Kölner Unglück: Fragen an deutsche Ingenieurskunst, Medien und Politiker-Parallelgesellschaften

Nach wie vor werden Menschen vermisst. Drei Hunde sollen an der gleichen Stelle des Schuttberges angeschlagen haben. Doch mit Rettungsarbeiten kann erst morgen begonnen werden. Man weiss nicht, wo man in der eng bebauten Kölner Südstadt die großen Kräne hinstellen soll, wo der abgeräumte Schutt zwischengelagert werden kann, wie LKWs und anderes Großgerät manövriert werden sollen.

Nach wie vor fürchtet man einstürzende Nachbargebäude und hofft, dass niemand in dem Schutt liegt, weil wenn, dann sei die Überlebenschance nahe 0.

Liebe deutsche Ingenieure: haben wir kein Kleingerät, um bedrohte Menschen auszubuddeln? Wie haben das unsere Großeltern eigentlich nach 1945 gemacht? Die hatten auch keine Großkräne und LKWs, nur die Superglücklichen hatten überhaupt ein Fahrrad. Ist es Blödsinn das zu fragen?

Deutsche Medien: wie müssen es die Angehörigen der Vermissten wohl empfinden, wenn ihr die vielen Betonmischer bewundert, die jetzt seit 24 Stunden und noch weitere 12 Stunden instabile Löcher verfüllen, während man mit der Rettung der Vermissten immer noch nicht beginnt (beginnen kann?)? Wie müssen es die Angehörigen empfinden, wenn jetzt über den Versicherungswert der zerstörten Kulturgüter spekuliert wird. Die Spekulationsspannbreite reicht derzeit von 60 bis 400 Mio. Euro – der Hinterbliebene des Althaus-Skiunfall-Opfers, nur mal so zum Vergleich, bekam großzügige 5.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Das sind doch mal Maßstäbe, oder? (österreichische allerdings)

Deutsche Politiker: Wie immer schiesst einer von Euch, der Kölner Oberbürgermeister Schramma den Vogel ab. Ihm ist jetzt ein Licht aufgegangen, nämlich dass U-Bahn-Bau in dicht bebauten Städten eigentlich heutzutage nicht mehr zu verantworten sei. Neben ihm sitzt bei anderer Interviewgelegenheit der Sprecher seiner Verkehrsbetriebe und erklärt ebenso wortreich, dass an einen Baustopp nicht zu denken sei, das sei auch für die Sicherheit kontraproduktiv. Ist das nicht beruhigend? Ein Investment, das von gut 600 Mio. auf über eine Mrd. Euro gestiegen und damit immer noch nicht fertig ist, das mögen die Herren, die hier mit unserem Steuergeld hantieren, eben nicht gerne so einfach aufgeben.

Wäre es vielleicht besser gewesen, wenn das Gerücht von den 30 Opfern stehengeblieben wäre? Hätte es dann andere Prioritäten gegeben? Hätte das die zwei oder drei Vermissten vielleicht retten können? Darf man das fragen? Ich lasse mich gerne belehren.

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Blond
Blond
15 Jahre zuvor

Wieso Vermisste retten?
Oben steht’s doch schon:
60 bis 400 Mio.
zu
5000
– da sind doch die Prioritäten klar!
Oder?

Michael Stein
15 Jahre zuvor

Wo, außer hier, wurde denn bitte der Wert von Menschenleben und der von Kulturgütern gegeneinander aufgerechnet? Nicht einmal bei RTL. Kann man nicht feststellen, daß in Köln ZWEI Tragödien geschehen sind, eine menschliche und eine materiell-kulturelle?!

Martin Böttger
Martin Böttger
15 Jahre zuvor

zu Michael Stein: natürlich sind das viele Tragödien auf einmal. Mir geht es darum, wie auf sie reagiert wird. Die Stadt Köln und die Provinzial-Versicherung streiten bereits um die Versicherungsdeckung, während es noch um die Rettung von Menschenleben geht. Wer bei letzterem nicht mithelfen kann, sollte vielleicht erst mal den Atem anhalten, meine ich. Aber das ist natürlich naiv.

Blond
Blond
15 Jahre zuvor

Kann man in einem Land,
wo jahrelang um eine (kleine) Erhöhung von Kindergeld gestritten wird,
es aber nur Wochen zur Einigung auf Hunderte-Milliarden-Hilfe für Finanzsysteme braucht,
wo Steuerhinterziehung stärker in Ächtung steht als Gewalt-Vergehen gegen Menschen,
erwarten, dass die Rettung von eventuell Verschütteten genau so von Belang ist wie die finanziellen und eventuell politischen Sorgen?

Lukas
15 Jahre zuvor

Als unsere Großeltern 1945 mit bloßen Händen in den Trümmerbergen gewühlt haben, sind vermutlich noch etliche Menschen bei diesen hilflosen Rettungsaktionen verschüttet worden.

Von daher finde ich es richtig, dass eben nicht – wie so oft behauptet – „fieberhaft“ nach Überlebenden gesucht wird, sondern besonnen. Noch mehr Opfer braucht’s ja auch nicht.

Mit-Leser
Mit-Leser
15 Jahre zuvor

Feuerwehr & Co haben eine klare Einsatzregel: Eigenschutz geht vor. Und dies ist auch richtig. Niemand hat etwas davon, wenn sich die Rettungskräfte selbst in Gefahr bringen. Wir sind ja nicht um einen neuen Bruce Willis-Film, sondern in der Realität.

Ich fühle aber natürlich auch mit den Vermissten. Ihr Schicksal ist schrecklich. Ich hoffe, dass sie noch eine Chance haben.

Über die Stadt Köln brauchen wir nicht reden: Erst prügelt Schramma den sinnlosen U-Bahn-Bau gegen alle Widerstände durch – und jetzt spielt er sich als Kritiker auf. Ekelhaft. Der Bau wurde ihm schließlich nicht aufgezwungen. Er wollte die Verbindung – um jeden Preis.

Nobby
Nobby
15 Jahre zuvor

Lieber Mit-Leser. U-Bahn sind nicht generell sinnlos. Besonders nicht in Städten in der Größenordnung von Köln und Dusseldorf. Wenn du schon nach sinnlosen U-Bahn-Bauten suchst, so solltest du mit einer der beiden Straßenbahnlinien durch den Ruhrtunnel fahren. Der wurde einst gebaut als ein Teilstück der Stadtbahnstrecke von Duisburg nach Dortmund und dient Heute erleine dem Örtlichen Verkehr

Da fragt man sich schon seit langen, ob es nur darum ging, das unter der Ruhr ein Tunnel ist.

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