Der deutsch-britische Ökonom Kristian Niemietz hat sich mit dem Sozialismus beschäftigt. Bis heute ist er deutlich beliebter als der Kapitalismus und hat leider nur einen Nachteil: Er funktioniert nicht.
Die Welt ist ungerecht, das wissen wir alle. Da sind zum Beispiel Kapitalismus und Sozialismus. Der eine hat dafür gesorgt, dass der Wohlstand innerhalb von 200 Jahren nahezu explodierte, die Zahl der Armen weltweit von 90 auf 10 Prozent gesunken ist, die Menschen länger und gesünder leben, über 80 Prozent der Menschen lesen und schreiben können und passt bestens zur Demokratie. Der andere hat es geschafft, dass Millionen Menschen bei seinen Umsetzungsversuchen verhungert sind, sie eingesperrt werden mussten, damit sie nicht wegrennen und endete immer in einer Diktatur. Und wer ist beliebter? Der Sozialismus, der große Versager von beiden. Während er als lässig und gerecht gilt, ist der Kapitalismus so beliebt wie Dieter Bohlen bei den Studenten, Studentinnen, Studierende, Studen*innen und Studx eines kulturwissenschaftlichen Seminars. Klar, er weiß, wie man eine Menge Geld machen kann. Aber man hält ihn für ein Arschloch.
Der deutsch-britische Ökonom Kristian Niemietz, Leiter der Abteilung Politische Ökonomie am Londoner Institut für Economic Affairs, hat sich in seinem Buch „Sozialismus – Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt“ mit diesem Phänomen beschäftigt. Und er hat den Grund gefunden, warum die Idee des Sozialismus nicht stirbt: Nach jedem gescheiterten Versuch behaupten seine Anhänger steif und fest, das sei ja nicht der wirkliche Sozialismus gewesen, die Idee sei noch nie umgesetzt worden. Egal ob Sowjetunion, Kuba, China oder Venezuela – wenn es in die Brüche ging, war es nie der Sozialismus. Seine Macher hätten entweder nicht verstanden, worum es Marx gegangen sei, oder sie hätten es nie versucht.
Niemietz zeigt, dass dem nicht so war. Noam Chomsky, der irrlichternde Hip-Intellektuelle und Linguist, verteidigte in seinem Leben von Kambodscha unter den Roten Khmer bis zu Hugo Chavez Venezuela so ungefähr jeden Sozialismusversuch, den er miterleben durfte. Um nach dessen Scheitern dann zu betonen, es sei kein echter Sozialismus gewesen. Chomsky ist keine Ausnahme. Niemietz hat die Aussagen hunderter Intellektueller in den vergangenen gut 100 Jahren miteinander verglichen und ein Schema herausgearbeitet: Nach einer Revolution sind alle guter Dinge, dass es jetzt endlich klappt mit dem Aufbau des Sozialismus. Die Führer werden gepriesen und ihre Verbrechen gerechtfertigt. Niemietz zitiert Walter Duranty, einen großer Fan Stalins und von 1922 bis 1936 Leiter des Moskau-Büros der New York Times „Um es ganz brutal zu sagen – man kann kein Omelett machen, ohne Eier zu zerschlagen, und den Bolschewiken sind die Kollateralschäden ihres Sozialisierungsprogrammes genauso gleichgültig, wie einem General im Weltkrieg die Kollateralschäden eines von ihm befohlenen Angriffs gleichgültig waren.“
In der zweiten Phase kühlt sich die Begeisterung dann ab. Man mag nicht mehr so genau hinschauen und am liebsten nicht mehr über den vor kurzem gepriesenen Versuch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, reden.
Am Ende steht dann fest: Das war gar kein Sozialismus. Und weil der Sozialismus bislang immer scheiterte, darf es ihn auch noch nirgendwo gegeben haben. Die große sozialdemokratische Denkerin unserer Zeit, SPD-Chefin Saskia Esken wusste schon 2018 auf Twitter zu berichten: „Wer Sozialismus negativ verwendet, hat halt einfach keine Ahnung. So.“
Denn, ließ uns Esken ein Jahr später wissen: „*Echten* Sozialismus gab’s bisher noch nicht.“
Auch sich auf das Beispiel Esken beziehend stellt Niemietz fest: „Zeitgenössische Sozialisten glauben, ihre Version von Sozialismus unterscheide sich so fundamental von allem, was in der Vergangenheit unter diesen Namen firmierte, dass jeglicher Vergleich bedeutungslos sei. Die historische Erfahrung mit Sozialismus könne uns also nichts lehren.“
Deutlich wird das am Beispiel der ehemaligen Führung der Labour-Partei. Niemietz zitiert zwei Aussagen. Der spätere Parteichef Jeremy Corbyn war sehr ergriffen, als er 2013 auf einer Kundgebung anlässlich des Todes vom Hugo Chaves sprach. Dank hoher Ölpreise war das Scheitern seiner Politik seinerzeit zwar absehbar, aber noch eingetreten: „Chávez hat uns gezeigt, dass es einen anderen, besseren Weg gibt. Er heißt Sozialismus.“
Corbyns späterer Schatten-Finanzminister John McDonnell sagte dann 2018: „Ich glaube, in Venezuela haben sie einen falschen Weg eingeschlagen, einen nicht besonders effektiven Weg, keinen sozialistischen Weg.“ So schnell kann es gehen.
