Knast, Knast, Knast: So hörte Dortmund auf, die Nazi-Hochburg des Westens zu sein

Nazis in Dortmund

Dass Dortmund nicht mehr die Stadt mit den meisten rechten Straftaten in Nordrhein-Westfalen ist, ist auch ein Erfolg einer vor fünf Jahren eingesetzten Sonderkommission. Zwar hält die rechtsradikale Szene im Stadtteil Dorstfeld noch ganze Häuser in Beschlag, aber immer mehr Aktivisten mussten in den vergangenen Jahren ihren Wohnsitz in Haftanstalten verlegen.

Großdemonstrationen mit über Tausend Rechtsradikalen aus ganz Deutschland, Kundgebungen an Heiligabend und Silvester unter dem Motto „Euren Feierabend bestimmen wir“, um die Polizei vorzuführen, die offen nationalsozialistische Partei „Die Rechte“ hat einen Sitz im Rat und als Tiefpunkt 2006 der Mord an dem Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık – Dortmund hatte sich seit den 80er zu der größten Nazihochburg in Westdeutschland entwickelt.

Lange Zeit war Dortmund auch die Stadt mit den meisten rechtsradikalen Straftaten in Nordrhein-Westfalen. Noch 2018 lag die Stadt im Osten des Ruhrgebiets mit 253 rechten Straftaten vor Köln (243), Düsseldorf (194) und Wuppertal 152). Doch diese Zeiten sind erst einmal vorbei. 2019 lagen Köln mit 243 rechten Straftaten vor Düsseldorf (234) und Dortmund (187).

Und auch die Zeit großen Aufmärsche sind Vergangenheit. Zwar fanden auch im vergangen Jahr mehrere Demonstrationen der Naziszene in Dortmund statt, aber die Teilnehmerzahl ist im Vergleich zu früher gering. Gelang es der Dortmunder Naziszene Anfang des Jahrzehnts innerhalb weniger Stunden fast 200 Menschen auf die Straße zu bekommen, waren es im Herbst 2019 trotz langer Vorbereitungszeit und massiver Werbung keine hundert mehr. Das alles hat wenig mit dem im Dortmund traditionell überschaubaren Engagement der Zivilgesellschaft gegen den Rechtsradikalismus zu tun als mit der Arbeit der Polizei und einer von ihr 2015 gegründeten „Sonderkommission rechts“ (SoKo).

Als Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange die SoKo einsetzte, war die Lage in der Stadt angespannt: „Wir hatten im Jahr über  400 rechte Straftaten. 2016 gab es alleine 50 Gewalttaten von rechts“, sagt Lange. „Die SoKo war der richtige Weg, gegen diese Szene vorzugehen.“   Der Chef der Dortmunder Polizei ist froh über den Erfolg. Übermütig wird der Jurist trotzdem nicht: „Wir sind weit davon entfernt, die Sektkorken knallen zu lassen.“

Die Vorfälle in Chemnitz, als ein rechtsradikaler Mob nach einer AfD-Demonstration in der Stadt auf Menschenjagd ging und ein junger Mann umgebracht wurde, hätten in der Szene Hoffnungen geweckt: „Viele glauben seitdem, der Aufstand gegen die Demokratie könnte kurz bevorstehen.“ Auch würden Rechtsradikalen in Dortmund wie in ganz Deutschland nach neuen Bündnispartnern suchen: „Das können Impfgegner und andere Verschwörungstheoretiker sein. An den entsprechenden Demonstrationen in Dortmund nahm auch Rechtsradikale teil. Wir haben die Szene im Moment unter Kontrolle, tun aber gut daran, weiterhin sehr genau aufzupassen.“

Und das tun die Beamten mit großem Aufwand und Detailarbeit: Die Polizisten der SoKo sind für Straftaten  jedweder Art zuständig und auf ihre Kundschaft spezialisiert. Begeht ein Rechtsextremist verschiedene Straftaten, so ermittelt ein- und derselbe Kriminalbeamte gegen ihn. Über diese zentrale Bearbeitung erkennt die Polizei Zusammenhänge schneller, was in der Konsequenz auch zu Haftstrafen führen kann.

