Unter dem Flutlicht, das vom Gebäude des Kölner Hauptbahnhofs den Vorplatz bestrahlt, versammeln sich regelmäßig Kölner Bürger, um auf das Schicksal von Kölnern Bürgern in türkischen Gefängnissen aufmerksam zu machen. Gestern Abend hat die 88. Mahnwache stattgefunden. Die achtundachtzigste!
Auf eine schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Die Linke) erklärte das Auswärtige Amt erst neulich, es habe “aktuell Kenntnis von 61 noch andauernden Inhaftierungen deutscher Staatsangehöriger sowie 58 Ausreisesperren gegenüber deutschen Staatsangehörigen in der Türkei”.
Zu den kürzlich betroffenen Deutschen zählt die ehemalige Kölner Landtagsabgeordnete Hamide Akbayır und der Bochumer Gastronom Mahmud Güneş. Aufgrund der Parallelität der Schicksale als Geisel Ankaras ist dann auch zur Zusammenarbeit zwischen der Menschen aus Bochum und Köln gekommen, die sich für Akbayır und Güneş einsetzen.
Aus der Kölner Initiative „Freiheit für Adil Demirci“ wurde der Verein „Stimmen der Solidarität – Mahnwache Köln e.V.“. Demirci wurde im Frühjahr 2018 für etwas mehr als 10 Monaten im großen Gefängniskomplex der Türkei in Siliviri inhaftiert und konnte erst nach 14 Monaten zurück nach Köln reisen. Über seine Erlebnisse schrieb er ein Buch „Zelle B-28 – Als politische Geisel in Istanbul“. Sein Buch ist zugleich ein Bericht über die Willkür des türkischen Staates, mit politisch Andersdenkenden umzugehen, gibt einen Eindruck über die Zustände im Gefängnis und beschreibt die Solidaritätsbewegungen für die politischen Häftlinge.
Wie wichtig für die Betroffenen diese Solidaritätsbekundungen und der öffentliche Einsatz ist, beschrieb Deniz Yücel, ehemaliger Türkei-Korrespondent der Welt und neugewählter PEN-Präsident, in seinem Nachruf zum Tod von Doğan Akhanlı, der ebenfalls ein prominentes Opfer der türkischen Geiselpolitik gegenüber Deutschland geworden war:
„2017, als ich in türkischer Haft saß, schrieb mir Doğan als Freund einen Brief ins Gefängnis, den ich nur lesen konnte, weil die „taz“ ihn nachdruckte. Darin drückte er seine Hoffnung auf meine baldige Freilassung aus. Denn: „Letztendlich bist du der Staatsbürger eines anderen Landes und unsere türkische Heimat – DAS THEMA IST EINE ANALYSE WERT – schert sich nicht um seine eigenen Bürger.“
So begann die Mahnwache mit einer Gedenkminute für den verstorbenen Kölner Doğan Akhanlı. Die Ruhrbarone berichteten darüber.
Vor den versammelten Unterstützer sprachen die Kinder Merdan Akbayır und Zeliha Güneş. Das waren die bewegendsten Momente. Sie formulierten ihre Gefühle und Sorgen um ihre Mutter, ihren Vater. Zeliha Güneş brach in Tränen aus und kommt ihre Rede nicht mehr beenden.
Die Initiatorin einer Online-Petition für Hamide Akbayır, Charlotte Meyer-Gerards, wies in ihrem Beitrag darauf hin, dass sie Hamide als Kollegin am Institut für Biochemie der Universität zu Köln seit Jahren schätze und sich auch deshalb in ihrem universitären Umfeld für sie einsetze.
Der Bochumer Bundestagsabgeordnete Max Lucks, der sich als ein beeindruckender Redner empfahl, und die Bochumer Stadträtin Anna Di Bari (beide- Die Grünen) verwiesen in ihren Beiträgen auf die gute Zusammenarbeit von Bochumern und Kölnern. Die Unterstützung aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens für die unschuldig Verfolgten Bürger mache Mut und schütze vor dem Vergessen.
Nähere Informationen:
Stimmen der Solidarität