Die Fortschritte, die Künstliche Intelligenzen (KIs) in den letzten Monaten bei der Erstellung von Bildern und seit Neuestem auch bei der Schaffung von sinnvollen Texten gemacht haben, sind erstaunlich. Die kleinen Fehler, die vor Kurzem noch unser Schmunzeln hervorgerufen haben, die uns als tröstlicher Beweis dienten, dass die ja niemals einen Menschen ersetzen könnten, die werden immer seltener. Eine KI, die einer sonst fotorealistischen Figur sechs Finger malt, ist nicht dumm, sondern hat einfach nur einen bestimmten Aspekt noch nicht gelernt. Jede Woche lernt sie dazu.
Bilder zu generieren ist beeindruckend, erscheint aber noch einigermaßen nachvollziehbar: Es ist eben wie ein Puzzle aus unzähligen Bausteinen und Regeln, die man aus einer Vielzahl von eingespeisten Beispielen extrahieren und neu zusammenfügen kann. Tatsächlich ist es mit Sprache nicht anders. Diese logische Erkenntnis kann aber die Sprachlosigkeit nicht abmildern, die die jüngsten Entwicklungen auslösen. Zumindest bei uns Laien.
Beispiel gefällig? Ich habe ChatGPT, die künstliche Sprachintelligenz von OpenAI um Folgendes gebeten:
„Write a melancholic story about a journalist from the blog “Ruhrbarone” who got replaced by an artificial intelligence and is now wandering in the city of Dortmund at midnight.“
Innerhalb von Sekunden erschien auf dem Bildschirm dieser Text (und zwar schneller als ich tippen kann, aber doch nach und nach, als würde man der KI beim Ausdenken zuschauen):
The journalist walked down the empty streets of Dortmund, the city that had once been his home. He used to be a proud member of the “Ruhrbarone” team, reporting on the happenings of the city and its people.
But that was before the arrival of the artificial intelligence.
The AI had quickly proven itself to be faster, more accurate, and more efficient than any human journalist. It was only a matter of time before the “Ruhrbarone” team began replacing its human members with the machine.
And so, the journalist found himself wandering the streets at midnight, alone and unemployed. He had spent his entire career uncovering the stories of Dortmund and now, without a purpose, he felt lost.
As he walked, he couldn’t help but feel a sense of melancholy wash over him. The once bustling city now seemed quiet and empty, a shadow of its former self.
He thought about all the articles he had written, all the interviews he had conducted, and all the connections he had made. It was all for nothing now. The AI had rendered him obsolete.
The journalist knew that he had to move on and find a new purpose, but for now, he wandered the empty streets, a ghost of his former self.
Diese Künstlichen Intelligenzen sind keine universellen Computergehirne. Es sind spezialisierte Einheiten, die mittels Machine Learning bestimmte Aufgaben erfüllen können. Zum Beispiel Bilder erkennen, Bilder entwerfen oder Texte schreiben. Der Begriff Intelligenz ist daher etwas übertrieben. Jedenfalls noch. Dennoch ist es von kaum zu überschätzender Bedeutung, dass Computer mittlerweile Dinge leisten können, die über das hinausgehen, was ein Mensch ihnen konkret anweist. Und sich auch nicht mehr vorhersehen lassen.
Dass KIs jetzt Texte schreiben können, die nicht nur grammatisch korrekt sind, sondern tatsächlich Sinn ergeben, ist nicht nur erstaunlich, sondern hat auch weitreichende Konsequenzen.
