Wer heutzutage regelmäßig Bus und Bahn nutzen muss, der ist häufig genug gleich in doppelter Hinsicht ‚ein armes Schwein‘. Dies bestätigt aktuell auch die jüngste Entwicklung bei der ‚Vestischen Straßenbahn GmbH‘, dem öffentlichen Nahverkehrsanbieter im Kreis Recklinghausen.
Dort rechnet man in diesem Jahr, nach der jüngsten Tariferhöhung, einem aktuellen Bericht der ‚Recklinghäuser Zeitung‘ zur Folge, mit einem Verlust von ca. 500.000 Fahrgästen für das Jahr 2015.
Der Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Martin Schmidt wird dort aktuell mit den Worten zitiert „In Düsseldorf käme kein Fahrgast auf die Idee, aufs Auto umzusteigen.“, dort sei die Innenstadt verstopft, Parkplätze seien knapp und teuer. „Im Kreis Recklinghausen hingegen haben die Menschen diese Alternative.“
Angesichts solcher Formulierungen können einem, wenn man das liest, als seit Jahren schon im Kreis Recklinghausen lebender Bürger, schon einmal kurz die Nackenhaare zu Berge stehen.
Im Kreis Recklinghausen wurden ja in den letzten Jahren nicht nur die Preise für Fahrten mit dem ÖPNV immer weiter erhöht, hier wurden auch die ohnehin nicht wirklich konkurrenzfähigen Strecken nicht weiter ausgebaut, sondern, ganz im Gegenteil, viele Verbindungen ausgedünnt oder gar stillgelegt, das Angebot für die Bürger also nicht attraktiver gemacht, um mit konkurrenzfähigeren Angeboten zum Auto zukünftig mehr Leute in den ÖPNV zu locken, sondern ganz im Gegenteil, das Angebot der ‚Vestischen‘ für den Durchschnittsbürger immer unattraktiver gemacht.
Kaum eine Strecke bei der man mit Bus und Bahn hier nicht mindestens doppelt so lange für die Fahrt bis zu seinem Ziel brauchen würde wie mit dem privaten Auto.
Egal welches Ziel auch ich persönlich (ich wohne in Waltrop) von hier aus ansteuern möchte, ob ein Fußballspiel in Dortmund, ein Besuch bei den Kollegen der Ruhrbarone in Bochum, eine Fahrt zum Arzt im benachbarten Datteln, ein Besuch in der Innenstadt von Recklinghausen, oder die Dortmunder City, überall hin bräuchte ich mindestens die doppelte Zeit bis zum Ziel, wenn ich statt dem Auto den Bus bzw. die Bahn nehmen würde. Von den Kosten einer solchen Fahrt, wenn man denn zeitgleich ein Auto zur Verfügung hat und dieses ohnehin unterhalten muss, mal ganz zu schweigen.
Wer fährt im Kreis Recklinghausen also tatsächlich noch mit dem Bus zu den Zielen seiner Wahl? Wohl nur die sprichwörtlich ‚ärmsten Schweine‘, die die über kein Auto verfügen.
Und die sind häufig arm, krank, oder noch zu jung um selber zu fahren.
Kein Wunder also, dass der Nahverkehr hier nur von rund 10% der Bürger genutzt wird.
Wer kann, der fährt hier lieber selber.
Höhere Fahrpreise bei einem sich verschlechternden Angebot werden daran aus Sicht der Verkehrsbetriebe nichts verbessern können. Ganz im Gegenteil!
Und auch ein Vergleich mit den Metropolen, wo die Fahrten mit dem Öffentlichen Nahverkehr aus den unterschiedlichen Gründen deutlich besser angenommen werden scheitert hier nicht nur an den Umständen der teuren und knappen Parkplätze, oder der vergleichsweise verstopften Innenstädte dort. Der Vergleich scheitert schon am vergleichsweise mangelhaften Angebot an konkurrenzfähigen Verbindungen im Kreis Recklinghausen. Wer von hier hinaus in die ‚Weiten des Ruhrgebiets‘ will, der Wählt Bus und Bahn häufig eben nur dann, wenn es gar nicht anders geht.
