Kulturhauptstadt: Die Zeit der Enttäuschung beginnt

Viele im Ruhrgebiet bekommen im Augenblick Post von der Ruhr2010 GmbH: Die Zeit der Absagen hat begonnen.

Zeche Zollverein. Foto: RTG

Über 2000 Projektvorschläge hatten die Ruhr 2010 GmbH erreicht. Sie hatte dazu aufgerufen, Ideen für Projekte einzureichen. Eine schöne Marketingaktion, vermittelt sie doch das Gefühl, dass jeder mitmachen kann, jeder eine Chance hat. Aber eine Marketingaktion bleibt eine Marketingaktion. Nun ist bei Vielen, die Ideen entwickelt haben, die Enttäuschung groß, und ich bin mir sicher, dass, sobald die Liste der endgültig akzeptierten Projekte bald vorgestellt wird, man viele bekannte Namen unter denen finden wird, deren Projekte angenommen wurden. Nun gibt es sicher viele Gründe, die meisten eingereichten Projekte abzulehnen – ein internationales Festival lässt sich nun nicht einmal basisdemokratisch organisieren. Aber sind wirklich nur die schlechtesten Ideen abgelehnt und die Besten angenommen worden? Ich glaube, es wäre naiv, davon auszugehen. Jörg Stüdemann, der Kulturdezernent Dortmunds, beklagte einmal, dass es im Ruhrgebiet im Kulturbereich (und nicht nur da) eine Szene gäbe, die vor allem in einem Bereich eine hohe Professionalität erreicht hätte: Im Schreiben von Förderanträgen. Neulinge, auch mit guten Ideen, hätten gegen die Projektförderungsprofis kaum eine Chance, so Stüdemann, der die Situation bedauerte. Und die seit Jahren erfolgreichen Projektprofis, die gewohnt sind, den Erfolg nicht beim Publikum sondern in den Verteilungsgremien zu suchen, werden sicher wieder einen Gutteil der zu verteilenden Mittel für sich gesichert haben. Matthias Burzinski von Unruhr hat auf diesem Blog in einem Kommentar etwas formuliert, was ich für zukunftsweisend halte: "Aufgabe der Bürger und auch der Wirtschaft ist es, parallele unabhängige Strukturen aufzubauen, die das Ruhrgebiet tatsächlich widerspiegeln. Das ist jetzt kein Aufruf zur Anarchie, sondern der Aufruf dem Beispiel des Initiativkreis zu folgen, so sehr man damit auch hadern mag. Der Weg ist richtig. Wir alle sollten unabhängig den richtigen Weg gehen und die Herr- und Frauschaften einfach sitzen lassen." Einfach machen.  

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Rolf
16 Jahre zuvor

Ich gebe Matthias 100% recht. Und ich mach‘ ja auch schon. Das Ganze nennt sich ruhrwärts. https://www.ruhrwaerts.de

Entstanden in einer Gruppe bei XING, nämlich dieser hier https://www.xing.com/net/kulturhauptstadt2010/ . Bei ruhrwärts sind mittlerweile 80 Mitglieder, die XING-Gruppe hat 1.200. Es ist also nicht so, dass man ganz alleine stünde, wenn man sich organisieren will.

Rolf
16 Jahre zuvor

Äh, ganz vergessen: Wir freuen uns, wenn wir Rückmeldung von denen bekommen, deren Projekte abgelehnt wurden. Wir veröffentlichen sie gern auf unserer Website, wir diskutieren in den ruhrwärts Salons darüber (finden an jedem ersten Dienstag im Essener Unperfekthaus statt) und natürlich freuen wir uns, wenn wir sie doch mit vereinten Kräften realisieren können. Kulturhauptstadt von unten eben. 🙂

Matthias Burzinski
16 Jahre zuvor

Ich muss übrigens gestehen, dass wir – als wir vor vier Jahren mit unruhr anfingen – auch gedacht haben: Da könnte es doch irgendwo Förderung geben? Dann haben wir uns das Procedere angeschaut und gedacht: Ne,danke. Wenn wir diesen Prozess durchlaufen haben, ist uns alle Lust an Kultur vergangen. Herr Stüdemann hat also recht, nur leider zieht er keine Schlüsse daraus.
Schön wäre es, wenn es unabhängige Kulturscouts gäbe, die die kreative Szene des Ruhrgebietes durchforsten und dann für gute und spannende Projekte und Kreative alles Formale übernehmen (Kulturmanager eben). Das war so ein wenig die Idee von unruhr – regionalen Künstlern und v.a. Bands eine Plattform zu bieten, die sie in die „Popkultur“ integriert.

Und außerdem möchte ich mal betonen, dass die Hälfte der unruhr-Redakteure mittlerweile ganz oder teilweise in München, Berlin, Hamburg und Stuttgart wohnt – und auf diesem Wege dem Ruhrgebiet zumindest die Treue hält. Gleichzeitig ein Beleg für den Verlust kreativer Köpfe, die im Ruhrgebiet keine Möglichkeit hatten, sich weiterzuentwickeln, aber vielleicht gar nicht weg wollten.

Wir freuen uns bei unruhr übrigens über jeden Sponsor – unsere Schublade ist voll mit Ideen für Veranstaltungen und Publikationen.

Rudolf Kley
16 Jahre zuvor

Hallo liebe Kunst und Kulturfreunde im Ruhrgebiet. Ich gehöre zu denen, deren Projekt nicht in den offiziellen Rahmen passt. Erschüttert hat mich die Absage nicht, bin ich dadurch doch wieder im Vollbesitz meiner künstlerischen Kräfte. Das ist das Positive daran. Da eine Absage fast eingeplant war, gehe ich den Weg weiter und möchte an dieser Stelle betonen, dass sich jeder an dem unter http://www.luftpumpenfeld beschriebenen Projekt aus den unterschiedlichsten Gründen beteiligen kann. Bereits vor fast einem Jahr habe ich geschrieben „Die Luftpumpe kann ein Freiheitssymbol werden und Völker verbinden. Sie steht für Kreativität und Authentizität. An ihr lassen sich auch das Verständnis für Kunst und das Verhältnis von Kunst und Kultur zur Stadtwerbung erproben.“ Mein Vorschlag wäre, die abgelehnten Projekte mal zu eine Liste zusammenzufassen und die dahintersteckenden Ideen im Internet zu präsentieren. Vielleicht verfügt der ein oder andere über Beziehungen und Mittel, dass ein Teil dieser Projekte doch so oder in einem anderen Rahmen durchgeführt werden kann. Vielleich sollte man ein eigenes Förderprogramm auf die Beine stellen und kräftig und originell für ein solches Programm trommeln. Kritik alleine reicht nicht. Warum nicht so eine Art Lotterie auf die Beine stellen? Gewinne werden in Kunstwerken ausgezahlt. Jedes Los gewinnt. Wichtig wäre vielleicht in diesem Zusammenhang, dass man eine einheitliche Kommunikationsplattform auf die Beine stellt. Dass man z.B. seinen Beitrag auf einer seite einstellt und eine Vielzahle vfon Seiten diesen Beitrag direkt übernehmen oder zumindesten das Inhaltsverzeichnis. Klar, schöpferisch tätige Menschen sind vielbeschäftigt, mit sich und der Welt z.B., deshalb klappt es ja bisher nicht so richtig mit dem Austausch. Das muß eben anders werden, dauerhaft. Das ist die Chance, die das Ruhrgebiet hat und andere vielleicht auch unter „Teamwork“ verstehen.

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