Kollateraleffekte und Infusionskanäle

SPD äußert sich zur Eurokrise

In der Nacht von Sonntag, den 19. Juni, auf Montag, den 20. Juni, streiten die Euro-Finanzminister beim Krisentreffen in Luxemburg über weitere Milliardenhilfen für Griechenland. Man ist sich nicht einig, in wie weit private Gläubiger wie Banken und Versicherungen an dem Hilfspaket beteiligt werden sollen. Freiwillig, versteht sich.

Am Abend zuvor konnten die Deutschen erfahren, was in der verfahrenen Situation zu machen ist. Von der SPD. Sigmar Gabriel, der Parteivorsitzende, und Peer Steinbrück, der voraussichtliche Kanzlerkandidat, meldeten sich per Fernsehinterviews zu Wort. Gabriel in der ZDF-Sendung Berlin direkt, Steinbrück zuvor im ARD-Bericht aus Berlin. Die Linie war offenkundig abgesprochen, allein die Schwerpunkte waren ein wenig anders gesetzt.
Gabriel legte Wert auf den antikapitalistischen Touch, dass die Gläubiger, die über alle Maßen von den hohen Zinsen für die Griechen-Anleihen profitiert hatten, nun auch am Rettungspaket zu beteiligen seien. Und zwar nicht freiwillig, sondern verbindlich. Steinbrück betonte die finanzpolitische Vernunft. Es helfe alles nichts: den Griechen helfe nur ein „echter“ Schuldenschnitt – trotz aller „Kollateraleffekte und Infusionskanäle“.
Griechenland sei nun einmal pleite. Schiebe man den unvermeidlichen Schuldenschnitt immer weiter auf, werde alles nur noch schlimmer. Dass ein Ende mit Schrecken besser sei als ein Schrecken ohne Ende, hat Steinbrück nicht gesagt – aber gemeint. Ein „Macher“, bereit dazu, die harten, auch riskanten, aber eben unvermeidlichen Maßnahmen durchzuziehen. Ein potentieller Kanzler, so recht nach der Deutschen Geschmack.

Eine stimmige Inszenierung. Allerdings ein unverantwortlicher Unfug, wie die beiden Spitzen-Sozialdemokraten vermutlich selbst wissen. So wies Steinbrück darauf hin, dass der Schuldenschnitt so schnell wie möglich erfolgen müsse, weil sonst die „Kollateraleffekte“ eben doch nicht mehr beherrschbar sein könnten. Gabriel mahnte eine entsprechend zügige, verbindliche Bankenbeteiligung an, weil die Privatbanken anernfalls sämtliche griechische Staatsanleihen an öffentliche Institute verkauften.
Die Message: wenn man jetzt noch ganz schnell den Vorschlägen der deutschen Sozialdemokraten folgt, könnte die ganze Sache – gewisse Härten einkalkuliert – noch irgendwie in ein erträgliches Happy End münden. Die Substanz: nicht erkennbar (großzügig betrachtet), nicht vorhanden (faktisch) oder illusionär (nicht zu hoffen).
Selbst wenn sich die Euro-Finanzminister noch in dieser Nacht diese SPD-Vorschläge zu eigen machten (was sie nicht tun werden) und diese in einem Affenzahn umgesetzt würden (wie lange würde dies eigentlich dauern?), wer hinderte eigentlich die privaten Anteilseigner (Banken, Versicherungen, Fonds) daran, die Papiere in kürzester Zeit an – mehrheitlich im öffentlichen Besitz befindliche – Institute zu verkaufen?

Die SPD-Verantwortlichen haben ihrerseits das nachgereicht, was wir von den tatsächlich Verantwortlichen seit Wochen und Monaten gewohnt sind: heiße Luft. Es soll hier gar nicht geleugnet werden, dass diese rote Heißluft den Wählerinnen und Wählern die Sinne etwas wohliger vernebeln könnte als der seit langem aufsteigende schwarze Dampf. Damit könnte es sein Bewenden haben: nette Inszenierung, keine schlechte Idee.
Es könnte aber auch sein, dass diese rote Heißluft genauso verpufft, wie alles andere, was dem besorgten deutschen Michel zur Rettung seiner sauer verdienten Milliarden vor den angeblich faulenzenden Südländern aus dem Mittelmeerraum bislang „angeboten“ wurde. Oder glaubt irgendjemand tatsächlich, dass diese sonntägliche Inszenierung sozialdemokratischer Entschlusskraft auch nur einen einzigen Prozentpunkt in der Sonntagsfrage bringen könnte?
Von Gabriels und Steinbrücks Fernsehinterviews wird in zwei Wochen genauso viel hängengeblieben sein wie von Merkels und Sarkozys vorgestern verkündetem Kompromiss der Freiwilligkeit, nämlich so gut wie nichts. Dafür jedoch versperren sie mit Erklärungen wie diesen der SPD den Weg, in der Bevölkerung um Verständnis zu werben für den Weg, der ohnehin eingeschlagen wird, weil er eingeschlagen werden muss.