Wer keine konkurrenzfähigen Angebote macht, liebe ‚Vestische‘, der muss sich über das Ausbleiben bzw. Abwandern seiner Kundschaft nicht wundern.
Der ÖPNV begibt sich hier in einen Teufelskreis, wenn man meint das ohnehin schon im Vergleich zum Auto unattraktive Angebot seiner Verbindungen durch weitere Preiserhöhungen und Streckenstillegungen noch unattraktiver machen zu können.
Wir sind hier halt nicht in Düsseldorf, wo rund 40% der Bürger Bus und Bahn nutzen und daran für sie häufig eben auch kein Weg vorbeiführt.
Die relativ guten Bedingungen für Autofahrer im Kreis Recklinghausen jedoch indirekt für den Misserfolg der ‚Vestischen‘ anzuführen, diesen auch zumindest einen großen Teil der Schuld für den eigenen Misserfolg damit irgendwie bei anderen zu suchen, das ist dann jedoch ein etwas zu simpler Ansatz, wie ich finde.
Denn was sollte denn dann hier nun die Lösung sein? Bus und Bahnfahren für den Durchschnittsbürger zukünftig deutlich attraktiver machen, oder das Autofahren viel unattraktiver?
Bin genau deswegen da abgehauen… Städte ohne Gleisanschluss sind gruselig.
Wenn ich Bekannte aus dem RE-Kreis so höre, befindet sich der ÖPNV dort so ungefähr auf dem Niveau der 70er/frühen 80er, als eigene Autos als Wohlstandssymbol einfach hipp und „Überlandbusse“ eher ein Symbol des grade erst ausklingenden Postkutschen-Zeitalters waren.
Robin,
bis auf die Busfahrt zum Dortmunder Stadion, die von mir aus 3x länger dauern darf, teile ich Deine Auffassung. Mir scheint, der Vorstand und die Eigentümer der Vestischen sind mit einer marktwirtschaftlichen Konkurrenzsituation (z.B. zum KFZ) überfordert. Man begegnet der Situation nicht mit einer innovativen Produkt- und Marketingoffensive, sondern spart sich jammernt zu Tode.
Was es denn an Innovationen geben kann? Recht einfach! Man sollte nur die veränderten Bedürfnisse der Menschen ( für die Daseinsversorger übersetzt: Transportgüter) beobachten und daraus Maßnahmen ableiten.
Bei der BOGESTRA ist es ähnlich zu sehen.
Glückauf
Im gar nicht so ländlichen Duisburg (und erst recht in den schon wieder etwas ländlicheren Randgebieten) sind die Verhältnisse nicht grundlegend anders. Das Auto gilt hier immer noch als des kleinen Mannes große Freiheit, ÖPNV ist für Kinder (obwohl selbst für die das „Taxi Mama“ höher angesehen ist) und „die Asis“, Leute also, die sich Auto und Führerschein nicht leisten können und/oder letzteren zur Kur nach Bad Flensburg geschickt haben. Da will natürlich niemand zu gehören, ergo kämen diejenigen, die den ÖPNV planen und managen, wohl als letzte auf die Idee, ihn selber zu nutzen.
Dass man freiwillig aufs Auto verzichtet und sich davon auch noch mehr Lebensqualität verspricht, kommt im Gedankenkosmos des durchschnittlichen Duisburgers nicht vor. Und das Angebot tut sein Bestes, diese Einstellung zu erhalten. Während man tagsüber rund um die Innenstadt und entlang der S1 sowie drei Straßenbahnlinien noch ganz gut von A nach B kommt (und in Fußmarschentfernung zum Hauptbahnhof ohnehin regelrecht verwöhnt ist, zugegeben, aber a hat die DVG ja auch nix mit zu schaffen…) wird der Takt nach 20 Uhr selbst in der Innenstadt auf Dorfniveau heruntergefahren, wochentags nach Mitternacht fährt gar nichts mehr, und in den Randstadtteilen ist schon deutlich früher Land unter. Wer z.B. aus Rheinhausen mit dem Bus nach Duisburg-Mitte ins Kino fährt, sollte für die Rückfahrt immer genug Taxigeld dabei haben…
Alle Kreise haben Probleme mit dem ÖPNV. Die Fahrgastzahlen sind zu gering, die Fahrzeiten bis zum nächsten Bahnhof sind zu lang. In Voerde ist es ähnlich. Nur die Verbindung mit dem Zug in Richtung Düsseldorf ist schnell und Preiswert, solange der Pendler mit dem Auto zum Bahnhof fährt.
