Keine grosse Freundin der GroKo – Ruhrgebiets-Sozialdemokratin Bärbel Bas im Interview

Keine grosse Freundin der GroKo. – Die sozialdemokratische Duisburger Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas erklärt die Gemengelage der Sozialdemokraten in ihrer Herzkammer – dem Ruhrgebiet. Bärbel Bas ist Sozialpolitikerin und eine der parlamentarischen GeschäftsführerInnen ihrer Fraktion. 

Die SPD, einst stolz und Gutes tuend, jetzt bei 18 Prozent, ironischerweise das, was Westerwelle sich für die FDP erhoffte – was soll den nun aus Euch werden? Die rote FDP?

Bärbel Bas Foto: Benno Kraehahn
Bärbel Bas Foto: Benno Kraehahn

Unabhängig von den Zahlen der Umfrageinstitute – da habe ich im letzten Jahr von den zitierten 18 bis zu 30 Prozent schon alles gelesen – befindet sich meine SPD seit der Bundestagswahl in einer schwierigen Position. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern arbeiten wir daran, Antworten zu finden auf die Frage, wie sie Vertrauen zurückgewinnen und wieder stärker werden kann – inhaltlich und organisatorisch. Parallel sind CDU, CSU, FDP und Grüne in ihren Jamaica-Verhandlungen wahrlich grandios gescheitert und haben es dadurch zu unserer Aufgabe gemacht, den Wählerauftrag durch eine Regierungsbildung umzusetzen. Ich bin aber überzeugt, dass die SPD auch bei der Übernahme von Regierungsverantwortung den eingeschlagenen Weg der Erneuerung weiter gehen kann.

Du kennst das als Chanson von Mark Uwe Kling: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. Das mag der intellektuelle Ansatz sein. Aber, selbst unter den Facharbeitern im Ruhrrevier switchen sie von der SPD zur AfD. Wo ist die Lösung? Rassistische Beimengungen etwa? Wie Dein Duisburger SPD-Oberbürgermeister es proklamiert, der das doppelte an Syrern an Stelle von Osteuropäern bevorzugt?

Dass mit der AfD nun erstmals eine rechtsradikale Partei dem Deutschen Bundestag angehört, und auch in meiner Heimatstadt zugewinnen konnte, war für mich persönlich das schlimmste am Wahlabend des 24. September 2017. Ich habe gegen das Erstarken des rechten Randes kein Patentrezept, aber ich werde weiterhin das Gespräch mit den Menschen in Duisburg suchen. Mein Motto ist dabei: Dem Volk auf’s Maul schauen, aber ihm nicht nach dem Mund reden. Man muss da einfach sehr genau hinsehen – natürlich gibt es Rechtsextremisten, die sind ideologisch soweit außerhalb unserer Demokratie, die erreichen wir nicht mehr. Aber ich glaube, sehr viele Menschen haben ganz nachvollziehbare Verlustängste. Die können von ihrer Rente nicht mehr leben oder haben Sorge, ob sie die Miete noch zahlen können. Und da müssen wir hin, und da müssen wir zuhören. Du weißt ja von meinem Besuch „In den Peschen“, dass ich keine Berührungsängste habe. Und ich glaube, das wird in Duisburg auch anerkannt. Mein Wahlergebnis war ja mit 38,3% Erststimmen deutlich vor den Zweitstimmen für meine Partei (31,7%).

Und nun zu was völlig anderem: Bei der grossen Koalition ist Dein Mandat mal wieder völlig sicher, denn Du bist in Duisburg direkt gewählt. Wo ist aber das sozialdemokratische Profil in Deinem Beritt, der Gesundheitspolitik? In der grossen Koalition. Die CDU steht ja noch nicht einmal für die gemeinsame Kasse.

