Köln-Unglück: Keiner ists gewesen

Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute ausführlich auf einer ganzen Seite über Vorwarnungen, die es bereits im Vorjahr zum Kölner U-Bahnbau, der Anfang dieses Monats den Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit zwei Todesopfern nach sich zog, gegeben hat.

Am 30. September habe das Aachener Hochschulinstitut für "Geotechnik im Bauwesen" eine 84-seitige Studie vorgelegt, die vor einem "hydraulischen Grundbruch" gewarnt habe. Die NRW-Ingenieurkammer Bau wird dahingehend zitiert, dass die Ausschreibung der U-Bahn-Bauarbeiten nach dem "Geiz ist geil"-Prinzip ausschliesslich über das Kriterium niedrigster Preis erfolgt sei.

Hinterher ist man natürlich immer schlauer. Es bleibt die Frage, warum solche wichtigen Warnungen nicht vor dem Unglück öffentlich wurden. Hier fällt auf, dass sich dafür niemand verantwortlich fühlt. Die Baufirmen schweigen, alles andere kann für sie sehr teuer werden. Die Kölner Verkehrsbetriebe wollen es nicht gewesen sein und schieben es auf die Baufirmen. Die Stadt Köln nicht, sie schiebt es auf ihre Verkehrsbetriebe. OB Schramma (CDU) auch nicht, der hat ein Alibi, war in Österreich. Der kommunalaufsichtführende Regierungspräsident (heute Lindlar-CDU, davor Roters-SPD und jetzt rotgrüner OB-Kandidat) schiebt alles auf die Stadt. Der Stadtrat fand sich in seiner letzten Sitzung in Trauer vereint, aber war zu politischen Konsequenzen – verständlicherweise? – nicht in der Lage. Bund und Land, die U-Bahnbau üblicherweise zu 90% finanzieren, haben selbstverständlich überhaupt gar nichts mit all dem zu tun. Was geht sie Köln an? Mit ein paar Ressentiments zu Klüngel und Karneval hat man sich da schnell rausgeredet.

Genau dieses Szenario einer anscheinend unauffindbaren Verantwortung ist es, das die Menschen in Köln in einen stimmlosen Wahnsinn treibt. Es braut sich ein Volkszorn zusammen, der kein Ventil und keine politische Artikulation hat. Das kann bei der Kommunalwahl, wann immer sie stattfinden wird (aktueller Stand: 30.8.), zu einem unausrechenbaren Unwetter führen. Die Angst davor ist es, die das Handeln der Kölner Akteure dominiert.

 

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Thomas Nückel
Thomas Nückel
15 Jahre zuvor

Bitte auf Formulierungen, wie „es braut sich ein Volkszorn zusammen“ verzichten.
Mein Eindruck in den letzten Tagen in Köln: Die Kölner reißen schon jetzt erste Witze. Die rheinische Gelassenheit legt sich bereits wie eine neue Staubschicht des Vergessens über das Unglück. Von „Menschen, die in stimmlosen Wahnsinn getrieben wurden“, eher keine Spur. Dazu müßte schon die Türme des Kölner Doms…

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