Prekarität betrifft uns alle, von Geld und Unsicherheit reden Kreative trotzdem nicht gerne. Aber warum eigentlich nicht? Von Unserem Gastautor Christian Werthschulte.
Neulich bei neoParadise: Joko und Klaas, die beiden Posterboys öffentlich-rechtlicher Jugendlichkeit, werden von ihrer Produktionscrew zum Frieren an einen Berliner See geschickt. Nach einer Weile hat Joko die Nase voll und schlägt zurück. Er beschießt seine Filmcrew mit einer Supersoaker, das Bild friert ein und unter dem Kameraassistenten erscheint der Untertitel „mies bezahlter Kulturheini“. Danke Fernsehen, mal wieder ein Klischee reproduziert.
Unterbezahlt, aber glücklich — so denkt nicht nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen über diejenigen, die ihr Geld im Mediensektor oder in einem dieser anderen Berufe verdienen, die man seit gut 15 Jahren als „Kreativwirtschaft“ bündelt. Die Zahlen sind jedenfalls eindeutig — wer als „Kreativer“ sein Geld verdienen möchte, hat am besten schon geerbt. In der Popmusik ist es bereits soweit: Im Dezember 2010 hatten 60% aller britischen Charts-MusikerInnen eine Privatschulausbildung hinter sich. Für „Working Class Heroes“ und „Common People“ ist dort kein Platz mehr.
Gottseidank nicht in England?
Dafür interessieren sollte man sich, weil Fragen von Kreativwirtschaft und Prekarität schon lange diskutiert wurden, als im Vorfeld von Ruhr2010 aus den Reihen der Kreativwirtschaftsweisen regelmäßig der Satz „In Großbritannien ist man schon viel weiter“ zu hören war. Seit Mitte der Neunziger hatten sich die britischen Regierungen dazu entschlossen, Branchen wie Film- und Fernsehproduktion, die Musikindustrie, Design, Museen oder den zum „Heritage“ unbenannten Denkmalschutz unter dem Sammelbegriff der „Creative Industries“ zu fassen. Damit ging ein staatliches Subventionsprogramm einher. Alte Industriebauten wurden mit öffentlichen Geldern zu Loft-Landschaften umgebaut, deren Mieten letztendlich kaum von „Kreativen“ bezahlt werden konnte. Diesen Teil der Geschichte kennt man, er hat sich als Farce hier im Ruhrgebiet in den letzten Jahren wiederholt.
Weniger bekannt ist aber, dass die staatliche Initative von Beginn an durch eine Reihe von ForscherInnen kritisch begleitet wurde und sich die Heilsversprechen der „Creative Industries“ schon als Luftblase entpuppt hatten, bevor sie auf den Schreibtischen hiesiger Verwaltungsbeamter landeten. Die Investitionen zeigten in den meisten Fällen nicht den gewünschten Arbeitsplatzeffekt. In der ehemaligen Industriestadt Manchester, die die eigene Popvergangenheit touristisch ausschlachtet und mit Granada Television über einen großen Arbeitgeber im Bereich Fernsehen verfügt, arbeiteten auf dem Höhepunkt des Booms in den Creative Industries um die Jahrtausendwende lediglich 2 Prozent aller Beschäftigten in diesem Bereich.
Wer daraus aber folgert, dass die Creative Industries lediglich ein Hype ohne ökonomische Substanz gewesen sind und man das Geld besser einfach in andere Wirtschaftszweige investiert hätte, dem entgeht die entscheidende Pointe. Es arbeiten zwar nicht viele Menschen in den Creative Industries, aber es arbeiten mehr Menschen wie in den Creative Industries.
Wir sind die Creatives von morgen.
KünstlerInnen, DesignerInnen, MusikerInnen, AutorInnen — nennen wir sie der Einfachheit halber KreativarbeiterInnen — verhalten sich aus einer (neo-)klassischen Sichtweise ökonomisch ineffizient. Egal ob im Theaterbetrieb oder als Redaktionsassistentin — viele KreativarbeiterInnen nehmen in Kauf von ihrem Beruf nicht leben zu können und ihre Kunst mit Nebenjobs oder dem Bezug von Transferleistungen inklusive amtlicher Gängelung querzusubventionieren, anstatt in eine Branche mit besseren Verdienstmöglichkeiten zu wechseln. Der niederländische KünstlerInnen und Soziologe Hans Abbing ist jedoch in seiner Untersuchung Why are artists poor? zu dem Schluss gekommen, dass dieses Verhalten nicht per se unökonomisch ist, sondern lediglich einer anderen ökonomischen Logik — der des Kunstmarkts — folgt.