Als Ökonom ist es für Niemietz kein Problem, diese wagemutige These von der Zukunft des Sozialismus zu widerlegen. Dass der bislang immer in Armut endete, ist für ihn kein Zufall:
„Eine Marktwirtschaft ist ein Versuchslabor, in dem sich ständig unterschiedliche Modelle und Herangehensweisen im Wettbewerb erproben müssen. Zum Beispiel stehen integrierte Modelle, in denen Unternehmen viele Aufgaben firmenintern erledigen, im Wettbewerb zu spezialisierten Modellen, in denen Unternehmen sich auf ihre Kernkompetenzen beschränken und vieles outsourcen. So finden wir allmählich heraus, wo Integration sinnvoller ist und wo es sinnvoller ist, sich zu spezialisieren. Es ist ein Irrtum zu glauben, wir bräuchten nur deswegen Wettbewerb, damit wir einen Ansporn haben. Sozialistische Wirtschaftsmodelle kannten zwar keinen Konkurrenzdruck, konnten aber sehr wohl auf andere Weise Druck ausüben (und das oft mit sehr viel weniger schönen Methoden.) Was im Sozialismus aber fehlte, war das Wissen, das im kapitalistischen Wettbewerb gewonnen wird. Der Wettbewerb ist eine »Wissenserzeugungsmaschine«, die sozialistischen Volkswirtschaften fehlt.“
Der Aufbau einer Diktatur, die Unterdrückung der Arbeiter und der wirtschaftliche Misserfolg seien weder eine Folge des mangelnden Willens, den Sozialismus aufzubauen sondern hätten ihren Grund darin, dass dessen Idee schlicht nicht funktionieren kann.
Niemietz verweist darauf, dass es die SPD war, die aus dieser Erkenntnis schon 1959 in ihrem Godesberger Programm die richtigen Schlüsse zog:
„Freie Konsumwahl und freie Arbeitsplatzwahl sind entscheidende Grundlagen, freier Wettbewerb und freie Unternehmerinitiative sind wichtige Elemente sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik. […] Totalitäre Zwangswirtschaft zerstört die Freiheit. Deshalb bejaht die Sozialdemokratische Partei den freien Markt, wo immer wirklich Wettbewerb herrscht.“
Leider hat Niemetz kein Geschichtsbuch geschrieben. Die Idee des Sozialismus spielt immer noch eine große Rolle. Er artikuliert sich in Deutschland allerdings anders als in Großbritannien, das Beispiel, auf dass sich Niemietz in seiner Beschreibung der Gegenwart konzentriert. Waren und sind es dort die „Millennial-Socialists“, die dem zeitweiligen Labour-Chef Jeremy Corbyn fast zur Macht verholfen hätten, sind es hier Gruppen wie Fridays for Future, Ende Gelände oder die Aktivisten des Autohasserbündnisses „Sand im Getriebe“. Sie werben nicht mehr nur für glückliche Wildbienen, mildes Klima und grüne Wiesen, sondern für einen System Change. Gerecht, ökologisch, irgendwie sozial soll der sein. Und klar, mit dem Kapitalismus wird das alles nicht gehen, also muss er weg. Da schwingt ein grüner Sozialismus mit, von dem keiner sagen kann, wie er aussehen und funktionieren soll, aber eines ist schon heute sicher: Wenn er scheitert, war er weder grün noch sozialistisch.
Niemietz hat ein von der ersten bis zur letzten Seite spannendes und kluges Buch geschrieben und das voller Lässigkeit und ohne jeden Schaum vor dem Mund. Er ist kein verbissener Ideologe, sondern weiß, dass er die Geschichte auf seiner Seite hat. Und wenn wir Glück haben, auch die Zukunft.
