Köln: Bis zum Endsieg – Mobilmachung gegen ein jüdisches Museum

dom_koelnEine Bürgerinitiative in Köln versucht, das lange geplante Jüdische Museum zu verhindern. Unser Gastautor Gerd Buurmann hat sich mit einem offenen Brief auf seinem Blog Tapfer im Nirgendwo und auf  haolam an seine Mitbürger gewandt. 

Lieber Bürger in Köln,

der Du das Bürgerbegehren zur Erhaltung des Rathausplatzes der Stadt Köln unterschrieben hast,

Du gehörst zu den über 30.000 Personen, die ihre Unterschrift unter diesen Text gesetzt haben:

“Der Rat der Stadt Köln hat beschlossen, über den Ausgrabungen auf dem Rathausplatz einen musealen Großbau zu errichten. Dieser wird mindestens 2/3 der bestehenden Fläche verschließen. Durch die geplante Bauhöhe von 15 Metern entsteht ein massives Gebäude. Der ursprüngliche Charakter des Rathausplatzes geht dadurch unwiderbringlich verloren. Der geplante Gebäudekomplex rückt unmittelbar an die Renaissancelaube heran, sodass “Ecke Unter Goldschmied / Portalsgasse” stehend, die Sicht auf das gesamte historische Rathaus verdeckt wird.”

Was bist Du eigentlich für ein Kölner Bürger? Du weißt nicht einmal wo der Rathausplatz in Köln ist. Der Ort der Ausgrabung ist nicht der Rathausplatz! Der Rathausplatz war schon immer der Vorplatz direkt vor der Rathauslaube und dem Bürgerturm, wie dieser Holzstich aus dem 18. Jahrhundert zeigt. Gemacht wurde dieser Stich von dem Ort, den Du für den Rathausplatz hältst. Fällt Dir was auf? Das Bild blickt von oben. Ja, wie ist das denn möglich? Konnte der Künstler etwa fliegen? Nein, Du Tünnes, der Künstler stand vermutlich am Fenster. Da waren nämlich Gebäude!

Und jetzt schau Dir mal dieses Bild an. Es ist aus dem Jahr 1943 und zeigt die Rathauslaube von der Portalsgasse aus. Schau mal nach rechts. Was siehst Du? Leck michan der Fott, was steht denn da? Ein Haus! Wie kommt das denn da hin? Darf dat dat? Ja, dat darf dat! Dat dat dat darf. Da hat wohl jemand nicht genug Unterschriften gesammelt!

Hast Du Dich eigentlich noch nie gefragt, warum die Portalsgasse zwischen dem vermeintlichen Rathausplatz und dem Spanischen Bau Portalsgasse heißt? Oder weißt Du nicht, was eine Gasse ist? Eine Gasse ist eine enge Straße zwischen zwei Gebäuden, Du Aapekopp!

juedische_museum_koel_karte

Die Portalsgasse hat ihren Namen daher, weil man das Portal der wunderschönen Rathauslaube im Renaissancestil eigentlich erst dann sieht, wenn man in die Portalsgasse eingebogen ist! Die Laube wurde in den Jahren 1569–1573 nach den Plänen des Baumeisters Wilhelm Vernukken aus Kalkar am Niederrhein gebaut. Sie wurde als Ersatz für die baufällig gewordene mittelalterliche Vorhalle des Saalbaues geschaffen. Der prächtige Neubau, bei dessen Planung sich Vernukken von dem Architekten und Bildhauer Cornelis Floris de Vriendt aus Antwerpen inspirieren ließ, diente nicht nur der Verschönerung der Westfassade des Rathauses sondern auch praktischem Zweck. Vom Obergeschoss aus verkündete der Rat seine Beschlüsse als sogenannte „Morgenansprachen“. Die Bürger standen auf dem Rathausplatz vor der Laube und dem Bürgerturm. Und jetzt rate mal, was die Bürger, die der “Morgenansprache” lauschten, sahen, wenn sie nach rechts schauten? Einen Platz? Nein, Gebäude! Der ursprüngliche Charakter des vermeintlichen Platzes ist es somit nicht, ein Platz zu sein! Der ursprüngliche Charakter des Ortes ist es, bebaut zu sein!

