Kein Wunder, dass viele Deutsche der DFB-Elf ein frühes Scheitern bei der WM wünschen!

Foto: Robin Patzwaldt

Toni Kroos gab sich Minuten nach seinem 2:1-Freistoßtreffer in der fünften Minute der Nachspielzeit für die DFB-Elf gegen Schweden überraschend angefressen. Statt sich ausgelassen über den glücklichen Sieg zu freuen, der der Deutschen Elf die Chance auf eine Achtelfinalteilnahme bei der Fußball-WM 2018 in Russland auf den letzten Drücker erhalten hat, widmete er sich lieber in ungewohnter Schärfe den Kritiker der eigenen Mannschaft.

Diesen warf er vor, dass sich zuletzt wohl sehr viele in der Heimat darüber gefreut hätten, wenn die Löw-Truppe erstmals sein Menschengedenken in der Vorrunde frühzeitig aus dem Turnier ausgeschieden wäre. Doch ganz so leicht wollte man es diesen aus Sicht der Mannschaft eben nicht machen, wie der Profi von Real Madrid mit geschwollenen Halsadern trotzig in die Mikrofone der versammelten Journalisten diktierte.

Logisch, da sprach in der ersten Erregung nach dem Schlusspfiff noch sehr viel Adrenalin mit. So ein Last-Minute-Siegtreffer der setzt halt zwangsläufig viele Emotionen frei. Dass da nicht jedes Wort vorher auf die diplomatische Goldwaage gelegt wird, das sollte klar sein. Und doch geben die Aussagen von Kroos selbst mit einigem Zeitabstand einigen Grund zu berechtigten Diskussionen.

Denn tatsächlich kann man in den letzten Wochen ja viele kritische Stimmen in Richtung der DFB-Elf wahrnehmen. Sogenannte Experten, Mainstream-Medien aber auch ungewohnt viele ganz ’normale‘ Fußballfans haben aus sehr unterschiedlichen Gründen aktuell offenbar besonders viele Gründe überaus kritisch in Richtung der eigenen Nationalmannschaft zu blicken.

Dass die DFB-Elf im unmittelbaren Vorfeld der WM nur das Testspiel gegen Saudi-Arabien mühselig mit 2:1 gewinnen konnte, das ist sicherlich einer davon. Der Sieg gegen Schweden am Samstag war ebenfalls mehr als glücklich. Für einen amtierenden Weltmeister ist das Länderspieljahr 2018 jedenfalls mit zuvor fünf sieglosen Spielen und der Auftaktniederlage gegen Mexiko jedenfalls alles andere als zufriedenstellen verlaufen. So liefert man Kritikern zwangsläufig erste Nahrung, noch bevor das Turnier startet.

Zudem wurde der Vertrag mit Jogi Löw und seinem Team, völlig ohne logischen Grund, noch vor der WM langfristig verlängert. Ein schlicht nicht nachvollziehbares Verhalten seitens des DFB, der, sollte das Team nun früh scheitern, einen deutlich längerfristig an sich gebundenes Trainerteam abzufinden hätte.

Dass die Kaderzusammenstellung für das Turnier in Russland ebenfalls nicht von allen als logisch und nachvollziehbar empfunden wurde, dürfte in diesen Tagen weitere Angriffsflächen bieten, sollte es weiterhin sportlich nicht laufen. Das dürfte Toni Kroos eigentlich grundsätzlich ebenfalls nicht entgangen sein.

Die zunehmende Kommerzialisierung des Projekts ‚Die Mannschaft‘ stößt vielen Fans zudem schon länger unangenehm auf. Blödsinnige Marketingsprüche a la ‚The Best Never Rest‘, die die Marke zementieren sollen nerven viele Leute im Lande inzwischen ebenso wie der unsägliche, kostenpflichtige ‚Fanclub Nationalmannschaft‘, ohne den man als Fan inzwischen bekanntlich kaum noch ein Ticket für ein Länderspiel kaufen kann. So schafft sich der DFB schlicht einen Graben zu den einfachen Fans.

Dann gibt es natürlich auch den immer schon vorhandenen Anteil an Leuten, die mit der Länderauswahl ohnehin schon traditionell recht wenig anfangen können, weil sie Nationalmannschaften eben nicht mögen, sich teilweise lediglich mit dem Vereinsfußball identifizieren können. Diese Gruppe ist in ihrer Größe längst nicht zu unterschätzen. Welcher ’normale‘ Bundesligafan geht schon zu Spielen der Nationalmannschaft? Bei deren Spielen findet man schon seit Jahren ein völlig anderes Publikum. Erinnert sei hier auch noch einmal kurz an die Tatsache, dass Länderspiele der Deutschen zuletzt längst nicht immer ausverkauft waren, so wie früher.

Wenn Toni Kroos sich also jetzt über die offensichtlich deutlich größer gewordene Gruppe von potenziell Schadenfreudigen und Kritikern im eigenen Lande erregt, dann hat er grundsätzlich sicher nicht unrecht, selbst wenn in den ‚Mainstream-Medien‘ aus Vermarktungsgründen der WM-Übertragungen gerne so getan wird, als stünde ganz Deutschland hinter dieser Mannschaft.