Der Beliebtheitswert von Stefan Laurin sinkt mit diesem Artikel auf einen neuen Tiefpunkt – aber was will man von einem Axel-Springer-Autor auch anderes erwarten, als ein Propaganda-Stück für den "Kapitalismus"?
@ Christian:
dann sag doch Du mal kurz, wo der Sozialismus in den Vergangenheit wirklich funktionert hat, und bitte: er müsste dann schon auch seine immer wieder behauptete Überlegenheit gezeigt haben. Bin da neugierig.
Der Sozialismus hat nur als bändigendes Gegengewicht eine gewisse Wirkung erzeugt.
Zum sozialen Ausgleich oder Stabilität hat er fast nichts beigetragen.
Der Siegeszug des Kapitalismus hat daher auch heftige Nachteile mit sich gebracht, vor allem weil die Sozialpolitik der 70ziger als Regulativ so stark versagt hat, das große Teile der bürgerlichen Mitte nur noch bereit sind minimales auskommen sozial zu akzeptieren.
Die soziale Beteiligung an sich, geht aber auf Unternehmer zurück, die ihrer Verantwortlichkeit nachkommen wollten.
Etwas das durch die Sozialpolitik mit ihrem Anspruchsdenken vielerorts vollständig zerstört wurde.
Die meisten modernen sozialen Verwerfungen sind fast alle Folge einer verfehlten und überzogenen Sozialpolitik / Umverteilungspolitik und Schulpolitik, sowohl in den USA wie auch bei uns.
Ich halte mal ein paar Beispiele (historisch und aktuell) dagegen. Die Staaten mit der höchsten Lebensqualität sind so gut wie alle Wohlfahrtsstaaten mit hohen Steuerqoten und einem starken sozialen Netz. Großbritannien hatte bis in die Achtziger einen vorbildlichen Sozialstaat und es herrschte in dieser Zeit mehr soziale Gleichheit (der National Health Service ist noch bis heute eine Institution, der Vorbildcharakter hat). Zahlreiche Länder haben bis in die Achtziger und Neunziger Jahre auf einen sozialistisch geprägten Kurs in der Wirtschaft gesetzt und sind damit gut gefahren: ob nun in Israel unter der Mapai, in den USA mit dem New Deal von F.D.R. oder Johnsons "War on Poverty", Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Schweden, etc.
Es ist auch eine ziemlich gewagte These, den steigenden Wohlstand in den letzten 200 Jahren auf den Kapitalismus zurückzuführen. Entfaltete sich dieser nicht bereits im späten Mittelalter? Dazwischen folgten also noch gute 300 Jahre, in denen unter anderem die Poor Laws in Großbritannien (inkl. Armenhäuser, Kinderarbeit, etc.) oder jene Zustände, die das Gedicht "Aufstand der schlesischen Weber" inspirierten, lagen. Der steigende Wohlstand kam erst mit der Einhegung des Kapitalismus durch – ha! – den Sozialismus, die Entwicklung der Wissenschaft (u.a. angeregt durch die staatliche (!) Royal Society in Großbritannien) und die Einbindung größerer Gesellschaftsschichten in den politischen Prozess (seit den englischen, amerikanischen und französischen Revolutionen), der die damaligen Propheten des freien Marktes wie Guizot eher skeptisch gegenüberstanden.
Der Autor macht es sich hier sehr einfach, indem er einen alten Taschenspielertrick aus der Totalitarismustheorie hervorkramt und Sozialismus mit Kommunismus gleichsetzt. In diesem Sinne hat es Saskia Esken klarer erkannt.
Dieter Bohlen ist übrigens deshalb so unbeliebt, weil er grottige Musik prodziert hat und mit medialer Dauerpräsenz nervt. Geld verdient haben auch The Beatles, Motown Records, David Bowie, Paul Oakenfold, Radiohead, Amy Winehouse, Beyoncé oder Billy Eilish, aber die haben's eben alle auch künstlerisch drauf.
#Christian
Essit keine Propagandastück für den Kapitalismus, nur eine berechtigte Auflistung warum der Kapitalismus selbst in seinen miesen Ausprägungen immer noch besser ist als Sozialismus.