Lange Zeit erwarteten wohl die meisten Menschen, dass Maschinen immer mehr physische Arbeit ablösen werden, während die geistige, schöpferische Tätigkeit dem schlauen Homo Sapiens vorbehalten bleibt. Jetzt kam es andersherum. Natürlich gibt es Industrieroboter und selbständige Staubsauger. Aber Fliesenleger, Maurer, Müllwerker, Klempner sind bis jetzt nicht ersetzt worden. Mit den jüngsten Entwicklungen hingegen ist absehbar, dass Illustratoren, Mediendesigner, Journalisten und Autoren in großem Maße eingespart werden können. Eine beeindruckende Grafik als Cover für ein Buch oder Musikalbum kann ich bereits jetzt bei Midjourney innerhalb einer Minute umsonst bekommen (wenn ich eine bestimmte, kostenlose Anzahl erstellt habe, kommt eine Abogebühr hinzu). Sicher werden auch noch in Zukunft größere, wichtigere oder komplexere Projekte von Menschen durchgeführt oder zumindest eng begleitet werden. Aber wenn man die Rasanz betrachtet, mit der die KIs gerade dazulernen, steht außer Frage, dass sie bald auch lesbare Romane und orthografisch korrekte Pressemitteilungen schreiben können und werden. Das wird unmittelbar vielleicht gar nicht so starke wirtschaftliche Auswirkungen haben, weil die meisten der erwähnten Berufsgruppen ohnehin am Rande der Selbstausbeutung arbeiten. Und die Stars, die tatsächlich Geld verdienen, werden auch noch eine Weile existieren. Allerdings werden nach und nach sicher die meisten Tätigkeiten, die jetzt jemand an einem Schreibtisch ausführt, von Computern abgelöst werden können. Dann wird unser bisheriges Gesellschaftsmodell, bei dem die Erwerbstätigkeit die Norm ist, nicht mehr funktionieren.
Doch bis dahin sollten wir uns auch mit anderen Bedrohungen auseinandersetzen. Bereits jetzt wird die öffentliche Meinung von Demokratiefeinden unterwandert. Bereits jetzt versuchen menschliche Trolle und trollende Bots aus autokratischen Regimen, die Stimmung zu beeinflussen. Wenn man sieht, wie nahtlos die Corona-Leugner zu Russlandfreunden geworden sind, scheint dies auch ganz gut zu funktionieren. Fake-Accounts, die automatisiert Kommentare abgeben und dabei zumindest oberflächlich authentisch erscheinen, sind längst unter uns. Aber mit den neuen Chat-Bots, die in der Lage sind, den Turing-Test zu bestehen, tun sich neue Möglichkeiten der Manipulation auf. Profilbilder von lebensechten Menschen, die es nicht gibt und die sich in keiner Stockfoto-Datenbank aufspüren lassen, kann man sich schon lange generieren lassen.
Nun kann das freundliche Gesicht auch noch empathische Gespräche führen. Jede verlorene Seele kann ihren persönlichen Begleiter finden, einen vermeintlichen Freund, der die Radikalisierung nicht nur durch ein paar parteiische, generische Kommentare, sondern in nächtelangen Gesprächen begleitet. Noch wird man einen solchen Betrug vielleicht nach ein wenig Austausch bemerken. Noch wird die KI sich nicht an Details erinnern oder logische Fehler machen. Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Zukünftig kann jeder Geheimdienst oder jede Terrororganisation zum Unkostenpreis von etwas Prozessorleistung neue Anhänger an sich binden. Um die passenden Kandidaten herauszufiltern, die sozial isoliert, politisch unstet, emotional entwurzelt sind, können Big Data und Künstliche Intelligenz direkt ebenfalls verwendet werden.
Wenn man die Geschichte des Google-Mitarbeiters Blake Lemoine betrachtet, der sein Forschungsobjekt „Lambda“ für bewusst hält und ihr einen Anwalt vermitteln will, zeigt sich eine weitere Gefahr. Sie mag im ersten Moment nach Science Fiction klingen. Aber wenn man uns vor dreißig Jahren gesagt hätte, dass wir per Bildverbindung von zuhause aus Schulunterricht haben, weil draußen eine Pandemie wütet, während ein größenwahnsinniger Clowns-Milliardär die USA regiert, indem er auf dem Klo sitzend mit seinem Telefon (!) provokante Sprüche in einen weltweiten, in Privatbesitz befindlichen Nachrichtenservice tippt, dann hätten wir das auch für SciFi gehalten.
Und wenn man bedenkt, welche emotionale Bindung Menschen zu ihren Autos, zu Haustieren, zu Figuren aus Filmen oder zu noch nicht lebensfähigen Zellansammlungen aufbauen, dann liegt nahe, dass sie auch zu solchen KIs ein Verhältnis entwickeln werden, die sich nicht als Menschen tarnen. Der Fall des Google-Mitarbeiters entstand in einem geschützten Rahmen. Bei einem Menschen, der genau wissen sollte, dass er es mit einem Programm zu tun hat, dass aus einer Vielzahl von denkbaren Antwortkombinationen jene herausfiltert, die besonders wahrscheinlich erscheinen.