Doch das ist ganz sicher in diesen Tagen nicht der Fall. Zuletzt tatsächlich wohl sogar weniger denn je. Da täuscht das Gefühl einen Kroos ganz bestimmt nicht.

Nur wundern dürfte er sich darüber nicht. Wer einmal nur kurz darüber nachdenkt, der findet sehr rasch schier unzählige Gründe warum er der DFB-Elf eine Titelverteidigung im Jahre 2018 nicht gönnt.

Dazu muss der Betroffene beileibe kein ‚Anti-Deutscher‘ sein. Es reicht schon, wenn er die jüngsten Entwicklungen rund um den DFB etwas genauer beobachtet hat. Und von der leidigen Erdogan-Affäre rund um Ilkay Gündogan und Mesut Özil rede ich da noch nicht einmal. Denn auch die dürfte die Mannschaft von vielen im Lande leider völlig unnötig ein weiteres Stück weit entfremdet haben.

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Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

In meiner Wohngegend hängen deutlich weniger Flaggen als vor ein paar Jahren.
Das wird vermutlich nicht mit den schlechten Spielen der letzten Monate zusammenhängen.
Es fehlen einfach Typen, wie "Poldi" und "Schweini", deren Namen und Gesichter man sich als seltener Zuschauer merken kann. Und die Spieler, die früher dabei waren, spielen nicht mehr so gut wie früher.

thomas weigle
thomas weigle
6 Jahre zuvor

Mir ist die DFB-11 relativ egal, allerdings erschließt sich mir nicht, warum ich ihr auf Grund schlechter Spiele im Vorfeld der WM ein frühes Ausscheiden wünschen sollte. Spielt sie so wie tw. am Samstag, ist doch alles im grünen Bereich.
Mal abgesehen davon, dass man sich mit solchen Wünschen in schlechtester Gesellschaft befindet, wie man heute ausführlich in der Printausgabe der TAZ nachlesen kann.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Robin,
emotional bin ich ähnlich "ausgerichtet" Thomas Weigle -relative Gleichgültig gegenüber der DFB-Auswahl -generell, insofern auch ganz konkret bei der WM-, aber deshalb keineswegs daran interessiert -in freudiger Erwartung?-, daß die DFB-Auswahl die Vorrunde nicht übersteht. Warum sollte ich?
Nach wie vor hoffe ich auf einige hochklassige und dann und wann dramatische Spiele. Bisher wurde ich nicht enttäuscht, z.B. mit Blick auf Spanien-Portugal oder Belgien….oder England.

Dass mich die beiden Spiele der DFB-Auswahl fußballerisch "nicht vom Hocker gerissen haben", wird niemanden überraschen. Ich fühle mich nicht einmal motiviert, mich "meinungsstark" in die Diskussion über die Gründe für das bisher von der DFB-Auswahl Gezeigte/Nichtgezeigte einzubringen. Das ist bei mir bekanntlich ganz anders, wenn es um den BVB geht.

Joe
Joe
6 Jahre zuvor

Schön zu sehen, wie die Ruhrbarone und ihre Claqueure wieder mal nur die eigene Blase wahrnehmen und mit ihrem Nationalteambashing sich mit rechten Scharfmachern gemein machen.
27 Mio Fernsehzuschauer am Samstag sprechen nicht gerade für Gleichgültigkeit…

paule t.
paule t.
6 Jahre zuvor

Ich hatte bei den Leuten, die der Mannschaft "ein frühes Ausscheiden wünschen", zuerst an Rechtsextremisten gedacht. Auf deren Hetzseiten herrscht ein Hass gegen die Mannschaft, da kommen Antideutsche gar nicht mit. Aber vielleicht verfolge ich sowas auch zu intensiv

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

@Paule t.(5), Zitat "ich hatte bei den Leuten, die der Mannschaft "ein frühes Ausscheiden wünschen", zuerst an Rechtsextremisten gedacht."
Da kommt doch automatisch bei mir die Frage hoch: Muß ich jetzt "Deutschland, Deutschland" brüllen, damit ich nicht in die rechte Ecke gestellt werde? Was soll denn dieser Quatsch?

Yilmaz
Yilmaz
6 Jahre zuvor

Bester Artikel zum Thema !

thomas weigle
thomas weigle
6 Jahre zuvor

@Helmut Junge Es bleibt die Tatsache, dass rechts die farbige Zusammensetzung der DFB-11, also unserer Nationalmannschaft, nicht wenig Unwillen, ja Hass hervorruft.
Dies muss eine gewisse Distanzierung unsererseits aus anderen Gründen von dieser Elf ja nicht ausschließen.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
6 Jahre zuvor

Da ich noch kein Spiel dieser WM gesehen habe, bin ich zwar mit einiger Sicherheit ohnehin Außenseiter, aber ich denke ähnlich Gedanken wie ich machen sich inzwischen auch Fußballfreunde, die sich kein Spiel haben entgehen lassen.