KünstlerInnen, so Abbing, dürfen sich um Geld keine Gedanken machen. So sehen es die Regeln des Kunstmarkts vor. Kunst lebt von dem Mythos, dass sie autonom ist und — im Idealfall — auch noch die einzigartige Sichtweise der KünstlerInnenpersönlichkeit authentisch verkörpert. Andy Warhol, seit Jahren einer der konstanten Bestseller auf dem Kunstmarkt, verkörpert dieses Prinzip vielleicht am deutlichsten. Gleichzeitig steckt darin jedoch auch ein Versprechen. Wer sich entscheidet Kunst zu produzieren, tut das ja auch, um etwas ‚Sinnvolles‘ zu tun oder weil man einfach keine Lust auf die stumpfsinnige Routine eines anderen Berufs hat. Wie attraktiv dieses Versprechen ist, sieht man an den konstant hohen Bewerbungsquoten von Kunst- oder Designstudiengängen. Das Ideal einer ‚autonomen Kunst‘ verschleiert jedoch reale Hindernisse beim Zugang zum Kunstmarkt. Eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit hilft hier ebenso wie gute Kontakte zu JournalistInnen, GaleristInnen, SammlerInnen oder anderen Mäzenen. Soweit, so bekannt. Interessant ist jedoch die ambivalente Rolle öffentlicher Kulturförderung, die einerseits die Ideologie der Autonomie von Kunst fortschreibt, andererseits damit jedoch auch einen Rahmen für die Kunst festsetzt, die als ‚förderungswürdig‘ gilt. Die Frankfurter Künstler und Experimentalmusiker Kacheltisch haben ihre eigenen Erfahrungen in der neuen Ausgabe der Testcard folgendermaßen zusammengefasst:
Wir finanzieren unsere Arbeiten durch angepasste Projektbeschreibungen auch aus Töpfen der Integrationsförderung. Künstlerische Produktion wird zum U-Boot-Projekt in den noch verbleibenden Strukturen sozialstaatlicher Breitenförderung. Das heißt: Unser Konzept zur Intervention bei der Bahnhofsviertelnacht Frankfurt wird so formuliert, dass es gut in das Förderportfolio des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten passt. Oder Performances werden durch Vorträge eventisiert, um diese so für Ämter und ASTen ansprechender zu gestalten. Künstlerische Poduktion besteht heute eher im richtigen Ausfüllen von Antragsformularen statt in ästhetischer Arbeit. Situativ angepasste Selbstvermarktung wird auf die Spitze getrieben. Die Fähigkeit, Zielvorgaben der jeweiligen Förderrichtlinien in eigene Konzepte zu integrieren, um diese überhaupt realisierbar zu machen, verändert künstlerische Arbeit.
Diesen Mechanismus kennt man eigentlich aus anderen kreativen Berufen. ArchitektInnen arbeiten in der Regel auftragsgebunden und werden erst als ‚autonome‘ KünstlerInnen wahrgenommen, wenn sie sich über kommerzielle Erfolge einen solchen Ruf erarbeitet haben, dass ihre Produkte nicht mehr als rein funktional wahrgenommen werden, sondern einen repräsentativen Mehrwert erzielen. Frank Gehry-Bauten stellt man nicht ohne Hintergedanken in die eigene Stadt, sondern um den Tourismus anzukurbeln.
Für KreativarbeiterInnen hat ‚Autonomie‘ also eine doppelte Funktion. Zum einen muss sie erfolgreich performt werden, damit man überhaupt Zugang zum künstlerischen oder kreativen Feld erhält. Wer nimmt schon einen Architekturstudenten ernst, dessen Traum es ist, ein präsidiales Einfamilienhaus zu bauen anstatt seiner persönlichen Vorstellung von Architektur zu folgen? Zum anderen ist ‚Autonomie‘ die Belohnung für marktkonformes Verhalten in diesem Feld. Das Versprechen der Autonomie funktioniert dabei als Anreiz, Unterbezahlung in Kauf zu nehmen. Der britische Kulturwissenschaftler David Hesmondhalgh hat ausgiebig über die Arbeitsbedingungen in kreativen Berufen geforscht und kommt zu folgendem Schluss:
Die Bereitschaft zur ‚Selbst-Ausbeutung‘ und die damit verbundenen Problem ergeben sich daher, dass die Arbeitnehmer im kulturellen Feld den kompetitiven Individualismus moderner neo-liberaler Gesellschaften verinnerlicht haben. Gleichzeitig ist die Macht der Gewerkschaften, die eigentlich ihre Rechte als Arbeitnehmer vertreten sollten, in diesem Feld drastisch zurückgedrängt worden.