In Düsseldorf dagegen lässt man das Auto stehen, wenn man in die Stadt möchte. Die Rheinbahn ist schnell, Busse fahren nur in den Randbezirken und Parkhäuser haben auch ihren Preis.
Im Kernruhrgebiet krankt dagegen der ÖPNV. Die U-Bahn war von Moers bis nach Dortmund geplant. Die Meterspurstraßenbahn sollte Umgespurt oder eingestellt werden. Heute haben wir viele Systeme nebeneinander und kein Geld, um die U-Bahnen und Meterspurstraßenbahnen auf den neusten Stand zu halten.
Am Ende überlegen Politiker sogar, die Straßenbahn in Mülheim aus Kostengrunden einzustellen und den Betrieb nur mit Busse durchzuführen.
@Nobby: Da es zwischen den Verkehrsunternehmen im „Kern-Ruhrgebiet“ (was ist das eigentlich??) keine Einigung über interkommunale Verkehrsinfrastrukturen gab und gibt, bleibt noch das ausreichend dichte S- und RE-Bahnnetz, welches teuerste U-Bahn-Träume überflüssig macht.
Also, jetzt mal ehrlich: Der Vergleich Düsseldorf – Kreis RE hinkt doch. Genauso wie ein Vergleich Essen – Kreis RE oder mit welcher Stadt auch immer hinken würde.
RE ist ein riesiger „suburbaner“ bis eigentlich schon münsterländischer Moloch, der sich öffentlich-nahverkehrstechnisch sicherlich wesentlich, wesentlich besser erschließen lassen könnte und dessen Verkehrsgesellschaft die üblichen Fehler macht (wie viele andere auch), aber welche Linien in welcher Frequenz sollten denn jetzt – zu welchen Kosten!? – zwischen mystischen Orten wie Altendorf-Ulfkotte, Wulfen-Barkenberg und dem britischen Truppenübungsplatz Lavesum verkehren?? Das Auto hat hier „historisch“, soziologisch und geographisch schon einen ganz anderen Stellenwert.
Und von welcher „Bahn“ ist hier bitte die Rede? Für Bahnfragen wäre im Kreis RE, wo weder U- noch Straßenbahnen verkehren (oder habe ich irgendeine Gnadenhaltestelle einer Linie der EVAG oder Bogestra übersehen?), dann ja eher die DB zuständig. Das wäre, meines Erachtens nach, eine der Hauptaufgaben der Politik im Kreis – sich darum zu kümmern, dass neue S-Bahn- und RE-Stationen entstehen und die Orte untereinander und mit den Oberzentren des Ruhrgebiets verbinden.
Außerdem frage ich mich immer, bei der allerorts vorhandenen und grundsätzlichen Diskussion um Ausbau öffentl. Nahverkehr und Abkehr vom Auto, ob das nicht irgendwann wieder einen Gegentrend, auch in großstädtischen Bevölkerungsschichten, auslöst, wenn die Menschen plötzlich erkennen: „Hey, da so viele Bus und Bahn nehmen, sind die Straßen gar nicht mehr so verstopft und Parkplätze da, dann nehme ich wieder das Auto, wo ich alleine bin und Ruhe habe.“ Ein Gedanke am Rande bemerkt…
Keine leasing PKW für ÖPNV Vorstände, sondern nur Monatsfahrkarten des öffentlichen Personennahverkehrs.
Aber man kann sie dazu nicht zwingen. Außer natürlich feuern.
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[…] Ich war vorhin jedenfalls wirklich heilfroh, dass ich nicht in einen der dort gerade wartenden Busse einsteigen musste. Und das, angesichts des wirklich krass abschreckend unvernünftigen Verhaltens der angetroffenen Busfahrer, sogar noch mehr als in der Vergangenheit ohnehin schon…. […]