Die Nachricht sieht seltsam aus: Die Firma hinter der Kulturhauptstadt im Ruhrgebiet, die Ruhr 2010 GmbH, hat ihre Gemeinnützigkeit aufgegeben. Sie will wie eine normale Firma Geschäfte machen dürfen. Aus diesem Grund hat die Gesellschaftsversammlung der Ruhr 2010 bereits am 30. November entschieden, die staatliche Steuerbefreiung abzugeben.
Was steckt dahinter? Nun, die Ruhr 2010 nimmt kaum Spenden ein. Deswegen muss sie keine Spendenquittungen ausstellen. Zudem wird die Ruhr 2010 keine Körperschaftssteuer zahlen müssen. Es sind Verluste geplant und keine Gewinne.
Die Ruhr 2010 kann die Vorteile der Gemeinnützigkeit also gar nicht nutzen. Für die Firma ist es nicht nötig, gemeinnützig zu sein.
Stattdessen drohte eine große Gefahr. Die Kulturhauptstadt ist auf Sponsoren angewiesen. Insgesamt sollen 11,5 Mio Euro an Zuwendungen eingenommen werden. Sponsorengelder sind aber nicht uneigen- und damit gemeinnützig. Denn wer als Sponsor Geld gibt, erwartet eine Dienstleitung. Im Fall der Ruhr 2010 die Nennung des eigenen Namens auf nahezu jedem Flyer und im Internet. Eine Dienstleistung ist normalerweise Steuerpflichtig. Zudem darf eine gemeinnützige Institution nur in geringem Umfang Sponsorengelder einnehmen, ohne die Gemeinnützigkeit zu verlieren.
Im Fall der Ruhr 2010 sind die Einnahmen von Sponsoren nicht gering. Sie bilden eine wesentliche Säule des Finanzierungskonstrukts. Das bedeutet: sobald die ersten Sponsorengelder auf die Konten der Ruhr 2010 eingegangen wären, hätte die Firma ihren Status als gemeinnützige Firma verlieren können. Mit unabsehbaren Folgen. So hätten unter Umständen von den Sponsorengeldern nachträglich 19 Prozent Umsatz- und Ertragssteuer abgeführt werden müssen. Bei 11,5 Mio Einnahmen hätte das eine Belastung von über 2 Mio Euro ausmachen können, bestätigt der kaufmännische Direktor der Ruhr 2010, Ronald Seeliger.
So ist es sinnvoller, die Gemeinnützigkeit direkt selber aufzugeben, um die Probleme zu lösen, bevor sie auftreten. Ein Sprecher der Ruhr 2010 sagte: "Trotzdem arbeiten wir selbstverständlich schwer für die Gemeinheit. Es ändert sich nicht einmal der Briefkopf, da wir weiterhin nicht gewinnorientiert arbeiten."
Für die Sponsoren ändert sich genauso wenig. Sowohl RWE als auch E.on Ruhrgas sagten, dass sie einfach die Umsatzsteuer oben drauf legen würden. „Die Summen sind vorsteuerabzugsfähig. Für uns ist die Steuer damit kostenneutral“, sagte eine RWE-Sprecherin.
Der Ruhr-2010-Sprecher sagte. „Die eingeplanten, bekannten und benannten Sponsorenbeträge waren immer schon netto und bleiben es auch.“
Allenfalls kleinere Sponsoren werden schmallippig schauen, wenn sie nun statt 100.000 Euro geschmeidig 119.000 Euro überweisen sollen. Sei es drum.
Das einzige, was ich mich frage ist: Warum wusste die Ruhr 2010 das nicht früher und hat die Gemeinnützigkeit erst erwirkt? Worauf haben die Experten der Firma gehofft? Auf eine Riesenspende? Die eine Gemeinnützigkeit sinnvoll gemacht hätte und neben der die Sponsoreneinnahmen geringfügig ausgesehen hätten?
Auch hier gibt der kaufmännische Direktor der Ruhr 2010 Seeliger eine schlüssige Antwort: "Wir haben am Anfang mit größeren Spenden von Stiftungen aus dem Ruhrgebiet gerechnet. Davon gibt es ja einige hier. Natürlich hat man auch in Richtung Krupp-Stiftung geschaut."
Es ging um über 50 Mio Euro. Leider hat die Krupp-Stiftung dieses Geld nicht gespendet. Stattdessen hat der Chef der Kruppianer, Berthold Beitz, die Millionen direkt dem Folkwang-Museum für einen Neubau zur Verfügung gestellt. Über den Hintergrund kann man nur spekulieren. Man kann den Streit zwischen der Stadt Essen und Beitz ins Feld führen. Oder die Kritik des Oberkruppianers Beitz an der der Ausrichtung der Ruhr 2010. Egal.
Seeliger sagt einfach: "Die Stiftungen engagieren sich lieber bei unseren Projekten." Damit sei die Gemeinnützigkeit sinnlos geworden.
Zur Erinnerung: Die Ruhr 2010 hat einen Etat von 52 Mio Euro. (12 Mio kommen jeweils vom Bund, vom Land und vom Regionalverband Ruhr (RVR). Dazu kommen 6 Mio von der Stadt Essen, 8,5 Mio vom Initiativkreis Ruhrgebiet und nur 1,5 Mio von der EU.) Das Geld wird auf vier Jahre verteilt.
Dazu sollen noch freie Mittel über Sponsoren zusammengetragen werden. Bislang haben RWE 2,5 Mio und und E.on Ruhrgas 2 Mio Euro zugesagt. Es werden weitere 7 Mio gesucht.
Damit hat die Kulturhauptstadt einen Etat von maximal 63,5 Mio. Euro.
Zum Vergleich: die österreichische Variante von Herne, die Stadt Linz, hat für seine Kulturhauptstadt im kommenden Jahr einen gleich hohen Etat.
Zusammen mit dem Ruhrgebiet wird Istanbul im Jahr 2010 europäische Kulturhauptstadt: Die Türken haben 600 Mio Euro zur Verfügung gestellt.
Die immer wieder aufflammende Diskussion über eine mangelnde finanzielle Ausstattung der Kulturhauptstadt lenkt von den eigentlichen Themen und Aufgaben ab und leistet jenen Vorschub, die womöglich schon bald an ersten Ausflüchten basteln werden (?Sorry, liebes Ruhrgebiet, wir hätten gerne viel mehr und alles viel hochwertiger gemacht, aber mehr war leider nicht drin?). Die Leitung der Kulturhauptstadt hat die Ernst zu nehmende Aufgabe, diese 60 Mio. bestmöglich einzusetzen. Das ist der Job. Mit noch mehr Geld noch mehr Projekte zu machen, ist keine Kunst.
Wenn man ins Programm schaut, sieht man dort ohnehin schon jetzt jede Menge Projekte versammelt, die mit den genannten 60 Mio. gar nicht finanziert werden (Folkwangmuseum 55 Mio.; Dortmunder U 46 Mio.; Erweiterung Küppersmühle 40 Mio.; Bochumer Konzerthaus 30 Mio. usw. usw. usw.), die aber für das Kulturhauptstadtjahr offensichtlich wichtig sind. Da landet man ganz schnell bei 300 bis 400 Millionen ?
Insofern sind die 60 Mio. des Ruhrgebiets und die 600 Mio. in Istanbul wie Äpfel und Birnen ? nicht zu vergleichen.
60 Millionen an einem Stück sinnvoll ausgegeben, wann ist das das letzte Mal in Ruhr passiert? Das wäre an sich schon eine Meisterleistung!