Die Kosten des deutschen Sozialsystems explodieren, in nicht einmal sechs Wochen ist Bundestagswahl und die politische Landschaft überbietet sich mit neuen Finanzierungsideen. Eine davon sind Sozialabgaben und gegebenenfalls mehr Steuern auf Kapitalerträge, jenseits der Abgeltungssteuer. Darüber können wir reden. Aber bitte ehrlich. Die von Robert Habeck ins Spiel gebrachte Reform ist eines nämlich auf keinen Fall: Ehrlich. Und um Fairness geht es auch nicht.
Halten wir kurz den Status Quo fest:
Deutschland hat die höchsten Steuer- und Sozialabgaben der Welt.
Deutschland hat jedes Jahr aufs neue Rekordsteuereinnahmen.
Die prognostizierten Steuereinnahmen der Bundesrepublik steigen in den kommenden Jahren weiter an.
Deutschland hat nach Portugal auch noch die höchsten Unternehmenssteuersätze.
Und das Geld reicht nicht.
Nun ist eine neue Einnahmequelle gefunden, die Kapitalerträge. Verkauft wird die Notwendigkeit mit einer gefühlten Fairness. Die absurde Besteuerung von Einkommen müsse um eine ebenso absurde Kapitalertragsbesteuerung ergänzt werden.
Deutschland hat kein Einnahmenproblem, wir haben ein Ausgabenproblem. Der Staat ist gierig und maßlos. Ein maßloser Staat wird niemals genug Geld haben.
Erhöbe man Abgaben auf Kapitalerträge, um zeitgleich zuzusichern, dass die Belastung der Arbeitseinkommen gesenkt wird, sagen wir auf verbindlich nie über 35 % insgesamt, dann könnte man von Fairness sprechen. Nutzte man das Geld und hielte gesetzlich fest, dass die Staatsausgaben für jeden zusätzlichen Euro an Steuern und 2 Euro gesenkt werden, dann hätte das auch etwas von Fairness. Aber das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist einen Schuldigen zu benennen und eine Hexe zu haben. „Die Kapitalbesitzer“. Und die müssen jetzt ganz dringend auf den Scheiterhaufen.
Und das alles, weil nämlich staatliche Verantwortliche immer eine Aussage scheuen: Der maßlose Staat muss zurückgefahren werden.
Die Bürgerinnen und Bürger verdienen nicht zu wenig, der Staat nimmt durch direkte und indirekte Steuern und Abgaben selbst bei geringen Einkommen so viel weg und treibt Preise in solch einer Form, dass es nicht zum Leben reicht .
Ich wage eine provokante These: wir könnten 90 % Abgabenlast auf alle Einkommen haben, Erbschaftssteuern und Schenkungsverbote.
Der Staat hätte zu wenig Geld. Es ist ein Systemproblem.
Also ja, reden wir über faire Belastungen, über Staatsausgaben und Finanzierung.
Aber nicht so. Wir brauchen keine weitere Hexe.