Der Medienwissenschaftler Chuck Kleinhans hat für die USA einmal festgehalten, wie sich die Arbeitsmarktlage im Mediensektor seit der letzten Rezession entwickelt hat. Seit 2007 sind gut 10% der Stellen abgebaut worden, teilweise sind diese Jobs verloren gegangen, teilweise wurden sie outgesourct. Bei den ‚kreativen‘ Jobs hat jedoch eine anderer Trend stattgefunden: Aus festen Stellen werden Zeit- oder Honorarverträge. Damit verlagern sich nicht nur die Kosten für Alters- und Gesundheitsvorsorge auf die ArbeitnehmerInnen, sondern sie befinden sich auch in einer Lage, wo sie unmittelbarer den Zwängen des Marktes ausgesetzt sind als z.B. durch Tarifrecht geschützte ArbeitnehmerInnen. Die formelle ‚Autonomie‘ hat einen höheren Anpassungsdruck zur Folge, der sich in sinkenden Löhnen, der allmählichen Auflösung der Trennung von Arbeit und Freizeit sowie der Fortbildung auf eigene Kosten niederschlägt. Diese Form ökonomischer Prekarität produziert jedoch auch Gewinner: die von Sozialversicherungs- und Fortbildungskosten befreiten ArbeitgeberInnen, die von einer gesteigerten Produktivität profitieren.
KünstlerInnen, DesignerInnen und andere Kreative sind mit ihrer Prekarität nicht alleine. Pierre Bourdieu, der den Begriff der „Prekarität“ erst geprägt hat, beschreibt das Phänomen folgendermaßen:
Die Existenz einer beträchtlichen Reservearmee, die man aufgrund der Überproduktion von Diplomen längst nicht mehr nur auf den Qualifikationsebenen findet, flößt jedem Arbeitnehmer das Gefühl ein, daß er keineswegs unersetzbar ist und seine Arbeit, seine Stelle gewisser Maßen ein Privileg darstellt, freilich ein zerbrechliches und bedrohtes Privileg (…). Die objektive Unsicherheit bewirkt eine allgemeine subjektive Unsicherheit, welche heutzutage mitten in einer hochentwickelten Volkswirtschaft sämtliche Arbeitnehmer, einschließlich derjenigen unter ihnen in Mitleidenschaft zieht, die gar nicht oder noch nicht direkt von ihr betroffen sind.
Auch wenn die psychischen und medizinischen Folgen dieser Unsicherheit erst langsam erforscht werden, sollte deutlich geworden sein, dass Prekarität die Beschreibung eines gesellschaftlichen Zustands ist, der nicht alleine mit zahlenmäßig dann doch recht kleinen Gruppe der KreativarbeiterInnen assoziiert werden kann. Bei allen Unterschieden im Ausmaß der Prekarität vereint dies jedoch die Reinigungskraft und diejenigen, die in den Büros arbeiten, die sie reinigt. Aber das sind nicht alle Parallelen. Denn der hohe Anteil an affektiver und emotionaler Arbeit, den man der Kreativarbeit zuschreibt, findet man im Kranken- oder Altenpflegebereich schon lange. Den KreativarbeiterInnen wird aber eine spezifische Rolle zugeschrieben. Ebenso wie die klassischen KünstlerInnen sollen sie Vorboten des Neuen sein — in diesem Fall die Vorboten neuer Arbeitsformen. Wir, die restlichen ArbeitnehmerInnen, werden so zu den KreativarbeiterInnen von morgen.
Wie genau aber sieht diese spezifische Form von Kreativarbeit aus? Diedrich Diederichsen, als beobachtender Teilnehmer vielleicht ganz gut als Kronzeuge geeignet, schreibt dazu folgendes:
Das Können und Wissen der Kreativökonomie wird weniger als ein erworbenes, objektivierbares Ausbildungswissen verstanden als ein unmittelbar mit der Persönlichkeit verbundenes und in ihr lokalisierbares Lebenswissen in eigener Sache. Man kann darum nicht stolz im Sinne eines Leistungsdenkens auf dieses Können sein, sondern kann sich allenfalls narzisstisch mit diesem Können identifizieren — oder aber auch angstbesetzt, in Panik vor dessen lebensbedrohlichem Verschwinden.