Russland ist eine initiativ in mehrere Kriege verwickelte Nation, gleichzeitig soll dort begeistert ein Sportfest mitgefeiert werden?
Die FIFA ist nachweislich ein korrupter und mafiöser Verein, der bereit ist jedes Menschenrecht und alle Vorstellungen von Fairness zum eigenen Vorteil über Bord zu werfen.
Der DFB treibt die Ökonomisierung des Sports immer weiter. Die professionellen Vereine wirken nicht mehr als Sportvereine, sondern sind als AG der Unterhaltungsindustrie tätig. Wobei leider nie ganz klar ist, wer der Nutznießer dieser Geschäfte ist. Nebenbei bringt diese Kommerzialisierung die Vereine in Schwierigkeiten, die ganz old fashioned ehrenamtliches Engagement und Gemeinnützigkeit zu leben versuchen, da sie sich zunehmend mit den Standards der Unternehmen herumschlagen müssen.
Überangepasste Spieler der National 11 schützen und lancieren bei Presseterminen ihre Investments in der Türkei, – Fairplay und Menschenrecht sind in diesem Kosmos Sekundärtugenden.

Scheiße gespielt wurde im ersten Spiel auch noch. Da kann man schon mal auf ein schnelles Ende hoffen.

Außerdem heult die Pressemeute gefühlt ohnehin bei jedem Spiel, das nicht mindestens 4:0 gewonnen wird. Hysterie ist der Sound der Medien, der Zeit und (schon immer) der Unfähigkeit, bei vielen Kommentaren fragt man sich, was für eine Sofakartoffel auf so einen Quatsch kommt.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Ist es für die "Nationalgesinnten" gänzlich unbegreiflich,

daß ich

a.)
mich als Fußball-Fan über ein WM-Spiel ausschließlich deshalb freuen kann, weil hochklassiger und dann und wann damit einhergehend auch dramatischer Fußball geboten wird -egal um
welche Mannschaft es sich handelt;

b.)
nicht darauf fixiert bin, daß die DFB-Auswahl die WM gewinnen muß, weil….(Ja, warum
eigentlich?), und ich mich , wenn das nicht gelingt, keinesfalls zutiefst enttäuscht fühlen
würde?

c.)
ich nicht zu denen gehöre, die es für sinnvoll, ja sogar für geboten halten, ein Fußballspiel dazu
zu nutzen, "nationale Gesinnung" zu demonstrieren, was immer "man" auch darunter verstehen mag, das jedoch akzeptiere und nichts dagegen einzuwenden habe (außer gelegentlichen spöttischen Kommentaren im Freundeskreis) ;

d.)
daß es mich sehr, sehr nachdenklich stimmt, wenn z.B. im Spiel der Schweiz gegen Serbien ( auf dem Spielfeld, auf der Zuschauertribüne und im jeweiligen Land) massiver/fanatischer Nationalismus zelebriert wurde;

e.)
ich stets von der Hoffnung getragen werde, daß ein Fußball-Spiel, vor allem jedes WM-Spiel nicht beherrscht wird -auf dem Spielfeld, auf der Zuschauertribüne, unter den Fans "zu Hause"- von massivem, fanatischen Nationalismus, was -selbstverständlich- nicht ausschließt, sich für "seine
Mannschaft" wie auch immer besonders zu engagieren, sich mit ihr zu freuen oder sich mit ihr -oder über sie- besonders zu ärgern.

f.)
mir die Identifikation mit der DFB-Auswahl als "meiner" Mannschaft zunehmend nicht mehr gelingt -das war vor allem 1954 ganz anders-; ganz anders sieht es dieserhalb mit "meinem BVB" aus.
Wenn im Gegensatz zu mir das der großen Mehrheit der Menschen in Deutschland sehr wohl gelingt, wenn sich also jedermann mit der DFB-Auswahl als seiner Nationalmannschaft zu identifizieren vermag, dann akzeptiere ich das , und zwar unaufgeregt und kritikfrei.

Also -als Bitte/Anregung meinerseits-

"Nun laßt sie alle 'mal spielen"

-jetzt bei der WM in Moskau-, auch die DFB-Auswahl -so heißt sie für mich- oder die Nationalmannschaft -so heißt sie offiziell und für die allermeisten Menschen -, laßt uns Fans streiten über "guten/schlechten Fußball", über "verdiente/unverdiente Siege/Niederlagen" -auch solche der DFB-Auswahl – und jeder sollte als Fußball-Fan frei sein in seiner Wertigkeit der DFB-Auswahl/der Nationalmannschaft-

und
versucht 'mal als Fußball-Fans das mir dann und wann krampfhaft erscheinenden Bemühen einzustellen, in diesem Zusammenhang einordnen, zuordnen, klassifizieren zu wollen nach "politisch Guten-politischen Bösen", nach "extremen Linken-extremen Rechten" verbunden mit der jeweiligen Erkenntnisse: " Die können ja nicht anders".

"Hass", der ist nun 'mal jedem Menschen eigen. Nur sollte man sich ihm nicht vorsätzlich, nicht leichtfertig hingeben und das sollte vor allem dann gelten, wenn "nur" Fußball gespielt wird -klappt nicht immer, auch nicht bei mir, aber als Vorsatz……..!?

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