Die Verweigerung dieser Erkenntnis kann man heute nur noch als ignorant bezeichnen, auch wenn das Loblied auf den Kapitalismus das heute viel anstimmen neben dem grundsätzlichen Vorteil nicht gerechtfertigt ist.
denn wir haben immer noch nicht gelernt denn Kapitalismus dort zu kontrollieren ,wo er dem gesellschaftlichen Interesse zuwiderläuft, auch wenn das heute besser funktioniert als vor 100 Jahren, so bleibt doch noch eine erheblicher Bedarf.
Nur kann der mit keinerlei sozialistischem Ansatz befriedigt werden.
Weil auch die ärmsten im Grunde genommen natürliche Kapitalisten sind.
Es geht also wie seit Jahrtausenden darum denn natürlichen Egoismus zu kontrollieren, ohne ihn als Antrieb auszuschalten.
Leider hat jede sozialistische Politik eben die Folge Schmarotzertum zu fördern. Und das gilt auch für die aktuelle betriebenen Umverteilungspolitik.
Dabei war das moralisch wünschenswerte noch nie das Grundproblem, sondern deren zu geringe Kompatibilität mit dem auf Dauer ökonomisch und gesellschaftlich Möglichen.
Das Einzige was wir erreicht haben ist eine bürgerliche Schicht umverteilt finanzierter Einkommen, deren einziger effektiver Beitrag zur gesellschaftlichen Wohlfahrt ihre persönliche gut situierte Situation ist.
Die aber den Unterprivilegierten nicht die Bohne nützt.
@sneaking_beauty: Keynsianismus ist kein Sozialismus. Bei allen Beispielen die Du genannt hast, gab es weiterhin Märkte und Privateigentum an Produktionsmitteln. Dort wurde nur sozialdemokratische Politik umgesetzt, kein sozialistische.
#4
Entscheidend ist aber, das sowohl in Großbritannien wie auch in Deutschland der Umschwung kam, weil dieser Sozialstaat nicht mehr finanzierbar war bzw. im Falle Deutschlands ist.
Wir in Deutschland waren geschickter die ungedeckten Schecks in die Zukunft zu vertagen, aber das Ende der Fahnenstange wird uns innerhalb eines Jahrzehnts einholen.
Angelsächsische Staaten glätten solche Veränderungen weniger und erholen sich deshalb auch häufig schneller, wenn ansonsten die Rahmenbedingungen stimmen.
Und es war nicht der Sozialismus, der den sozialen Ausgleich erfand, der Sozialismus sprang, genauso wie die Grünen, auf einen bereits intakten gesellschaftlichen Trend auf und instrumentalisierte ihn für eigene ideologische Zwecke.
Fast sämtliche sozialstaatlichen Errungenschaften in Europa gehen auf bürgerlich kapitalistische Initiativen zurück.
Allerdings hat die Bedrohung durch den Sozialismus deren Durchsetzung bei unwilligeren Zeitgenossen sicher beschleunigt.
Es ist zu dem nicht falsch Kommunismus und Sozialismus gleichzusetzen, weil beide am selben Denkfehler leider was die menschliche Natur angeht.
Wer enger mit der Zielgruppe sozialistischer wohltaten zu tun hat und die die Wirkungen entsprechende Maßnahmen zur Kenntnis genommen hat, verabschiedet sich sehr schnell von dieser Verführerischen ,aber letztlich untauglichen Ideologie.
das liegt daran, das Wettbewerb eine Naturgesetz ist, direkt der Evolution entsprungen.
Und niemand demonstriert das so anschaulich wie gerade die politischen Vertreter sozialistischer Ideologien selbst.
Seit 1848 Geisterstunde: Das Manifest von Murx&Engels beginnt mit: "… ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst (Gespinnst) des Kommunismus" 😉
Stefan, ich halte Keynesianismus mittlerweile für eine Variante des Sozialismus. Früher hatte ich da anders drüber gedacht. Aber zwei Sekretäre von Friedrich Engels, nämlich Karl Kautsky und Eduard Bernstein sind, nachdem sie vom damals siegreichen Lenin eingestampft worden.Und ihre Schriften von "echten" Marxiste-Leninisten sind nie mehr gelesen worden. Kautsky nicht, weil er gesagt hat, daß Sozialismus in einem rückständigen Land nicht möglich ist, und Bernstein, weil er an den demokratischen Übergang durch Reformen geglaubt hat. Den Weg Eduard Bernsteins (den Lenin revisionistisch genannt hat) ist die SPD gegangen, und ich habe mich nach dem Zusammenbruch der großen Sowjetunion gefragt, ob Kautsky nicht doch Recht behalten hat.
