Der Kreis Recklinghausen fühlt sich von den Städten im Zentrum des Ruhrgebiets an die Wand gedrückt. Auf einer Podiumsdiskussion wollten die Landratskandidaten und –kandidatinnen das künftig ändern.
Die Kandidaten: Oben: Dohmann, Hovenjürgen. Unten: von der Beck, Süberkrün
Alle waren sie sich am Mittwoch auf einer vom BVMW veranstalteten Podiumsdiskussion in der Recklinghäuser Kneipe Boente einig: Der Kreis Recklinghausen findet innerhalb des Ruhrgebiets viel zu wenig Beachtung. Und die Kandidaten Cay Süberkrüb (SPD), Josef Hovenjürgen (CDU /MdL), Sabine von der Beck – (Bündnis 90 / Die Grünen) und Christine Dohmann (FDP) wollen das ändern.
Das wollte auch der Amtsinhaber Jochen Welt (SPD), der nicht mehr zur Wahl antritt und seiner Partei mit dubiosen Abrechnungen von Heilpraktikerbüchern und Isis-Kugeln einen netten, kleinen Frühlingsskandal beschert hatte, der die Wahlchancen der Sozialdemokraten deutlich schmälern dürfte. Ein großer Erfolg war ihm dabei nicht beschieden, was vielleicht auch daran lag, dass Welt zwar immer für einen starken Kreis Ruhrgebiet plädierte, bei zahlreichen Sitzungen des damaligen RVR-Vorstandes allerdings durch Abwesenheit glänzte.
Josef Hovenjürgen: „Die Städte im Kreis müssen zusammen halten, wenn sie in der Region wahrgenommen werden sollen.“ Dafür müssten die sich jedoch erst einmal dem Kreis zugehörig fühlen, der für die meisten Städte nicht viel mehr als eine ungeliebte Klammer ist. Mit seinen fast 640.000 Einwohnern lässt der Kreis Recklinghausen zwar, was die Einwohnerzahl betrifft, lässig Dortmund und Essen hinter sich – aber er hat die gleichen Probleme wie das Ruhrgebiet als Ganzes: Der Landrat ist gegenüber den zehn Bürgermeistern in einer eher schwachen Position und kann nur agieren, wenn er vorher einen Konsens mit und unter ihnen hergestellt hat.
Bei der gemeinsamen Klage gegen die Gemeindefinanzierung hat das funktioniert – pleite sind sie immerhin alle. Aber schon wenn es darum geht, städtische Aufgaben gemeinsam anzugehen, sich Arbeit zu teilen um Kosten zu sparen, vielleicht sogar mal ein Amt zusammen zu legen, ist Schicht im Schacht: Jeder Bürgermeister definiert sich auch über die Größe seiner Verwaltung und die Fülle der Aufgaben, die in seinem Rathaus erledigt werden. Welt ist mit seinen Plänen, eine freiwillige Kooperationskultur zwischen den Städte zu schaffen, weitgehend gescheitert. Dabei gibt es zu der, von Teilen der Union als Pläne zur Schaffung einer Veststadt verspotteten engen Kooperation und zur Zentralisierung von Aufgaben , kaum eine Alternative: Viele der Städte im Kreis Recklinghausen sind kaum noch lebensfähig. In Marl und Waltrop wurden in den vergangenen Jahren vom Land Sparberater zwangseingesetzt, weil Räte und Verwaltungen die Haushalte nicht mehr in den Griff bekamen.
Dem Selbstbewusstsein der Städte tut das alles keinen Abbruch. Die Vorstellung ganz ohne Kreis klar zu kommen, ist vielen sympathisch. Vermissen würden die meisten ohnehin nichts: Der Kreis spielt im Alltag der meisten Bürger kaum eine Rolle. Kreispolitik findet in den Medien vieler Städte kaum statt. An der gefühlten Bedeutungslosigkeit des Kreises, die allein wegen seiner Rolle als Aufsichtsbehörde über die Haushalte der Städte ein Trugschluss ist, wird auch ein Welt-Nachfolger nicht viel ändern können. (Auch wenn mich niemand fragt: Ich glaube, dass es Hovenjürgen schaffen wird.) Damit wird sich aber auch an der notorischen Unzufriedenheit mit dem Kreis nur wenig ändern. Vielleicht sind die Kreise ja in einem zusammenwachsenden Ruhrgebiet wirklich überflüssig. Vielleicht könnten ja einige Aufgaben von den Städten gemeinsam und andere von einem reformierten RVR übernommen werden. Ob das ein realistisches Szenario ist? Nein, einen solchen Reformwillen besitzt niemand. Und die meisten Bürgermeister sind zu solchen Kooperationen nicht in der Lage.
Nicht nur der Kreis Recklinghausen fühlt sich von den Städten im Zentrum des Ruhrgebiets an die Wand gedrückt Dieses empfinden alle Landkreise. Das problematische ist, die Landkreise finden mit den anders gelagerten Problemen beim RVR kein gehör.
Beispiele gibt es hier zu genügend. Beispielsweise sind die Kreise vielfach nicht an Projekten (Stadtregion-Ruhr2030) nicht beteiligt.
https://www.staedteregion-ruhr-2030.de/cms/index.php
@Nobby: Stadt2030 ist kein vom RVR ausgelagertes Projekt sondern eine Projekt der großen Städte gegen den RVR. Wenn der RVR die Regionalplanung übernimmt ist Stadt2030 endlich vorbei. Aber das Problem bleibt. Ich wäre dafür die kreisangehörigen Städte direkt an den RVR anzubinden. Künftig geht es viel um Planung und da haben die Kreise nur wenig zu melden.
Wie bitte, die Städte an den RVR anbinden? Das kann ich nicht billigen. Schon das Verfassungskonstrukt der Kreise beinhaltet ein Demokratiedefizit. Der RVR, wie er besteht, ist ein ademokratisches Monstrum.
@Manfred Michael Schwirske: Es wäre natürlich ein RVR dessen Parlament direkt gewählt ist. Und ja – die Städte müssen was abgeben – aber nicht die Bürger 🙂