So wird – um des vermeintlichen kurzfristigen Vorteils willen – die Chance verspielt, die SPD als gradlinige Alternative des Realismus zu präsentieren. Als Alternative zur Union, die – bevor sie sich zum Unvermeidlichen durchringt – stets einen geradezu grotesken Eiertanz aufführt. Eine Währungsunion muss von einer Wirtschafts- und politischen Union flankiert werden. Peer Steinbrück hat dies in seinem Fernsehinterview in aller Deutlichkeit angesprochen. Was also soll das Gerede über einen „echten“ Schuldenschnitt?

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Frank
13 Jahre zuvor

@Werner Jurga: Die Bundesregierung kann die vermeintlich privaten Gläubiger ganz einfach „beteiligen“: Indem sie einfach nichts tut und die Fälligkeiten der Anleihen verstreichen lässt ohne einem weiteren Rettungspaket zuzustimmen.

Gabriel hat recht: Die hohen Zinsen reflektieren ja nichts anderes als das hohe Ausfallrisiko. Es wäre ganz einfach Marktwirtschaft, diese Rückzahlungen nach Fälligkeit einfach ausfallen zu lassen.

Das Problem ist nur, und da reden anscheinend alle Bundespolitiker entweder ohne Ahnung oder bewusst irreführend, dass viel mehr öffentliche als private Banken hier im Feuer stehen. Und ich frage mich, wie man gezielt private aber nicht öffentliche Banken „beteiligen“ will, ohne Regeln und Gesetze zu verletzen.

Außerdem frage ich mich, warum man den Banken hohe Zinseinnahmen vorwirft, wenn man sie vorher aufgefordert hat, griechische Anleihen zu zeichnen und zu halten.

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

Wer zwingt eigentlich die öffentlichen Banken den privaten Banken und Anlegern ihre griechischen Anleihen abzukaufen, wenn diese sie plötzlich loswerden wollen? Gäbe es diesen Automatismus, dann wäre das schlechte Rating der Agenturen vollkommen unbegründet, da dadurch die Anleihen ja abgesichert wären und das Risiko, mit dem das schlechte Rating begründet wird, dann gar nicht existiert.

Katharina
Katharina
13 Jahre zuvor

1. Wenn die Wirtschaft, Banken und Unternehmen das Sagen haben und Politik
machen, können wir uns dann die Politiker und das ganze Wahlgedöns sparen.
Politiker kosten dem Steuerzahler viel Geld, nicht nur die aktuellen Bezüge, auch die Renten usw..Wahlen kosten dem Steuerzahler viel Geld.

2. Gibt es in Deutschland noch das Verursacher-Prinzip?
Wer die Krise, die Katastrophe verursacht, zahlt.
(Banken und Atomlobby ausgeschlossen, da dürfen die kleinen Leute es richten)

3. Die Griechen sind selbst schuld, deswegen kriegen sie keine Hilfe, sie haben es nicht verdient.
Ja, sie haben gepfuscht. Aber wer? Die Politiker oder die kleinen Leute, die heute für die Krise büßen müssen.
Mal kurz ´ne Frage: „Wer war für den 2. Weltkrieg verantwortlich und hat Millionen Menschen getötet – und nicht nur auf dem Schlachtfeld?“
Haben wir Deutschen den „Marshallplan“ verdient? Nein, sicher nicht.
Und trotzdem gab es diese Hilfe für uns.

4. Es wird heute so getan, als ginge es NUR um´s Geld in EUROPA, für EUROPA.
Wieviel ist Europa eigentlich wert, wenn wir bei der erstbesten Krise ein Mitglied rauswerfen, fallenlassen. Nichts! Wer ist der Nächste? Spanien, Italien,Portugal?
Dann war EUROPA ein kurzes Intermezzo!!! Schade, schade, schade.
Schade um die IDEE eines vereinten EUROPAS. Soll den Bach runter gehen, nur
weil irgendwelche Finanz-und Geldjongliere den Hals nicht vollkriegen.