Natürlich schmerzt es, dass wichtige Punkte wie die Bürgerversicherung nicht durchgesetzt werden konnten. Als Schirmherrin des Malteser Hospiz St Rafael ist mir auch aufgefallen, dass der Bereich Hospiz und Palliativ in dem Papier bisher gar nicht vorkommt. Da muss in den Koalitionsverhandlungen noch ein bisschen Butter an die Fische. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse hat das Verhandlungsteam der SPD aber beachtliche Erfolge erzielt. Mit der Wiedereinführung der Parität zahlen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen endlich wieder zu gleichen Teilen den Krankenkassenbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das hatte die Union bisher immer vehement abgelehnt. Außerdem freue ich mich, dass wir ein Sofortprogramm für die Pflege auflegen. Wir wollen die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sofort und spürbar verbessern. In einem ersten Schritt wollen wir 8.000 neue Fachkraftstellen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen schaffen. Außerdem werden Sofortmaßnahmen für eine bessere Personalausstattung in der Altenpflege und im Krankenhausbereich ergriffen und dafür zusätzliche Stellen zielgerichtet gefördert. Und: Wir wollen die Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif stärken und gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen dafür sorgen, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen.

Jetzt die Kernfrage: Ja oder Nein. Du bist eine der parlamentarischen Geschäftsführerinnen der SPD im Bundestag. Was willst Du? Die grosse Koalition, obschon fraglich ist, dass diese Deine GenossInnen im Ruhrrevier nicht wollen? Ja oder Nein?

Eine Große Koalition ist für viele – und das gilt auch für mich – keine Wunschkonstellation. Sie kann aber eine Möglichkeit sein, konkrete Verbesserungen für die Menschen in Duisburg umzusetzen. Als Duisburger Bundestagsabgeordnete lese ich in dem Sondierungspapier viel Positives für das Ruhrgebiet. So sollen z. B. finanzschwache Kommunen mit insgesamt 8 Milliarden Euro unterstützt werden. Und um Langzeitarbeitslosen endlich echte Perspektiven zu bieten, wurden insgesamt 4 Milliarden Euro herausverhandelt – für einen Sozialen Arbeitsmarkt. Außerdem machen wir endlich Schluss mit dem Kooperationsverbot und starten eine Investitionsoffensive im Bildungsbereich. Der Bund kann dann gezielt den Kommunen bei der Sanierung von Schulgebäuden, beim Ausbau von Ganztagsschulen und bei der digitalen Bildung helfen. Auch das wird meiner Heimatstadt Duisburg zugutekommen – deshalb werde ich für Koalitionsverhandlungen abstimmen.

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Nansy
Nansy
6 Jahre zuvor

Zitat: "Natürlich schmerzt es, dass wichtige Punkte wie die Bürgerversicherung nicht durchgesetzt werden konnten."

Da muss die SPD natürlich sofort mit einem anderen Plan in der Gesundheitspolitik nachhaken: "Die SPD will die Ernährungsindustrie dazu zwingen, weniger Zucker, Salz und Fett in Lebensmitteln zu verarbeiten. Das geht aus einem Positionspapier der Bundestagsfraktion mit dem Titel „Gesunde Ernährung erleichtern“ hervor."
http://www.welt.de/wirtschaft/article172624596/Bessere-Ernaehrung-SPD-will-Pizza-und-Cola-per-Gesetz-gesuender-machen.html

Wie kommt es eigentlich, dass überwiegend linke Politiker (auch wenn es mal ähnliche Vorstöße bei anderen Parteien gibt) an der Entscheidungsfähigkeit der Bürger zweifeln?
Offenbar ist in der SPD noch nicht angekommen, dass die Bürger solche Einmischungsversuche in ihre Lebensgewohnheiten endgültig satt haben….

ke
ke
6 Jahre zuvor

Wo bleiben die Antworten in der "GoKo" auf die großen Fragen der nächsten Jahre?
– Chancen und Risiken durch Robotik und künstliche Intelligenz?
Im Ruhrgebiet wird auf das Transportierung und Umverpacken von Waren gesetzt. Das sind die Bereiche, in denen zuerst massiv Jobs abgebaut werden, insbesondere wenn die Arbeitkosten steigen.
– Abstand Rente / Pension / Transferleistungen im Alter
– Steuersenkungen für Unternehmen in anderen Ländern

Insgesamt sind die Programme der alten Volks-Parteien einfach angestaubt und keine Antworten auf die Probleme der Zukunft.
Die sicheren SPD Direktmandate im Ruhrgebiet sehe ich auch nur noch für 10 Jahre gesichert. Dann entfallen die Mengen an Empfängern von guten Renten aus Stahl und Bergbau, die jetzt noch viele Familien versorgt haben und Probleme verdrängen konnten.

