Kritik an Heveling aus der CDU: Fair-Use statt Netzsperren!

In einem Gastkommentar im Handelsblatt polemisiert der Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling (CDU) gegen die Vertreter einer Netzpolitik, die sich für eine Anpassung des rechtlichen Rahmens an die Entwicklung digitaler Medien und einen neuen Ausgleich zwischen Urhebern und Werknutzer aussprechen. Das sehen nicht alle in der CDU so. Ein Gastbeitrag von Dirk Schmidt

„Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht auch im digitalen Zeitalter für einen starken Schutz des geistigen Eigentums. Das deutsche Urheberrecht ist ein Eckpfeiler des Rechtsstaates und der sozialen Marktwirtschaft. Es stellt sicher, dass kreative Leistung sich auch weiter lohnt. Dieses müssen wir weiter sichern“,

heißt es in einer Pressemitteilung der Bundestagsabgeordneten Angar Heveling (CDU) und Dr. GünterKrings (CDU). Und ich pflichte Ihnen bei. Die Anerkennung und der Schutz geistigen Eigentums ist ein Erfolg und Teil des Erfolgs der bürgerlichen Gesellschaft. Das Urheberrecht gewährleistet, dass der Schöpfer eines Werkes – der Urheber – an den Früchten seiner geistigen Arbeit zumindest teil hat, oftmals finanziell. Die Werke können Musik, Bilder, Texte, Design, Kunst und in einem erweiterten Sinne auch technische Erfindungen, Patente, sein. Hinzu kommen auch neue Formen wie Internetseiten, Programme und Computerspiele.

Die Modifizierung eines Eigentumsbegriffs
Zu früheren Zeiten war das Eigentum an Grund und Boden allein vertikal durch die Grundstückgrenzen begrenzt. Ein Grundstück war über seine Fläche zweidimensional beschrieben. Dem Eigentümer stand es bis zum Erdmittelpunkt zu, seitdem sich die Ansicht durchgesetzt hatte, dass die Erde keine Scheibe ist. Und auch zum Himmel hin gab es keine Grenze, was mit der Vorstellung, dass da irgendwo der Weltraum beginnt und die Erde sich dreht, nicht mehr einfach in Einklang zu bringen ist.

Flugzeuge verletzen entsprechend dieser überkommenen Vorstellung zwingend das Eigentumsrecht der Grundstückeigentümer. Doch das Recht hat sich weiter entwickelt. Unter den Grundstücken liegen Bergfelder, deren Eigentümer die Abbaurechte für Bodenschätze gehören. Für Schäden an der Nutzung der Bodenschätze sind sie den Grundstückeigentümern ersatzpflichtigt. Der Luftraum über meinem Grundstück gehört mir nicht uneingeschränkt und ich muss die Regeln des Nachbarschaftsrechts, des Umweltrechts und allerleich baurechtliche Vorschriften beachten. Trotz all dieser Einschränkungen gegenüber der ursprünglichen Realisierung der Idee des Eigentums an einem Grundstück ist die Idee erhalten geblieben. Das Privateigentum ist weiterhin gewährleistet.

Der Fortschritt hat Vervielfältigen und Verbreiten verändert
Die Idee des geistigen Eigentums ist im Netz in Gefahr„, polemisiert Ansgar Heveling MdB im Handelsblatt, „Es lohnt sich, unsere bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen„, fordert er von den Citoyen, die für das Recht auf Privateigentum im Internet einstehen sollen. Was ist geschehen, das den Abgeordneten Heveling dazu bringt „einen klaren Rechtsrahmen“ zu fordern, den er ausweislich seiner Pressemitteilung zum Vorschlag der us-amerikanischen SOPA-Gesetzgebung auf „notwendige Instrumente“ für „Ermittlungsbehörden“ beschränkt? Mit dem technischen Fortschritt haben sich die Wege der Vervielfältigung, der Verbreitung und Verarbeitung vieler Arten an Werken geistigen Eigetums verändert.

Einst beschränkte die Technik die Weitergabe, denn die Fotokopie einer Fotokopie war schlechter zu lesen als das Original. Und die Fotokopie einer Fotokopie einer Fotokopie war es um so mehr. Das Kopieren von Musik via Audiokassetten, bereits einfacher als von Tonband zu Tonband, war ebenfalls nicht verlustfrei möglich, wie es heute die Weitergabe digitaler Dateien ist, zum Beispiel von MP3-Dateien. Diese können zudem zwischen verschiedenen Geräten beliebig ausgetauscht werden: zwischen Computern, MP3-Spielern, Telefonen, DVD-Spielern -iPhone, iPads, iPods, iMacs. Die einstigen physikalisch bedingten Schranken wurden durch die Entwicklung digitaler Technik und weltweiter Computernetze – dem Internet – beseitigt. Das ist gut so und hat positive Entwicklungen bewirkt.

Die Idee des geistigen Eigentums hat sich verändert
Allerdings hat dies die Bedeutung des Urheberrechts im Alltag der Menschen erhöht. Früher kamen sie aufgrund physikalischer Beschränkungen damit nicht spürbar in Berührung. Abmahnungen befassten Privatmenschen weniger bis nicht.

