Klaus macht Ernst: „Ich lasse es nicht zu!“

Willy Brandt hatte sich dereinst geweigert, mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Dies beeindrucke, so Brandt, nicht einmal den Tisch. Und so kam es, wie es kommen musste. Die SPD verkümmerte zur Partei des kleinen Mannes. Immerhin, der kleine Mann kann auf den Tisch hauen. Und zwar kräftig. Erst Schmidts Helmut, dann Schröders Gerd. Zwei ganz große Auf-den-Tisch-Hauer – klein, aber fein.

Doch dann hatten die kleinen Hauer wieder fertig, und erneut schlug die Stunde
der großen Steiger. Glückauf, der Steiger kommt! Darunter auch der ein oder andere aus der Basketball-Bundesliga. Die Folge: der kleine Mann fühlte sich von der SPD nicht mehr so recht vertreten. Die große Stunde der kleinen Männer hatte geschlagen: Gysi und Lafontaine konnten ihr Konkurrenzunternehmen gründen.
Das ist nun auch schon wieder eine ganze Weile her. Inzwischen ist Oskar krank, Gregor ist auch nicht mehr der gesündeste. Wenn der in der Bundestagsfraktion etwas durchsetzen will, muss er bis an seine Grenzen gehen. Wie auch immer: ein neuer Parteivorsitzender musste her. Ein kleiner Mann, versteht sich. Klaus Ernst heißt er.

Und der kann auf den Tisch hauen! Der Klaus Ernst. Und wie der sich für seine Leute einsetzt! Der WAZ gegenüber hat er jetzt erklärt, er „lasse es nicht zu, dass unsere Mitglieder in dieser Form diffamiert werden.“ Zack, das sitzt ja wohl! Worum geht´s? „Linken-Chef Klaus Ernst“, heißt es in der WAZ, „wehrt sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe und weist jede Kritik des Zentralrates der Juden zurück.“
Klaus weist jede Kritik zurück. Ein kleiner Mann macht Ernst. Vielleicht hat er es auch so gar nicht gesagt, vielleicht hatte es der WAZ-Redakteur nur so verstanden. Gesagt hat Ernst jedoch auf jeden Fall, ZdJ-Präsident Dieter Graumann solle „die Niederungen der Parteipolitik schnell wieder verlassen“.
Klaus Ernst lässt es nicht zu, kann er ja auch gar nicht, dass „Mitglieder in dieser Form diffamiert werden.“ Er ist doch der Parteivorsitzende, und da muss er sich doch vor und hinter und an die Seite seiner Mitglieder stellen. Klare Sache. Da haut der kleine Mann in den Niederungen der Parteipolitik mit voller Kraft auf den Tisch.

Allerdings hatte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland die Mitglieder der Linkspartei keineswegs pauschal des Antisemitismus bezichtigt. In seinem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung, an dem Klaus Ernst Anstoß nahm, machte Dieter Graumann wiederholt darauf aufmerksam, dass es auch „sehr ehrenwerte Stimmen in der Partei“ gebe.
Allerdings reiche ihm, so Graumann, „kein Fraktionsbeschluss gegen Antisemitismus, der auch nur deswegen einstimmig verabschiedet werden konnte, weil 14 Personen vor der Abstimmung den Saal verließen und der Vorsitzende sogar noch mit Rücktritt drohen musste; so gut gemeint das auch sein mochte.“

Dieser Vorfall lässt sich zumindest als ein Indiz dafür werten, dass israelfeindliche oder gar auch antisemitische Tendenzen in der Linkspartei mehr sind als nur zu vernachlässigende Einzelerscheinungen. Zumal selbst antisemitische Einzelerscheinungen keineswegs etwas darstellen, was vernachlässigt, sprich: von der Parteiführung übersehen werden darf.
Dies wiederum gibt der auf den Tisch klopfende Parteivorsitzende vor, ebenfalls zu meinen. „Wer bei uns antisemitische Sprüche klopft“, so Klaus Ernst zur WAZ, „muss mit harten Konsequenzen rechnen.“ Genau diese hatte aber Dieter Graumann angemahnt. Und konkrete Beispiele für diese Fälle benannt. Warum nur haut Ernst aber dann auf Graumanns Tisch, anstatt die Antisemiten in seiner Partei den „harten Konsequenzen“ zu unterziehen?

Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag, hält übrigens Graumanns Kritik an antisemitischen Tendenzen in Teilen der Linkspartei für berechtigt. Der Mitteldeutschen Zeitung sagte Bartsch, der Zentralrat der Juden habe der Linken „etwas ins Stammbuch geschrieben, das wir sehr, sehr ernst nehmen sollten„.
Ernst nehmen. Zulassen oder nicht zulassen, das ist hier die Frage.