Angelika
Angelika
6 Jahre zuvor

"…in ihrer Herzkammer – dem Ruhrgebiet…"

Irgendwann wird der Begriff endlich mal so angestaubt sein, dass bei jeder Benutzung ein Hustenanfall fällig wird.
Immer dieses Nostalgie-Blabla.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Veehrte Genossin Bas,
wie wäre es, wenn Du dafür sorgen würdest, daß die Parteiführung, daß die Delegierten des Bundesparteitages und möglichst viele Mitglieder sich intensiv mit der Möglcihkeit auseinandersetzen würden, eine GroKo nicht für die gesamte Legislaturperiode von 4 Jahren, sondern nur für 2 Jahren einzugehen -mit dann durchzuführenden Neuwahlen- und sich nur für diesen Zeitraum auf einige wichtige Projekte/Maßnahmen zu verständigen oder mit anderen Worten, wenn CDU/CSU/SPD die bestehende GroKo so zu sagen für weitere 2 Jahre fortscheiben würden, um sich dann den Wählern in Neuwahlen zu stellen?
Dafür gibt es m.E. einige "gute" Gründe, und zwar aus der Sicht aller Beteiligten -CDU/CSU/SPD-, aber auch aus Sicht politischer interessierter, engagierter Bürger.

Ich selbst habe schon vor einigen Wochen diese Idee einer zeitlichen Befristung für eine weitere GroKo mit anschließenden Neuwahlen u.a. hier bei den Ruhrbaronen ins Spiel gebracht und angedeutet, daß ich unter dieser Bedingung als strikter Gegner einer GroKO meinen Widerstand gegen sie einstellen könnte. Das hat dann unverzüglich dazu geführt, mich als inkonsequent hinzustellen.

Da ich mir fest vorgenommen habe, inhaltlich nichts mehr Pro/Contra GroKo hier bei den Ruhrbaronen in die Diskussion einzubringen, verweise ich zum Thema "Befristung" auf eine heutige Kolumne von Thomas Fricke bei Spiegel-online :"Sozis, wählt die Kurzzeit GroKO", der ich inhaltlich und in ihrer Zielsetzung ohne Wenn und Aber zustimme.

Genossin Bas,
ich könnte mir vorstellen, daß eine solche Lösung ganz entscheidend dazu beitragen würde, zumindest vorläufig den Prozess einer Spaltung "unserer " SPD, von der ich hier bewußt als durchaus naheliegende Gefahr spreche, zu stoppen.
Du könntest mithelfen, daß…..(falls Du meine Meinung teilen solltest).

ke
ke
6 Jahre zuvor

@4 W. Stach:
Der Bundestag wird für 4 Jahre gewählt.

Das erste Jahr wird selbst im optimistischen Fall für die "GroKo" Verhandlungen vergehen.
Das letzte Jahr ist Wahlkampf.

Irgendwann müssen unsere Politiker auch noch zum Regieren kommen. Es ist ja nicht davon auszugehen, dass alles so schnell geht wie die Diätenerhöhung.

Walter Stach
Walter Stach
6 Jahre zuvor

Ke
1.
Ich meine, daß eine erneut von einer GroKo gebildete Regierung und ein von einer GroKo-Mehrheit getragenen absoluten Mehrheit im Bundestag keine "Anlauf-Einarbeitungszeit" bedarf.

