Nele aus der 8b hat ihren Aufsatz mit ChatGPT geschrieben, und Nele ist sich unsicher, mit welchem Pronomen sie angesprochen werden möchte – und schon hat der deutsche Stammtisch genug Material, um die nächsten drei Stunden darüber zu beratschlagen, wie man die Vergrünung der Gesellschaft stoppen kann. Und andernorts ist das die Erklärung, wieso Russland-Trump jetzt offiziell US-Präsident ist.
In der Realität aber passiert in Neles Klasse nun etwas Erstaunliches: Fortschritt. In echten Klassenzimmern. Gestaltet von deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Die Ruhr-Uni startet gemeinsam mit Partnern aus fünf weiteren Ländern ein EU-Projekt namens TAICo – Teacher-AI Complementarity. Beteiligt sind neben Deutschland auch Österreich, Spanien, Estland, Griechenland und Schweden. Ziel des Projekts: herausfinden, wie Künstliche Intelligenz sinnvoll in den Schulunterricht integriert werden kann. Nicht als Ersatz für Lehrkräfte, sondern zur Unterstützung.
KI-Systeme sollen z. B. Gruppenaufteilungen vorschlagen, Lernstände analysieren, gezielte Rückmeldungen geben oder Aufgaben ans individuelle Leistungsniveau anpassen. Die Lehrkraft bleibt im Zentrum, bekommt aber endlich digitale Hilfe – und vielleicht auch mehr Zeit für das, worauf es im Klassenzimmer wirklich ankommt: soziales Lernen, persönliche Betreuung und kritisches Denken. Kurz: Die Lehrkraft rückt aus dem 19. Jahrhundert ins 21.
Natürlich läuft das unter dem Radar, denn es brüllt ja keiner. Kein Kulturkampf, kein Empörungsmob. Nur gute Forschung. Währenddessen führen wir auf Bundesebene weiter Debatten darüber, ob gendergerechte Sprache Kinder verwirrt, Windräder Landschaften verunstalten und KI in Schulen Marxismus mit LEDs ist. Die Politik? Beschäftigt. Mit Symbolpolitik und Talkshows. Der Fortschritt? Findet woanders statt. Getragen von Hochschulen, Projekten, Drittmitteln – nicht von Landesregierungen. Die Angst regiert, die Wissenschaft arbeitet.