Mußte das mal loswerden. Bei Ruhrbarone darf man das. DANKE

Gruß Katharina

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

@Werner:

Du meinst also die öffentlichen Banken müssen gar nicht, es sei denn, die Preise fallen unter einen gewissen Preis, bei dem man einfach kaufen muss, selbst wenn man dann gem. Steinbrück und Schäuble dafür belangt werden soll?

Und die privaten Banken sind dann gleichzeitig froh, die Papiere wg. Steinbrück und Schäuble überhaupt loszuwerden, egal zu welchem Preis?

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

@Werner: wenn man eine Situation schaffen würde, die dazu führt, dass die privaten Institute ihre griechischen Anleihen an öffentliche Banken (unter Preis) verkaufen würden, hätte man Griechenland bereits vor die Wand gefahren. Dazu gehört in meinen Augen letztlich auch die angesprochene Beteiligung der privaten Anleger, wenn sie substanziell sein soll.

Der einzige vernünftige Weg der Beteiligung privater Anleger an den Kosten wäre über Steuern, z.B. In Form einer allgemeinen Transaktionssteuer, weil die dann nicht unmittelbar im Zusammenhang mit den Anleihen steht.

Jan
Jan
13 Jahre zuvor

@4 Katharina
zu1
Die Politik macht die Spielregeln – und zwar vor dem Spiel. Vor allem dann, wenn sie selber mitspielt.
In diesem Fall haben sowohl Staaten (inkl. der von ihnen kontrollierten Banken) als auch private Banken Griechenland Geld geliehen und haben nach den geltenden Regeln einen Anspruch darauf, das auch zurückzukriegen.
Der nächste große Fälligkeitstermin ist Mitte Juli und da werden vor allem eher ältere Schulden zurückzuzahlen sein (bei überwiegend privaten Gläubigern). Wenn öffentliche Kassen hier freiwillig Geld an Griechenland verleihen, damit die dortige Regierung zahlen kann, wird die Struktur der griechischen Staatsverschuldung sich deutlich verändern. Wenn die Regierungen Europas diese Veränderung nicht wollen, dürfen sie auch keine Tranche überweisen.

zu2
Wer ist denn in diesem Fall Verursacher der Griechenlandkrise?
Banken, die Griechenland in der Vergangenheit Geld geliehen haben? Nun, viele Banken lassen mittlerweile die Finger von GR – die Politik sieht das nicht unbedingt als Verbesserung. Ist es nicht eher die griechische Regierung (aktuelle + Vorgänger)?

zu3
„Die Griechen“ ist natürlich viel zu pauschal. Die Bonität des kleinen Mannes hat sich in den Bereichen, die unabhängig von einer Staatswirtschaft ist, die lange Zeit zu verschwenderisch war, nicht wesentlich verschlechtert.

zu4
Griechenland bleibt ein Teil Europas. Eine tektonisch Abtrennung vom Kontinent ist technisch sehr aufwendig und nach dem derzeitigen Forschungsstand nicht möglich. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union bleibt bestehen, solange die Beiträge gezahlt werden, und wäre sicher auch mit einer großzügigen Stundungsregelung zu rechnen. Der Euro ist eine recht harte Währung – hier muss Griechenland entscheiden, ob es künftig mit einer weichen Währung besser fahren würde. Die Schulden bleiben selbstverständlich in Euro und auch als Schwarzmarktwährung bliebe die Gemeinschaftswährung selbst bei einer Drachmeneinführung auf jeden Fall erhalten. Ein griechischer Abschied von Europa steht also nicht an.

Thomas
Thomas
13 Jahre zuvor

https://ml.spiegel.de/article.do?id=769052

mal eine ganz andere Sichtweise auf die Griechenlandkrise. Vielleicht sollte man sich einmal ausmalen, wie Deutschland heute aussehen würde und was das für die Spätgeborenen heute bedeuten würde, wenn in den USA usw. eine Angie Merkle über das damalige Deutschland und den Umgang mit dessen exorbitanten Schulden zu entscheiden gehabt hätte. Den Begriff Exportweltmeister würde es wohl gar nicht geben und die DDR wäre im Vergleich zur alten BRD wahrscheinlich ein wohlhabendes Land gewesen.

Die Schulden, die Griechenland insgesamt hat, sind nur ein Bruchtteil dessen, was wir in den vergangenen Jahren so ganz nebenbei in die neuen Bundesländer überwiesen haben. Auf die europäische Ebene übertragen ist ein Schuldenschnitt problemlos zu bezahlen, da hier noch viele andere Länder mithelfen können. Anstatt gegen die Griechen zu hetzen sollten Merkel und Co genau dafür werben.

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