Am Wochenende bat ein Rohingya aus Myanmar in einer Ruhrgebietsgemeinde um Kirchenasyl. In den Fall ist nun Bewegung gekommen. Der Kirchenkreis berät in dieser Woche, wie dem Flüchtling Sani B.* geholfen werden kann. Aufgrund der dramatischen Lage der Rohingya hatten die Pfarrer der Gemeinde den um Kirchenasyl bittenden Flüchtling spontan aufgenommen.
Nachdem der Kirchenkreis am Montag über das Kirchenasyl-Begehren informiert wurde, versichert der Superintendent: „Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen und die juristischen Fragen genau prüfen, um zu verhindern, dass der Flüchtling in einer Kettenabschiebung von Deutschland über Frankreich nach Myanmar gelangt und seinen Verfolgern schutzlos ausgeliefert ist.“
Wenn der Kirchenkreis seine Unterstützung zusagt, wäre der Weg für einen positiven Beschluss des Gemeindegremiums geebnet. Sani B. könnte nach einem ordentlichen Beschluss in der Gemeinde, die ihn bisher in einer Interimslösung untergebracht hat, bis zur Klärung seines Falles bleiben. Das Presbyterium entscheidet eigenverantwortlich, doch ist die Rückendeckung bei der Umsetzung des Kirchenasyls wichtig. Auch weil der Dialog mit den Behörden dann gemeinsam von Gemeinde, Kirchenkreis und Landeskirchenamt geführt werden kann.
In den Gesprächen zwischen Kirchen und Behörden zum Kirchenasyl hatte es zuletzt geknirscht. Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angedrohte verschärfte Fristenregelung führte zu Verärgerung. Die Frist bis zur Überstellung eines Flüchtlings im Dublin-III Verfahren, sollte im Fall eines Kirchenasylsuchenden von 6 auf 18 Monate verlängert werden. Damit wäre das Kirchenasyl praktisch dem illegalen „Abtauchen“ eines Flüchtling gleich gesetzt worden.
Projekt Kirchenasyl: Mehr Dialog statt langer Fristen
Inzwischen wurde eine Einigung zwischen Kirchen und Bundesamt erzielt und die Entscheidung über eine längere Frist aufgeschoben. Die Probephase bis zum Herbst soll genutzt werden, um organisatorische Voraussetzungen für die Zusammenarbeit zwischen Bundesamt und Kirchen, auch auf regionaler Ebene, zu schaffen. Die Regeln für den Prozess werden dann gemeinsam festgelegt.
Die 18-Monats-Frist würde auf jeden Fall zu einer größeren Belastung führen, stellt die Evangelische Kirche von Westfalen fest. Zudem sei es sinnvoll, dass Kirchen und Bundesamt in Zukunft gemeinsam Einzelfälle frühzeitig und lösungsorientiert prüfen, um Not und Gefahr für die betroffenen Menschen abzuwenden. Die Kirchengemeinden, die sich der Herausforderung eines Kirchenasyls stellen, sieht die Westfälische Landeskirche in einer Vermittler-Rolle. Die Gemeinden würden zwischen Behörden und betroffene Flüchtlinge treten, um Zeit für weitere Verhandlungen und die Ausschöpfung aller Rechtsmittel zu gewinnen.
Die Würde der Flüchtlinge ist unantastbar
Was nach viel Bürokratie klingt, soll am Ende den Flüchtlingen im Kirchenasyl helfen. Das einzelne Schicksal steht im Vordergrund, betont die leitende Vorsitzende der Evangelischen Kirche von Westfalen, Präses Annette Kurschus: „Niemals dürfen wir vergessen, dass hinter jedem Einzelfall unverwechselbare Menschen stehen: Persönlichkeiten, deren Würde unverlierbar und unantastbar ist. In diesem Sinne arbeiten wir bisher gut mit dem Land Nordrhein-Westfalen zusammen.“
Führt diese „weltlich-geistliche“ Kooperation dazu, dass Asylsuchende bei einer akuten Gefährdung nicht mehr über ein vermeintlich sicheres Drittland in ihre Heimatländern abgeschoben werden können, ist der Dialog zwischen Kirche und Land eine Chance für die Flüchtlinge. Der Fall von Sani B. könnte die Nagelprobe für das Pilotprojekt werden.
* Name red. geändert