Die Rathauslaube ist mit Absicht so konzipiert, dass sie ihre Schönheit nur dann voll und ganz entfalten kann, wenn der Platz bebaut ist! Der Betrachter, der durch die engen, verwinkelten Gassen der Altstadt geht, soll erst mit dem Eintritt in die Portalsgasse das bewusst klein gehaltene und dennoch erhaben verzierte Portal des Rathauses entdecken. Durch den Zweiten Weltkrieg jedoch wurde dieser architektonische Sinn zerstört. Einige Jahrzehnte lang war die Rathauslaube schon vom Gülichplatz aus zu sehen. In dieser traurigen Zeit war der Zauber der Laube vollkommen verschwunden. Dies wird sich jetzt aber wieder ändern. Gott sei Dank!

Apropos Gott! Gebaut werden soll dort ein Museum zur ältesten noch heute praktizierten Religion Kölns, was nicht abwegig ist, denn bis ins Spätmittelalter stand das Rathaus an dem Ort, wo die Mitglieder eben dieser Religionen ihr Veedel hatten. Bleibt nur die Frage: Was ist die älteste noch heute praktizierte Religion in Köln?

Das Christentum kann es nicht sein! Als Köln den Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium erhielt, gab es das Christentum mit dem Evangelium schlicht noch nicht. Der Evangelist Lukas schrieb sein Evangelium, da war Colonia schon über 30 Jahre alt.

Colonia wurde als Stadt römischen Rechtes unter den römischen Kaiser Claudius gegründet. In Rom waren Jupiter, Mars, Venus und Diana die angebeteten Götter. Die Dämmerung dieser Götter liegt jedoch schon lange zurück. In Köln wird diese Religion heute nicht mehr praktiziert.

Bevor die Römer den Ort Colonia nannten, lebten dort die Ubier, ein alter Germanenstamm. Sie beteten die Matronen an. Die Matronen waren Muttergottheiten und wurden immer zu dritt dargestellt. Auf vielen Darstellungen halten sie Kinder in ihren Armen oder aber Fruchtkörbe, Schatzkästchen, Brote, Fische oder Schriftrollen. Noch heute ist die Stadt Köln noch bekannt ist für ihre Matronen, zum Beispiel Trude Herr, Hella von Sinnen und Dirk Bach. Sie werden jedoch nicht als Göttinnen angebetet, jedenfalls nicht staatlich sanktioniert. Die Matronenreligion wird in Köln somit auch nicht mehr praktiziert. Welche Religion ist es also?

Die Religion kam mit den Römern nach Köln. Die Religion brachte die Geschichten von Adam und Eva, Noah, Abraham, Sarah, Rebecca und Moses an den Rhein. Es ist das Judentum!

Juden haben die mit Abstand längste Tradition in Köln. Mittelalterliche Urkunden belegen, dass das „domus in quam cives conveniunt“, also das Haus, in dem die Bürger zusammen kommen, im „domus inter judeos sita“ gelegen ist, also im Judenviertel. Das Judentum prägte die Stadt bereits, als noch keine einzige christliche Kirche am Ort stand. Heute kann an dem Ort, wo das Museum entstehen soll, eine Mikwe besichtigt werden, die Kölner Juden bereits nutzten, als das Rathaus selbst noch nicht stand. Das jüdische Ritualbad wurde in einer Zeit gebaut, als noch nicht einmal der Grundstein zum Kölner Dom gelegt worden war. Bei dem Bauwerk dürfte es sich vermutlich um die älteste Mikwe nördlich der Alpen handeln. Diese Mikwe soll Teil des zu errichtenden Jüdischen Museum werden.

Das erste Mal wird eine jüdische Gemeinde in Köln urkundlich im Jahr 321 erwähnt. In dem Jahr hatte Köln gerade erst den ersten geschichtlich bezeugten Bischof: Maternus. In einer Urkunde von 341 ist vermerkt, dass die Synagoge in Köln mit kaiserlichen Privilegien ausgestattet wurde. Die Existenz einer Synagoge lässt davon ausgehen, dass zu dieser Zeit schon eine größere Gemeinde vorhanden war.

Dieser längsten Kölner Tradition soll jetzt endlich an dem Ort der Mikwe ein Jüdisches Museum gewidmet werden und zwar dort, wo jahrhundertelang das jüdische Veedel war, nämlich zwischen Portalsgasse und Judengasse. Judengasse, noch so ein Straßenname, bei dem es hätte klingeln müssen!

Noch deutlicher kann es ein Straßenname nicht machen! Der vermeintliche Rathausplatz war nie ein Platz, sondern ein von Juden bewohntes Gebiet! Über Jahrhunderte hat an der Judengasse in Köln jüdisches Leben stattgefunden. Im Spätmittelalter wurden die Juden dort allerdings vertrieben.