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Nicht der Arnold
Nicht der Arnold
13 Jahre zuvor

Herr Graumann hat eben keine konkreten Beispiele für Antisemitismus genannt. Er hat auch keine Definition von Antisemitismus genannt.
Das er seinen Beitrag für einen blödsinnigen Kampagnenjournalismus nutzt, steht ausser Frage. (und den hiesigen auch)

Dirk Haas
Dirk Haas
13 Jahre zuvor

„Der Mitteldeutschen Zeitung sagte Bartsch, der Zentralrat der Juden habe der Linken “etwas ins Stammbuch geschrieben, das wir sehr, sehr ernst nehmen sollten“.“

@Werner Jurga: Quellenkritik! (-:

Glücksbärchen
Glücksbärchen
13 Jahre zuvor

Ha, ein Beitrag bei dem Ruhrbaronen zur Linkspartei, bei dem man tatsächlich das Gefühl hat, dass es dem Autor um die Sache geht – ganz ohne antikommunistischem Schaum vor dem Mund. Danke schön, auch für den Link zu der guten und differenzierten Kritik von Dieter Graumann, die ich so unterschreibe.

Wenn Klaus Ernst sich tatsächlich „jede Kritik“ des Zentralrats zurückweist und den differenzierten Beitrag als „Diffamierung“ bezeichnet, dann ist ihm echt nicht mehr zu helfen. Darüber könnte man sich dann zu Recht empören. Aber bestenfalls auch dann, ohne billige und populistische Vorurteile gegen Linke zu bedienen, wie das einige Beiträge von Stefan Laurin hier getan haben.

Für eine neue Sachlichlichkeit – von Dieter Graumann lernen heißt argumentieren lernen! 😉

trackback

[…] Klaus macht Ernst: „Ich lasse es nicht zu!“ … ruhrbarone […]

Rainer Lang
Rainer Lang
13 Jahre zuvor

@Glücksbärchen. Mit solchen diffamierenden Floskel wie Kritikern „antikommunistischem Schaum vor dem Mund“ zu bescheinigen widerlegst du dich ja selbst. Mit „neuer Sachlichkeit“ hat das nämlich nichts und mit der üblichen linken Harangehensweise, nämlich Kritiker durch Diffamierung auszuschalten sehr viel zu tun.

A.mOr
A.mOr
13 Jahre zuvor

Absolut ein „ernstes“ Problem! Graumann hat („Deutschmann“ weiß) „die Niederungen der Parteipolitik schnell wieder (zu) verlassen“.

Solche Niederungen sind nämlich nur für jene, die was von Niederungen verstehen, nicht?
Also, Herr Graumann, „wer zu lange in den Abgrund schaut, der wird Teil des Abgrunds“ (frei nach ’nem Film den ich irgendwann mal sah), der Klaus will Ihnen ernsthaft nur helfen.
Sie, Herr Graumann, als Deutscher wissen doch, wir Deutsche wissen Bescheid!

Und eines von diesem Bescheid ist’s, wie der Ruf der Partei „die Linke“ nun dasteht, da schicken wir eben schnell den Bescheid, wenn nötig bescheinigt, Antisemitismus und „links“ geht nicht, denn das wäre ja, als wenn „links rechts“ ist. Geht aber nicht, denn da ist so ein „Daumen im Text“ (der links, der rechts, usw).

Außerdem, „business“, Herr Graumann, seien Sie doch nicht „so“, nu, Sie wissen schon, kleinlich/spitzfindig/krämerisch…
Deutschland ist Exportweltmeister (oder war’s? Ist nur Schnee von gestern?), und „die Linke“ muß sich doch auch verkaufen, so wie jede Hure eben, die haben auch Rechte.
(Liebe Huren, Entschuldigung, Ihnen möchte ich gewiß nicht ans Leder, verzeihen Sie mir!
Auch möchte ich Sie gewiß nicht gleichsetzen mit „die Linke“, es ging mir nur um die Darstellung, daß der Ruf eben jedem wichtig ist, der „sich verkaufen“ muß, öhm, will. Bekanntlich geht das nicht so gut mit sogenanntem „schlechten Ruf“. Sie wissen das, Klaus Ernst auch; vermute ich…
Ich wollte übrigens auch nicht ausdrücken, daß Sie „sich“ verkaufen, das wollte ich nicht behaupten oder annehmen. Aber Klaus Ernst „verkauft“ doch auch, gewissermaßen, eine Dienstleistung, meinen Sie nicht?)

Antisemitismus in den Reihen unter Gysi, Pau und, so, weiter: darf es nicht geben, also gibt es ihn. So läuft’s mit dem Widerstand. Shtejt ojf, Genossen! Ojf di barrikadn!
(aber der Jude muß draußen bleiben, buuh, das müssen se schon farshtejn Herr Graumann, ist ’ne interne Angelegenheit, ernsthaft!)