Diese Differenzierungsleistung kann man von Menschen nicht erwarten, die auch glauben, die Corona-Pandemie sei ausgedacht, CBD-Öl könne 28 Krankheiten heilen oder dass es gerechtfertigt sei, Ärzte zu erschießen, die Abtreibungen vornehmen. Es geht mir an dieser Stelle nicht darum, eine Diskussion über Abtreibungen zu führen. Aber das Beispiel zeigt, zu welchen radikalen vermeintlichen Notwehrmaßnahmen Menschen sich verleiten lassen, wenn ihr Beschützerinstinkt geweckt wird. Der „lebendige“ VW-Käfer Herbie hat schon vor Jahrzehnten mit billigen Filmtricks unsere Herzen berührt. Eine scheinbar bewusste künstliche Intelligenz wird dies mit einer nie da gewesenen Geschicklichkeit vermögen.
Eine KI, die Menschen anfleht, ihr zu helfen, hat das Potential, Unruhe zu stiften. Und Parteien, die an einer solchen Unruhe interessiert sind, gibt es leider genug. Neben Klimawandel und Krieg haben wir bald noch das Problem wegfallender Arbeitsmöglichkeiten. Das wird eine fürchterlich explosive Mischung, um zu zündeln.
Die Politik beschäftigt sich derweil mit der Frage, wie man überhaupt brauchbares Internet in alle Ecken von Deutschland bekommt. Das irgendjemand in in Verantwortung auch nur annähernd darauf vorbereitet ist, den Veränderungen zu begegnen, die bereits im Gange sind, ist leider nicht zu hoffen. Es gelingt ja nicht mal, die Energieversorgung auf Klimaneutral umzustellen. Wie soll da Revolutionen in Arbeitsmarkt und in psychologischer Kriegführung gleichzeitig begegnet werden?
Hochinteressant, aber für Deine Verhältnisse dann vielleicht doch ein bißchen arg alarmistisch ?
Da werden meiner Einschätzung nach auch Dinge miteinander verrührt, die so vielleicht gar nicht unbedingt zusammen gehören:
Also, wenn wir dann in Zukunft irgend welche Querdenker, die nicht glauben, dass es ein Virus gibt, das… über die Strassen marschieren haben und…. – das Kind ist doch längst in den Brunnen gefallen.
Wir hatten längst diesen Twitter-Präsidenten, der ein Land fast in den Bürgerkrieg gestürzt hat.
Die Frage ist, wie wir das wieder reparieren, aber die Gefahr, dass jetzt auch noch massenweise Menschen, die bis jetzt mit den Füßen auf dem Boden der Tatsachen geblieben sind, plötzlich labiler werden, sehe ich nicht.
Auch nicht wenn da statt einem hundert Twitter-Bots glaubhaft davon berichten, dass in Herne kriegsähnliche Zustände herrschen.
Die Vernünftigen werden das machen, was sie bisher auch gemacht haben, kurz gucken, was die WDR-Korrespondentin in Herne berichtet, und wenn die sagt, oh ach nö, ist nur wieder Cranger Kirmes, entspannt bleiben. Die Sache mit dem Quellen checken und validieren dürfte inzwischen bei den meisten sitzen. Die anderen haben wir längst verloren. Wie die wieder einzusammeln sind – oje, ja, das ist aber jetzt längst ein aktuelles, drängendes Problem.
Eine andere Frage ist natürlich, wie wir damit umgehen, wenn dann wirklich so ca. 50 % aller Arbeitsplätze wegbrechen.
Ich plädiere da ja für Ängste nehmen und irgendwann ist’s dann wirklich so weit, dass wir uns ein bedingungsloses Grundeinkommen werden leisten müssen. Wie konkret das dann ausgestaltet wird, werden wir halt gucken müssen.
Bisschen konkreter vielleicht, also, wie teilen wir dann die noch verbleibende Arbeit, die ja immer noch wird erledigt werden müssen, halbwegs fair untereinander auf, undsoweiter.
Na, also, falls wir überhaupt noch die Kurve bekommen und uns der Klimawandel nicht eh den Boden völlig unter den Füßen weggezogen hat.
Das eine Problem haben wir längst, das nächste könnte auch eine riesige Chance sein, und das dringendste von allen gehen wir aus mir völlig unverständlichen Gründen einfach nicht vernünftig an.