Und die Polizei liefert sich einen zähen, juristischen Kleinkrieg mit den Neonazis. Keine Demonstration ohne massive Auflagen. Uniformen und Springerstiefel sind ebenso verboten wie früher oft gerufene Parolen wie „Wer sitzt im Schrank? Anne Frank!“, „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit.“ oder „Am Ende sind wir damals wie heute Hitlers Leute.“

Am wirkungsvollsten scheinen jedoch die zahlreich gestellten Anzeigen zu sein, die in den vergangenen Jahr zu Haftstrafen führten und dafür sorgten, dass sich die Reihen der Nazis lichteten. Immer wieder im Gefängnis landet zum Beispiel Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt, der in den 80er mit der Hooligan-Gruppe „Borussenfront“ den Grundstein für die Dortmunder Naziszene legte. Im vergangenen Jahr wurde er zu einer Haftstrafe von vier Monaten wegen der Beleidigung eines Polizisten verurteilt. Härtere Strafen handelten sich die Gebrüder Drewer ein. Christoph Drewer, einstiger  Europawahlkandidat der Partei „Die Rechte“, wurde wegen verschiedener Delikte zu 15 Monaten Haft verurteilt, sein vielfach vorbestrafter Bruder Matthias, der eine Zeit lang als Nazi-Hipster durch die Medien gereicht wurde, verbüßt zurzeit eine zweijährige Haftstrafe.

Mitte Juli  trat schließlich mit Sascha Krolzig der Bundes- und Landesvorsitzende von „Die Rechte“ eine sechsmonatige Haftstrafe wegen Volksverhetzung an. Krolzig hatte den Vorsitzenden einer jüdischen Gemeinde als „frecher Juden-Funktionär“ bezeichnet. Weiter Strafverfahren sowie ein noch nicht gültige Urteil von 14 Monaten Haft wegen gefährlicher Körperverletzung könnten dafür sorgen, das Krolzig eine noch längere Zeit hinter Gittern verweilen muss. 46 unterschiedliche rechtsextreme Straftäter wurden in den vergangenen Jahren Aufgrund der Arbeit der Dortmunder Polizei von den Gerichten insgesamt zu Freiheitsstrafen von über 35 Jahren verurteilt. Das zeigt, ist sich Lange sicher, eine abschreckende Wirkung: „Mittlerweile ist vielen aus der Szene klar geworden, dass sie ins Gefängnis kommen können. Ob Mitläufer oder Führungsfiguren, wer Straftaten begeht, wird die Konsequenzen spüren und nicht alle sind dazu bereit.“ Die Dortmunder Nazis sind vorsichtiger geworden, seitdem immer mehr von ihnen hinter Gittern leben. Aber, da ist sich Lange sicher, es braucht Wachsamkeit und einen starken Verfolgungsdruck, damit die Situation nicht wieder kippt. Die SoKo hat der Polizeipräsident deswegen auf unbestimmte Zeit verlängert und personell aufgestockt. Wie viele Beamte dort arbeiten, das ist ein Betriebsgeheimnis der Polizei. Aber, sagt ein Sprecher, es sei die stärkste und größte Sonderkommission der vergangenen Jahre.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

 

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Theodor Schmoll
4 Jahre zuvor

Gut so, so muss mit Nazis immer und überall verfahren werden !

Arno Nym
Arno Nym
4 Jahre zuvor

Wenn der Hipster-Nazi sich nach der Seife bücken muss, wird vielleicht die eine oder andere Persönlichkeitsblockade gelöst …

Nils Oskamp
4 Jahre zuvor

Das war ein langer weg und er hat viele Opfer gekostat. Fünf Menschen wurden von Rechtsradikalen seit der Wende in Dortmund umgebracht. Die Polizeieinsätze haben Millonen gekostet und in Dortmund sind viele Schulen stark renovierungsbedürftig. Doch dieser Erfolg ist nicht nur der Verdienst der Polizei, sondern auch der Zivilgesellschaft in Dortmund. Die Runden Tische, Back Up NRW, Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage und der BVB. Es sind viele Akteuere gegen Rechts die sich vernetzt haben. Meinen Respekt habt ihr und macht weiter so.

Walter Schmidt
Walter Schmidt
4 Jahre zuvor

Ich find' DIE RECHTE im Grunde ja richtig sexy. Der Slogan "Israel ist unser Unglück" hat echt was. 😉

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