(ach übrigens, Frau Pau, soweit ich weiß, stehen sie auf der „rechten Seite“, also auf der „richtigen“, Sie verstehen schon, aber warum dann auf „die Linke“? Hat was mit Politik zu tun, gelle? Wollte nur sagen, ich kenne Sie nicht so gut, habe aber bisher nur gutes von Ihnen gehört, ja, die Politik, oder doch eher die Partei, hm, das ist was anderes, oder? Tut mir leid, alles so furchtbar kompliziert, soweit ich weiß wünsche ich Ihnen weiterhin gutes Gelingen.
Und Herr Gysi, übrigens, „kauft nicht beim Gysi!“ Ooch, war nur ein Scherz! Ich glaube Sie sind auch in Ordnung, aber ich kenne Sie eigentlich auch nicht. Wollte nur mal sagen, daß vielleicht „nicht alles“ schlecht ist an dem was „die Linke“, von links bis rechts, oben usw, ist.
Nicht aufgeben, der Ruf ist nicht alles!
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert! Viel Vergnügen noch!)

Werner Jurga: fetter Text!
(ich fand übrigens zu diesem Artikel über die Spur auf Hagalil, merci!)
„…israelfeindliche oder gar auch antisemitische Tendenzen in der Linkspartei…“
Dafür allerdings, mein ‚Herr Ruhrbaron Werner Jurga‘, etwas mehr Pfeffer auf die Ehrlichkeit: „Kauft nicht bei Jud..ups und jaja…“ Oder andersherum, was bedeutet „israelfeindlich“ nocheinmal?
Muß man das noch immer erklären? Israel Staat der …nu?

Das also als Hinweis für jene, die noch nicht begriffen haben sollten, daß die Infragestellung der Existenzberechtigung des Staats (und Lands) Israel purer Antisemitismus ist.
Es ist sehr traurig, daß es solcher Aufklärung bedarf, und daß deutsche (Qualitäts-)Medienberichterstattung dazu beiträgt, daß manche Selbstverständlichkeiten den geneigten Leser nicht erreichen, manche Verleumdung (ein Schelm wer „Verhetzung“ dabei denkt, oder liest! Und: „selbst schuld!“) dafür umso häufiger.

Für die, die draußen bleiben sollen aber frecherweise doch hier lesen (oder gar schreiben!!!):
gut Schabbes!

Nachwort:

Danke also auch an Dietmar Bartsch!

Außerdem noch eine klitzekleine Spitzfindigkeit (kennt man doch, nicht?):
Auswahl aus dem hier vorliegendem Artikel:

„Wer bei uns antisemitische Sprüche klopft“, so Klaus Ernst zur WAZ, „muss mit harten Konsequenzen rechnen.“
Gesagt hat Ernst jedoch auf jeden Fall, ZdJ-Präsident Dieter Graumann solle „die Niederungen der Parteipolitik schnell wieder verlassen“.

Verstanden? Nebbich!

Robert
13 Jahre zuvor

„In seinem Beitrag in der SZ stellt Herr Graumann anklagend die rhetorische Frage “was ist von Boykottaufrufen und Sanktionsforderungen gegen Israel zu halten?”. Er beantwortet die Frage im Laufe seines Beitrags nicht, weil er die Antwort suggerieren möchte: Jeder Aufruf zu Boykotten und Sanktionen gegen Israel ist gleichzusetzen mit Antisemtismus.

Dazu muss Herr Graumann die Argumente seines politischen Gegners ignorieren, was er auch tut. Denn die über 40 Jahre andauernde völkerrechtswidrige israelische Besatzung der palästinensischen Westbank seit dem Krieg von 1967 ist durchaus geeignet, die Weltöffentlichkeit zu solchen Maßnahmen aufzurufen.“

Guido Pauly
Guido Pauly
13 Jahre zuvor

Es kann alles so einfach sei, …! Seit Monaten tobt innerhalb der Partei „Die Linke“ eine sogenannte „Antisemitismus-Debatte“, geschuldet der Bagage, die das Existenzrecht Israels in Frage stellt, zum Boykott israelischer Waren aufruft, mit der Hamas sympathisiert und kooperiert, usw.. Die Parteiführung ist genervt, da sie permanent von der Presse und aus den eigenen Reihen mit diesem Problem konfrontiert wird. Die Euphemisierungs-Floskel „Kritik an Israel müsse erlaubt sein“ langweilt. Ein chronisch cholerischer Klaus Ernst erscheint urlaubsreif. Also stellt er kurzerhand ein Axiom auf, um anschließend beruhigt mit dem Porsche in die Ferien brausen zu können: „Es gibt keinen Antisemitismus bei uns!“. Wie gesagt, es kann alles so einfach sein, …!

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