Das ist kein unwichtiger Punkt — mit Logic Audio umgehen können reicht nicht, um als Musiker erfolgreich zu sein — das kann schließlich auch Dieter Bohlen. Stattdessen geht es darum, bestimmte (sub)kulturelle Codes zu kennen und zu manipulieren, die aber mittlerweile stärker auf den Körper selbst eingeschrieben sind. Nur ein Beispiel: Als ab Mitter der Neunziger Jahre Judith Butlers Ideen über die Performativität von Geschlechtlichkeit in Deutschland zirkulierten, wurden sie schnell popkulturell zitiert, ohne jedoch von den Zitierenden selbst in irgendeiner Form verkörpert zu werden. Bei Lady Gaga, auf die sich sowohl Teenies und Pop-Intelligenz einigen können, ist dieses Wissen um die Performativität dann am Körper angekommen. Diese Verkörperlichung einer Arbeitsidentität macht selbst vor den technisch-kreativen Jobs nicht halt. Auch von Software-DesignerInnen wird mittlerweile erwartet, dass sie das Muskelgedächtnis technisch unerfahrener Computernutzer quasi verinnerlicht haben müssen, um ihre Programme entsprechend zu gestalten.
Was tun? – Brennende Fragen und keine Bewegung
2003 protestierten die französischen „Intermittents“, mit Zeitverträgen oder auf Honorarbasis beschäftigte KreativarbeiterInnen, mit Streikaktionen gegen eine Reform der Arbeitslosensicherung, die sie gegenüber regulär Angestellten schlechter gestellt hätte — und waren erfolgreich. Das Theaterfestival von Avignon musste wegen streikender Bühnenarbeiter abgesagt werden und bei Demonstrationen kamen bis zu 4000 Menschen zusammen. „Was wir verteidigen, verteidigen wir für alle“ lautete ein Slogan der „Intermittents“, schließlich ist Prekarität eine gesellschaftliche Grundlage. Aber genau hier zeigen sich auch die Schwierigkeiten, KreativarbeiterInnen zu einem gemeinsamen politischen Handeln zu bewegen. Die „Intermittents“ organisierten ihre Aktionen zwar unabhängig von den großen Gewerkschaften, aber dennoch mit dem Bewusstsein, dass sie als KreativarbeiterInnen genau die gleichen Rechte wahrnehmen sollten wie dies andere ArbeitnehmerInnen tun. Damit blieben sie aber weitgehend alleine. Weder die post-operaistische Idee der „Multitude“ noch der Aufruf des Ökonomen Guy Standing, dass die Linke das „Prekariat“ in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zur rücken habe, erfuhren eine größere Resonanz. Die standartisierte Weg mit der eigenen Prekarität umzugehen ist weiterhin der von Katja Kullmann. Die Journalistin hat mit Echtleben ein Buch über ihre Zeit auf Hartz IV geschrieben, öffentlich ihr früheres politisches Desinteresse bereut und sich damit wieder als Autorin ins Gespräch gebracht. Wenn man gerade kein Projekt hat, was einen finanziert, macht man halt sich selbst und sein Elend zum Projekt — genau so wie man es verinnerlicht hat.
Vielleicht erklärt dieses Verhalten so auch die leichte Resignation unter WissenschaftlerInnen, wenn man sie auf das politische Bewusstsein der KreativarbeiterInnenInnen anspricht. „Ich bin da pessimistisch — wie soll man sich auch engagieren, wenn man eh schon vier verschiedene Jobs jongliert? Vielleicht muss man deshalb eher nach informellen Formen von Unterstützung suchen, z.B. wenn sich Leute einfach untereinander helfen“, meint Angela McRobbie, die über die Arbeitsverhältnisse in der Londoner Mode- und Designszene geforscht hat. Im Zuge der Studentenproteste vom Herbst 2010 kam es dort jedoch zu neuen Formen der Selbstorganisation. Gruppen wie das Carrotworkers‘ Collective oder die Precarious Workers Brigade suchen nach Wegen, um praktische Selbsthilfe mit politischer Organisation zu verbinden.
