der VRR ist einer Zwangslage: Aufgrund der Kürzungen der Regionalisierungsgelder ist der VRR nicht mehr in der Lage, den 2003 abgeschlossenen großen Verkehrsvertrag zu finanzieren. Dieser 2003er-Vertrag selbst ist das Problem: Der VRR hat sich hier jede Handhabe gegen Schlechtleistungen nehmen lassen und man hat sich auf Jahrzehnte an ein Unternehmen gebunden. Daß dieser Vertrag nicht einfach nach einem Drittel der Laufzeit gekündigt werden kann, weil der VRR ihn nicht mehr bezahlen kann, ist ja nicht weiter verwunderlich.

Der VRR fing vor fast zwei Jahren, im April 2007, damit an, die monatliche Abschlagszahlung um eine Million Euro zu kürzen. Grund: Schlechtleistungen. Diese Schlechtleistungen, die der VRR der Öffentlichkeit und den Kunden gegenüber über Jahre mit teilweise obskuren Argumenten gerechtfertigt hat. Dummerweise darf die Bahn noch so ekelhafte Viehtransporter rumfahren lassen, der VRR darf im Jahr nicht mehr als vier Millionen Euro abziehen. Oder vielleicht doch? Diese Frage dürfte sicherlich strittig sein, Fakt ist aber, daß der VRR bis zur Gelsenkirchener Gerichtsverhandlung nicht in der Lage war, für die Jahre 2007 und 2008 Jahres-Ist-Rechnungen zu erstellen, auf deren Basis möglicherweise weitere Abzüge hätten getätigt werden können.

Wie geht es jetzt weiter: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß aus genannten Gründen dieser neue Vertrag kommt: Die monatlichen Abschlagszahlungen sollen darin um 1,5 Millionen Euro gekürzt werden. Das ist das, was der VRR braucht. Das Problem ist ein politisches: Der größte SPNV-Aufgabenträger der Europäischen Union ist chronisch unterfinanziert und hat einen viel zu teuren großen Verkehrsvertrag. Es ist daher notwendig, das Budget des VRR aufzustocken. So, und nicht anders, kann die Politik wirksam verhindern, daß dieser Vertrag, von dem die Fahrgäste nahezu nichts hätten, abgeschlossen wird.

Und dann kann man sich wegen zu hoher Schlechtleistungen noch einmal Gedanken um eine außerordentliche Kündigung machen – aber bitte gerichtssicher.

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