Köln: Autokorso für Deniz Yücel

Es war der letzte Karnevalstag in Köln. Es war regnerisches Wetter. Und doch hatten sich in Köln-Kalk weit über 50 Autos mit etwa 200 Teilnehmern versammelt, um für die Freiheit des in der Türkei aus politischen Gründen inhaftierten deutsch-türkischen  Journalisten Deniz Yücel lautstark zu demonstrieren. Angemeldet waren vor zwei Tagen nur 30 Autos. Auch dies zeigt die politische und humanitäre Brisanz dieses „Falles Yücels“, der eigentlich ein „Fall Erdogan“ ist. Von unserem Gastautor Roland Kaufhold

Aufgrund der sich überschlagenden Ereignisse, Yücels nun offenkundig unbegrenzter Untersuchungshaft, war diese außergewöhnliche und imposante Veranstaltung sehr kurzfristig von dem Kölner Rechtsanwalt Ilias Uyar organisiert worden. Parallel hierzu fanden in elf weiteren bundesdeutschen Städten vergleichbare Autokorsos für den talentierten und mutigen Journalisten Deniz Yücel, Türkeikorrespondent der Tageszeitung Welt, statt.

Deniz Yücels streitbare und hintergründige Texte genießen bereits heute Kultstatus – aus guten Gründen. Zuvor hatte der 43-jährige bei jungle world und bei der taz gearbeitet. Legendär Deniz Yücels taz – Beiträge während des „Gazakrieges“ im Jahr 2014 wie etwa: Nein, du darfst nicht und Der Holocaust, Israel und du, in denen er aus kritischer, historisch fundierter Perspektive linke Lebenslügen, die sich hinter der „Israelkritik“ verstecken, auseinander nahm.

Diese gleichermaßen scharfsinnigen wie auch aus Liebe zur Türkei, dem Land seiner Eltern, erwachsenen journalistischen Beiträge haben dem streitbaren Journalisten und radikalen Demokraten erkennbar den Hass des zunehmend dikatorischer regierenden Erdogan und seines demokratiefernen, despotisch anmutenden Umfeldes zugezogen. Yücels Stimme, wie die von weit über 150 weiteren türkischen Journalisten und Publizisten, möchte das Erdogan-Regime  zum Verstummen bringen – mit allen Mitteln. Und im Widerspruch zu allen demokratischen und rechtsstaatlichen Konventionen, die auch das Nato-Mitglied Türkei unterzeichnet hat.

So wurde es ein höchst außergewöhnlicher Spätnachmittag: Wirklich alle Autos waren mit zahlreichen Plakaten und Transparenten beklebt, in denen die sofortige Freilassung Deniz Yücels gefordert wurde. „Free Deniz“ war das vorherrschende Plakat, aber auch „Freiheit für alle inhaftierten Journalist/innen in der Türkei!“ „Keep on rolling”, „Journalismus ist kein Verbrechen”, „Wir sind nicht zum Spaß hier“ sowie auch „Tel Aviv & haGalil.com fordern: Free Deniz“ und „Deniz: „Nein, du darfst nicht!“ – eine ironische Anspielung auf einen seiner taz-Beiträge über den Gazakrieg und eine geschichtsblinde, selbstgefällige deutsche Linke.

Gegen 16.45 Uhr setzte sich der Autokorso, an dem sich auch der in Köln lebende Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, beteiligte, in Bewegung. Unter wildem Hupen starteten die über 50 Wagen, darunter auch ein LKW der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim und ein weiterer LKW, begleitet durch eine sehr freundlich gestimmte Polizei. Die Fahrt ging im geschlossenen Konvoi von Kalk quer durch Deutz über die Deutzer Brücke entlang den Ringen. Von dort führte sie zum Ebertplatz, wo die Fahrrichtung gewechselt wurde. Die lautstarke, sehr vitale Demonstration wurde von zahlreichen Passanten teils vehement begrüßt: Viele blieben trotz des teilweise schlechten Wetters, des Regens stehen, schauten sich die vorbeifahrenden Plakate und Transparente an und winkten den Demonstranten begeistert zu. Auch einige Polizisten zeigten ihre Zustimmung zur Demonstration für Deniz Yücel durch einen hochgestreckten Daumen.

Nach 90 Minuten mündete der Autokorso in der Kölner Südstadt, wo er sich auflöste.

Die politische Botschaft dieser höchst außergewöhnlichen Kundgebung war eindeutig: Die Bundesregierung darf die willkürliche Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel nicht hinnehmen. Journalismus ist kein Verbrechen. Journalismus ist die Grundlage einer Demokratie. Die Nachrichten in der wenig später ausgestrahlten Tagesschau, in der mit Deniz Yücels willkürlicher Inhaftierung aufgemacht und diese als eine „Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses“ gebranntmarkt wurde, lassen hoffen. Auch die Autokorsos wurden erwähnt.

Der Protest gegen Erdogans Willkürmaßnahmen werden nicht nachlassen, bis Deniz endlich frei kommt – und seine journalistische Tätigkeit fortsetzen kann. Auch nicht in Köln. Journalismus ist wirklich kein Verbrechen.

Wir warten auf Deniz! Wir werden ihn nicht vergessen. Und wir werden wieder kommen, wenn es notwendig ist!

„Liebe Freundinnen und Freunde,
unser #Korso4Deniz in Köln war grandios! Auf 54 Pkw, 6 Fahrrädern, einem VW-Bully und zwei Transportern mit vielen Mitfahrern haben wir gemeinsam unsere Stimme für Deniz Yücel und alle inhaftierten Journalisten in der Türkei, für ihre sofortige Freilassung, erhoben!

Ihr seid Klasse und neben den vielen Passanten war auch die Polizei von unserem Korso beeindruckt! Mir bleibt nur eines zu sagen: Wir können nicht nur Zoch, wir können auch Autokorso. Ich Danke Euch!“ schrieb Ilias Uyar zwei Stunden später auf Facebook.

Der Artikel erschien bereits auf Hagalil

Alle Bilder: (c) Roland Kaufhold

 

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