Trotzdem, die KreativarbeiterInnen aller Länder vereinigen sich nicht. Schließlich haben sie nicht nur ihre Ketten, sondern ihre Identität zu verlieren. Aber wie stark wäre dieser Verlust? Schließlich ist die voreilige Akzeptanz einer Identität als ‚hungernder‘ oder ‚brotloser‘ KünstlerInnen doch eine der Voraussetzungen für die eigene Prekarität. Wie aber bestreikt man diese? Durch Kapitulation, resignatives Jammern oder mit den Mitteln, die man eh hat? Denn unmöglich ist die Negation der Identität als ‚Kreativer‘ nicht. 1986 zirkulierte der Neoist Stewart Home den Aufruf für einen „Art Strike“. Drei Jahre lang, von 1990 bis 1993, sollten KünstlerInnen, Galerien und Museen das Produzieren, Ausstellen und Zirkulieren von Kunst stoppen, um damit letztendlich die Hierarchien des Kunstmarkts, indem eine kleine Elite nicht nur die symbolische, sondern auch die ökonomische Herrschaft innehat, stören:
The importance of the Art Strike lies not in its feasibility but in the possibilities it opens up for intensifying the class war. The Art Strike addresses a series of issues: most important amongst these is the fact that the socially imposed hierarchy of the arts can be actively and aggressively challenged. The organisers of the Art Strike have quite consciously exploited the fact that within this society what is simulated tends to become real. (Stuart Home. The Art Strike)
Wie erfolgreich der „Art Strike“ war und was man daraus lernen könnte, kann man leicht selbst herausfinden. Der unbezahlte Blogautor dieses Textes geht auf jeden Fall jetzt erstmal wieder einer klassischen Tätigkeit nach. Er macht Feierabend.
Anmerkung zum Thema Feierabend: Der Text erreichte dieses Blog gegen zwei Uhr morgens.
Reihe Kreative und Geld:
Kreative und Geld V: Verkehrte Welt am Theater
Kreative und Geld IV: Design und Hartz IV
Kreative und Geld I: Was verdient man denn so?
Wow, toller Beitrag. Danke!
In diesem Text sind zu viele spannende Ansätze, um sie hier alle zu kommentieren. Deshalb hier nur etwas zum Thema Fördermittelbeschaffung und Finanzierung kreativer Arbeit.
In dem Zitat von Kacheltisch werden sehr schön die aktuellen Fördermechanismen offengelegt. Und sicherlich gelingt es oftmals, Fördermittel für Projekte zu akquirieren, indem Kreative ihre Projekte nur auf dem Papier dem jeweiligen Förderthema anpassen. Langfristig wird dieses Vorgehen aber Auswirkungen auf die „Freiheit der Kunst“ haben. Berlin ist hier ein gutes Beispiel. Hier wird seit Jahren die freie Theaterszene mit großen Summen unter massiven ästhetischen Maßgaben gefördert. Multimedial, performativ, integrativ und/oder postmigrantisch muss ein Projekt sein, um an Mittel zu kommen. Dadurch entstand eine Art Berliner Theaterästhetik – was zunächst der Stadt in einem Marketingsinne recht sein könnte – auf Dauer, und das zeigte sich zuletzt bereits, führt es aber auch zu einer ästhetischen Monopolisierung, die letztlich kreative Prozesse und eine Entwicklung zerstört. Die kreativen Möglichkeiten erschöpfen sich in diesen engen ästhetischen Grenzen, Ausbrechen ist nur unter der Inkaufnahme des Verlustes der finanziellen Basis möglich. Folglich werden Projekte entwickelt, UM an Mittel zu kommen, und nicht um des kreativen Prozesses willen.
Das Beispiel der Architekten, das im Text anschließt, ist hier sehr aufschlussreich. Ist ein Architekt mit einem ästhetischen Konzept im Markt angekommen, wird er sich in diesem Markt nur behaupten, wenn er dieses Konzept als MARKE immer wieder reproduziert. Wer heute einen Entwurf von Gehry kauft, will, dass das Ergebnis so aussieht wie Bilbao, in der Hoffnung, den gleichnamigen Effekt zu reproduzieren. Dieses Verhalten hat zu der vielbeklagten Tendenz in der Architektur geführt, dass sog. Stararchitekten und ihre Bauherren überall auf der Welt die gleichen Gebäude hinstellen und damit kulturelle Identität vernichtet wird. Gehry funktioniert genauso wie McDonalds. Gleiches gilt natürlich auch für Hadid, HdM, Foster, OMA, Coop Himmeln(l)au, GMP und all die anderen.
Gut gebrüllt, Löwe!
Kleiner Buchhinweis zum Thema: https://www.turia.at/titel/precarias.html
Capeau! Der Beitrag kommt in meine Sammlung.
Wieder mal ein interessanter Beitrag in der Reihe.
Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, dann gibt es nur ein nachhaltiges Mittel, dem eigenen Prekariat ohne Identitätsverlust zu entkommen:Im nächsten Leben für andere Eltern sorgen!
@Rambow:
Letztendlich ist man halt immer abhängig, auf dem ‚freien‘ Markt halt vom Wohlwollen oder dem Geschmack der Mäzene, bei der öffentlichen Förderung von der Expertise der Kultur- und Bildungsinstitutionen.
@Arnold:
Genau. Oder reich heiraten!