Was spricht dagegen, an dem Ort, wo die älteste Religion Kölns gelebt hat, ein Museum für eben diese Religion zu errichten? Es wird Zeit, dass der Platz endlich wieder das wird, was er über Jahrhunderte war und wieder sein muss: Kein Platz!

Mehr zum Streit um das Jüdische Museum auf den Ruhrbaronen:

Das Phantom-Museum

Bürgerbegehren gegen Jüdisches Museum in Köln: “Steilvorlage für latente Antisemiten”

Köln: Bürgerbegehren gegen das Jüdische Museum?

Köln: Protest gegen das Jüdische Museum

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Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Der Autor des vorzüglichen und auch vergnüglichen Textes unterliegt nur einem, aber entscheidenden Irrtum: Antisemiten lassen sich nicht durch die Wirklichkeit, durch Einsicht bekehren. Täten sie das, wären sie ja keine Antisemiten.

KClemens
KClemens
10 Jahre zuvor

Jetzt mal jenseits von allen „Ismen“.

Hier wird eine Taktik beschrieben, die alle Gruppen anwenden. Mit schwammigen oder auch falschen Behauptungen werden Unterschriften zur Erreichung des jeweiligen Ziels gesammelt.

Wenn da steht, der Rathausplatz solle verschandelt werden, so zieht das schon.

Anderes Beispiel, allerdings weniger ideell aufgeladen. Vor einiger Zeit wurde ich in der Wilmersdorfer Straße (Berlin) angesprochen, doch gegen die Bebauung des Tempelhofer Felds (ehemaliger Flughafen Tempelhof) zu unterschreiben.

Im Begleittext stand, daß das ganze Areal zugebaut werden solle. Ich habe nicht unterschrieben, weil diese Hauptaussage falsch war. Die Pläne sehen eine Randbebauung in Richtung Neukölln vor um dort Wohnungen zu errichten.

Ich habe nicht unterschrieben. Das setzt aber voraus, daß man alle Aspekte zum Thema solcher Aktionen kennt. Gut, ich kannte sie zufällig. Aber viele andere nicht, deshalb gibt es jetzt einen Bürgerentscheid zu diesem Thema.

Frank
Frank
10 Jahre zuvor

Wie stehen denn die Kölner Stadträte bzw. Fraktionen zu dieser antisemitischen Kampagne?

Stefan Laurin
Admin
10 Jahre zuvor

@Frank: Von allen Fraktionen weiß ich es nicht: SPD und Grüne sind für das Museum, die CDU dagegen.

Alreech
Alreech
10 Jahre zuvor

@KClemens
man muss halt kreativ mit den Fakten sein, wenn es um eine gute Sache geht.
In Stuttgart wird ja auch der ganze alte Bahnhof abgerissen und der ganze Stadtpark verwüstet für S21…

Das ein Großteil des Bahnhofsgebäudes stehen bleibt, und das dieses kleine Stück Park niemals für schöne Bäume, sondern für den Schwulenstrich am Planetarium, die Penner am Landespavillon und die Drogendealer am Busbahnhof bekannt gewesen ist wird nicht erwähnt.

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Das ist das Ärgerliche an der Demokratie. Alle dürfen mitmachen, viele machen aber nicht mit, was Strippenzieher begünstigt. Was aber wären die Alternativen? Da gefällt mir keine, also lieber ein paar Volks-, Bürgerentscheide, auch wenn sich der Sinn oft schwer oder nicht erschließen lässt.

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Wie steht denn die Kölner Linke dazu? ich frage deshalb, weil ja in der DDR nach Auflösung der VVN 53 im SED-konformen „Bund antifaschistischer Widerstandskämpfer in der DDR“ Juden nicht aufgenommen wurden, jüdischer Widerstand nicht, der Holocaust nur am Rande erwähnt wurde, Entschädigungszahlungen an Juden abgelehnt, weil diese nicht „Teil der Arbeiterklasse“ waren. Das Verhältnis der NRW-Linken zum jüdischen Staat ist ebenfalls eher von was auch immer geprägt, aber nicht von Sympathie und Unterstützung.

SteLu
SteLu
10 Jahre zuvor

https://mobil.ksta.de/koeln/archaeologische-zone-buergerbegehren-gegen-museumsbau,23742590,24223420.html

laut Kölner Stadtanzeiger haben sich SPD, Grüne, FDP und Linke für das Projekt ausgesprochen.

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