Das "Regierungsschiff" würde doch a.) wie seit 12 Jahren von demselben Kapitän ( derselben Kapitänin?) geführt -Einarbeitungszeit wird nicht benötig-, würde b.) im wesentlichen von der gleichen Mannschaft betrieben -nebst demselben zuarbeitenden Personal (Angestelle/Beamte in den Ministerien, in den Parlaments- und Fraktionsbüros-Einarbeitungszeit wird nicht benötigt und c.)läßt sich nicht erkennen, daß es bezüglich der wesentlichen Ziele zwischen dem Kapitän und der Mannschaft fundamental unterschiedliche Meinungen geben dürfte -im Gegenteil, Kapitän und Mannschaft scheinen sich doch prinzipiell über "ein Weiter so" einig zu sein. Deswegen merkt ja auch kaum jemand, daß das "Regierungsschiff" ohne Unterbrechung, wenn auch in langsamerer Geschwindigkeit-immer noch auf demselben Kurs unterwegs ist, obwohl das "Schiff" , um die Möglicheit zu schaffen , Kapitän und Mannschaft auszuwechseln, im Hafen hätte anlegen können.
Also
Ke
dasselbe Schiff, derselbe Kapitän dieselbe Mannschaft, der gleiche Kurs…
Da könnte folglich das jetzt langsam fahrende Schiff der GroKo morgen, wenn formell das Alte als das Neue "demokratisch" bestätigt wird, wieder volle Fahrt aufnehmen.
Insoweit teile ich Ihre Bedenken bezüglich einer auf 2 Jahre begrenzten GroKo nicht.
-Ab wann formell die 2 Jahre beginnen sollten, könnte festgelegt werden, z.B erst ab Vereidigung der Kanzlerin/und-oder der Minster, so daß die bisher verstrichene Zeit seit der Wahl im Sept. nicht auf die 2 Jahre angerechnet werden würde.

Ke
Ich denke, wir unterhalten uns hier über ein Probleme oder über ein "Scheinprobleme", das nicht so gewichtig ist, um für sich genommen den politischen Willen von SPD -und CDU/CSU- be- bwz. verhindern sollte: "GroKo befristet für nur 2 Jahre".

Ob diese Idee die Mehrheitsbildung in der SPD -auf dem Bundesparteitag, in der Mitgliederbefragung – überzeugen würde, weiß ich nicht. Ich weiß vor allem nicht, ob sich die Kanzlerin darauf einlassen würde, denn die Befristung könnte für sie bedeuten, daß ihre letzte Kanzlerschaft nur noch 2 Jahre andauert, und ich weiß auch nicht, ob sich CDU/CSU mit dieser Ideen einverstanden erklären könnten. Denn für die jeweiligen Voten über eine "kurzzeitige GroKO (2 Jahre, dann Neuwahlen")entscheidet nicht das Nachdenken über das was man derzeit wie eine Monstranz vor sich her trägt, nämlich "die Verantwortung für Deutschland-, sondern parteitaktische und sehr persönliche Fragen nach politischer Macht, nach Machterhalt und Machterwerb. Ganz sicher gibt es dazu im Kanzleramt, in den Parteizentralen aller Parteien bereits jetzt diverse "Positionspapiere".

Ke
zudem bin ich mir ganz und gar nicht sicher, ob die Problematik/Theamtik "kurzzeitige GroKo -2 Jahre, dann Neuwahlen-überhaupt Bestandteil des Beratungs- und des Willensbildungsprozesses auf dem SPD-Parteitag sein wird, geschweige denn, daß ich über den Ausgang einer evtl. Abstimmung darüber und über die Folgen derselben hier spekulieren will.
Abwarten.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Mich erstaunt, daß die SPD-Spitze, nur um in die Koalitionsverhandlungen zu dürfen, ihre eigene Partei an die Wand fahren, sowohl intern bei ihren Mitgliedern, als auch bei ihren Wählern.
Diese angestrebten Koalitionsverhandlungen haben für die SPD-Spitze offenbar mehr Bedeutung als die Unterstützung ihrer Basis. Von den Wählern, die sich abwenden brauch ich gar nicht erst zu sprechen.
Und alles wurde nach einem 1-stündigen Gespräch bei Walter Steinmeier (eigentlich auch SPD) so wichtig, sogar für diejenigen, die gar nicht an diesem Gespräch beteiligt waren.
Egal was da besprochen wurde, aber nach den Koalitionsverhandlungen gibt es ja nich automatisch die ersehnte Koalition, sondern wieder ein Parteitag. Der soll dann entscheiden, ob es eine Koalition geben darf. Vermutlich ist die SPD zu diesem Zeitpunkt schon so zerstritten, daß sie sch in keinen einzigen Wahlkampf mehr trauen kann. So ähnlich war es jedenfalls in Frankreich, mit dem Ergebnis, daß Macron mit völlig neuem Personal alle Macht auf sich konzentrieren kannVielleicht kommt es hier nach einigen Landtagswahlen auch so. Dabei ist die Frage, wer daran Schuld trägt für Außenstehende ziemlich Wurscht. Ergebnis der französischen Sozialisten 5.7%

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