Koalitionsgespräche: Verhandelt Putin mit?

Vladimir Putin Foto: http://en.kremlin.ru Lizenz: CC BY-SA 4.0


Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD sitzen Vertreter der Moskau-Connection beider Parteien mit am Tisch. Bald werden wir wissen, wie groß Russlands Einfluss war.

Für den Fall, dass im Rahmen des Konkursverfahrens der in der Schweiz ansässigen Nord Stream 2 AG die beschädigte Ostsee-Gasleitung verkauft wird, hat der US-Investor Stephen Lynch angekündigt, mitbieten zu wollen. Lynch hat Trump – wenn auch nach einem Bericht des Wall Street Journal mit eher bescheidenen 300.000 Dollar – unterstützt und möchte Gas aus Russland über die Leitung wieder nach Europa leiten. Unterstützt wird Lynch dabei von Martin Seyfarth, Partner der deutschen Filiale der US-Anwaltskanzlei WilmerHale in Berlin. Das langjährige CDU-Mitglied Seyfarth ist in der Bundespolitik gut vernetzt und war früher einmal Büroleiter des ehemaligen Verkehrsministers und späteren Automobillobbyisten Matthias Wissmann (CDU). Seyfarth war auch am Verkauf der deutschen Gaslager 2015 an Gazprom beteiligt, die dann zu Beginn des Vollangriffs Russlands auf die Ukraine fast vollständig geleert waren. Nord Stream 2 in US-Hand wäre ein Deal, der Donald Trump gefallen könnte – und Russlands Präsident Putin ist natürlich dafür, dass russisches Gas wieder nach Europa fließt: „Wenn sich die USA und Russland auf eine Zusammenarbeit im Energiebereich einigen“, sagt er Mitte März, „kann eine Gaspipeline für Europa bereitgestellt werden. Und das wird Europa zugutekommen, weil es billiges russisches Gas erhalten wird.“

Ähnlich sieht es der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß. Der schrieb auf LinkedIn: „Wenn wieder Frieden herrscht und die Waffen zur Ruhe kommen, werden sich die Beziehungen normalisieren, die Embargos früher oder später zurückgehen, und natürlich kann dann auch wieder Gas fließen – vielleicht diesmal in einer Pipeline unter US-amerikanischer Kontrolle.“ Bareiß sitzt jedoch in den Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe Infrastruktur, die mit dem Thema Energie nichts zu tun hat. Anders sieht es bei Jan Heinisch (CDU) aus, der für die Union über das Thema Energie mitverhandelt. Er sagte zu Politico, wenn ein „gerechter und sicherer Frieden gefunden“ sei, müsse „man auch wieder über den Kauf russischen Gases sprechen dürfen“. Mit dieser Meinung ist er in der Energiegruppe nicht allein. In der sitzen mehrere Vertreter der Moskau-Connection von Union und SPD: Johann Saathoff war Beauftragter der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, den Bau von Nord Stream 2 hat er immer unterstützt. Und auch der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke verhandelt für die SPD zum Thema Energie. Auch Woidke stellt das Russland-Embargo in Frage und will in der Raffinerie in Schwedt wieder Putin-Öl verarbeiten. Die Raffinerie könnte nach Recherchen von Correctiv Teil eines möglichen Pipeline-Deals sein. Auch Woidkes sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer stellt die Sanktionen in Frage: „Wir schaden uns mittlerweile mehr, als dass wir irgendeine Wirkung in diesem Land erreichen“, sagt er gegenüber NTV. Während die Grünen solche Aussagen kritisieren, erhalten die Russlandfreunde Lob von der AfD.

Allen roten und schwarzen Freunden von russischem Öl und Gas ist gemeinsam, dass sie Putins langfristige Strategie entweder nicht erkennen oder sie ihnen schlicht egal ist. Putin strebt seit Jahrzehnten die Hegemonie über Westeuropa an, das er in ein von Russland dominiertes „Eurasien“ unter russischer Kontrolle einbinden will. Der Überfall auf die Ukraine und der hybride Krieg gegen den Westen sind nur Etappen auf dem Weg zu diesem Ziel. In ihrem Buch „Nord Stream – Wie Deutschland Putins Krieg bezahlt“ beschreiben Steffen Dobbert und Ulrich Thiele, dass die Pipeline nie das Ziel hatte, Deutschland mit Gas zu versorgen. Es ging nur darum, Pipelines durch die Ukraine überflüssig zu machen, um das Land überfallen zu können. Der Bundesregierung unter Angela Merkel war das schon 2018 klar. Als Ukrainer den Vertretern Merkels sagten, es würden Millionen kommen, antworteten diese, „sie müssten das nachrechnen. Bisher seien sie von geringeren Zahlen ausgegangen.“

Normalen Handel mit Russland wird es erst wieder geben, wenn das Land seine imperiale Politik aufgegeben hat. Solange Putin an der Macht ist, ist so etwas ausgeschlossen, wird Russland eine asiatische Despotie bleiben. Ob seine Nachfolger einen anderen Kurs einschlagen werden, ist vollkommen offen.

„Es wäre naiv zu glauben“, schreibt Herfried Münkler in seinem neuen Buch „Macht im Umbruch“, „dass sich der Kreml dauerhaft mit größeren territorialen Zugeständnissen der Ukraine im Donbass zufriedengeben wird und danach die Europäer mitsamt Deutschland wieder zum wirtschaftlichen Austausch früherer Zeiten zurückkehren können.“ Dagegen würden schon die geopolitischen Entwürfe sprechen, die im Kreml zirkulieren. Und damit meint Münkler die Vision Eurasiens.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Jungle World

 

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Werbung