Die Vervielfältigung und Weitergabe in neuer Form und neuen Ausmaßen hinsichtlich der möglichen Reichweite ist nicht nur für das Leben der von Ansgar Heveling so genannten „digitalen Avantgarde“ mit ihrem
Nerdismus“ relevant, sondern für jedermann, der sich sich mit digitaler Medientechnik befasst. Dazu gehören die Nutzer von DVD-Spielern, von Mobiltelefonen und des Internets wie auch die Eltern von Kindern, die diese
benutzen. Die Forderung, Kinder müssen rechtzeitig den Umgang mit Computern, modernen Medien und deren Inhalten erlernen, lässt sich in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht vom Erlernen des Umgangs mit den digitalen Medien mehr trennen. Und spätestens dann steht der Kontakt mit dem Urheberrecht an. Und es ist auch gut, wenn der Citoyen als Privatmensch oder als homo oeconomicus damit selbstverantwortlich umzugehen weiß. Nur leider ist das nur wenigen möglich.

Hevelings „Eckpfeiler des Rechtsstaats“ stammt aus der Zeit vor Digitalisierung und Internet. Wir brauchen weiterhin einen Schutz des geistigen Eigentums, aber wir müssen uns darauf berufen, was dieses geistige Eigentums ist und wessen Leistung das Urheberrecht schützt. Wie sich das Recht am Grundeigentum verändert hat, benötigen wir eine Reform des Urheberrechts. Wir brauchen keine stärkere Kontrolle des Citoyen. Wie Don Quichote nichts gegen Windmühlen ausrichten konnte, wird Ansgar Heveling nicht die Digitalisierung und
das Internet mit Folgen aufhalten können.

Eine grundlegende Novellierung des Urheberrechts ist
erforderlich

Das Urheberrecht bedarf einer grundlegenden Novellierung. Manchem Juristen fällt es schwer, das Recht vom Menschen aus zu denken. Es bleibt bei Forderungen nach einfachen Rechtsergänzungen nach stärkeren Kontrollen oder einer Privatisierung von Kontrollen. Das löst die grundlegenden Probleme nicht. Bei einer Novellierung müssen die Rechte der Schöpfer, der Kreativen, geschützt werden.
Und das gilt auch, aber eingeschränkter, für die Rechte derer, die davon leben, dass sie diese Werke verbreiten und vervielfältigen. Auch ist ein Abwägen der Interessen zwischen letztgenannten und den Schöpfern notwendig.

Die Rechte der Werknutzer berücksichtigen
Und dann müssen wir unter den neuen Bedingungen jetzt auch die Rechte der Werknutzer mitdenken. Ihre Anliegen spielten aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten bisher keine große Rolle. Aber in einer Welt, in der jeder potentiell und ohne Mühe zum Sender, zum Schöpfer, Vervielfätiger und/oder Verbreiter werden kann, müssen wir an den Citoyen denken. Wir müssen auch dann an ihn denken, wenn er sich seiner Rolle nicht bewusst ist. Dies gilt für den Citoyen als Privatmensch und als homo oeconomicus, der auf die Werke anderer
zugreifen will. Wo die Grenzen zwischen den Interessen sind, muss politisch neu ausgelotet werden. Wie Ansgar Heveling spreche ich mich gegen Netzsperren und jegliche Zensur aus, aber Ansgar Heveling vergisst die Interessen des Werknutzers. Für die Werknutzer müssen wir eine neues Prinzip entwickeln: das neue Fair-Use-Prinzip.

Wir brauchen ein neues Fair-Use-Prinzip
Es ist so zu formulieren, dass es den Interessen der Menschen und damit ihrem Umgang mit Technik entspricht und und dass es einen leicht verständlichen Ausgleich zwischen den Rechten der Urheber und der Werknutzer schafft. Wir stehen noch immer erst am Anfang einer Diskussion um ein Fair-Use-Prinzip. Eine sogenannte Kulturflatrate als Pauschalabgabe für eine Verwertungsgesellschaft stellt nur eine mögliche Lösung neben anderen dar.

Rechtsvereinfachung, Fair-Use-Prinzip, Keine Netzsperren!
Das Bild von der Entwicklung des Verständnisses von Eigentum an Grund und Boden sei nochmals bemüht: Was das Vervielfältigen und Verbreiten digitaler Medien betrifft, befinden wir uns zeitlich kurz nach der Erfindung des Bergbaus und des Flugzeugs. Um die Diskussion für ein modernes Urheberrecht voranzubringen,
unterstütze ich die Initiative der Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Tauber (CDU), Thomas Jarzombek (CDU) Dorothee Bär (CSU) u. a. – siehe www.faires-urheberrecht.de. Mögen Sie ihren Fraktionskollegen Ansgar Heveling bekehren zu allen drei Leitlinien: Rechtsvereinfachung, Fair-Use-Prinzip, Keine Netzsperren!

Dirk Schmidt ist CDU-Mitglied, Ratsherr in Bochum und betreibt das Blog Schmidts-Katze.

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