Die Kommunisten der DKPlesen und glauben Karl kautsky immer noch nicht, aber das ist ihr Problem, nicht meins. Du aber Stefan arbeitest dich von der anderen Seite an das Problem heran, und kommst zum gleichen Schluß wie die Genossen der DKP, denn für dich ist Sozialismus genauso die Sowjetunion, wie für sie.
Ist das nicht merkwürdig? Ich habe mich in relativ jungen Jahren, mitte 20, von dem Gedanken getrennt.
@sneaking_beauty (4) hat in mehreren Punkten durchaus Recht. Die Linke sollte unbedingt die theoretische Diskussion an dem Punkt anknüpfen an dem sie damals zerstört wurde, weil Lenin den Kautzky als "Renegat" rausgekegelt hat. Ich hab das für mich übrigens vor 20 Jahren gemacht, habe es aber nie diskutieren können, weil Freunde aus der DKP sofort abgewinkt hatten und solche Freunde wie du auch. Alle irgendwie artverwandt, trotz extrem unterschiedlicher Positionen.
Ob du dich damit beschäftigen willst, weiß ich nicht. Du liest ja recht viel. Aber wenn ich über Sozialismus rede, solltest du in deinem Hinterkopf behalten, daß ich Keynesianismus für den gangbaren Weg zum Sozialismus halte.
#9 Helmut Lange…
es geht nicht um Wege zu einem echten Sozialismus, weil der Weg egal ist, das Ergebnis am ende immer ähnlich.
Sozialismus setzt Menschen voraus, die es nicht gibt.
Wie eine soziale Besserverteilung mit oder jenseits des Kapitalismus aussehen könnte ist tatsächlich eine offene Frage.
Deren Beantwortung ausgeschlossen ist, solange vom Sozialismus weiter geträumt wird. Schlicht weil er das Veränderungspotential an der falschen Stelle konzentriert und immer wieder aufs neue die gleichen Rückschritte produziert.
Der Sozialismus ist wie das Schlaraffenland, es kann auch keine Zufriedenheit erzeugen, weil alles entwertet wird, wenn jeder alles hat.
Es ist kein konkreter sozialistischer Zustand definierbar, der diesen Effekt nicht hätte, wei les nicht der Natur des Menschen entspricht.
noch eine Ergänzung
Mit der sozialen Marktwirtschaft bis Anfang der 70ziger Jahre hatten wir das fortschrittlichste System sozialer Beteiligung weltweit.
Es ist gescheitert durch Masslosigkeit in allen gesellschaftlichen Gruppen besonders durch die Arbeiterschaft, die auch deshalb heue nur noch eine marginale politische Bedeutung hat.
Die Unvereinbarkeit der Teilhabeansprüche geht immer und ausschließlich letztlich zugunsten der Machtträger aus, das war im Staatskapitalimus im Ostblock so und gilt auch für die westlichen Systeme.
wenn man die USA betrachtet, so ist deren zügelloser Kapitalismus das, was die Gesellschaft Ort massiv spaltet und den Trumpismus hervorgebracht hat.
Bei uns ist die Zerstörung von der anderen Seite her angestossen worden, durch eine Überschätzung dessen, was umverteilt werden kann, ohne den ertrag als Ganzes zu gefährden.
Deshalb laufen wir aktuell Gefahr immer mehr in US Verhältnisse abzurutschen, die gesellschaftlichen Belastungen durch Migration beschleunigen sogar noch solche Entwicklungen.
Ich sage immer: Mielke und Erich haben bis zur Wende gute Arbeit geleistet. Sie waren in der richtigen Annahme, dass Sozialismus keine Opposition duldet, dass eigenes Denken gefährlich ist und kontrolliert gehört. Nur so konnten sie den Sozialismus in der DDR 40 Jahre erhalten!
"Sozialismus setzt Menschen voraus, die es nicht gibt."
D'rum haben auch Sozialisten fortlaufend versucht, den Menschen zu formen.
Wo es mit dem Formen nicht funktionierte, kam die Kontrolle. Wo Kontrolle nicht reichte, die Repression. Den Sozialisten, die sich gern mit vermeintlichen Haupt- und Nebenwidersprüchen des Kapitalismus befassten, waren die eigenen Widersprüche implizit also wohl bewusst. Es war der Stachel im Fleisch der Ideologie. Auch ihnen gelang kein richtiges Leben im Falschen.
Die postmodernen/postmaterialistischen Entwickungen der Linken sind so gesehen nur (um mal ein aktuelles Wort zu gebrauchen) "Fluchtmutationen". Da es mit Arbeitern und Bauern und auch dem materiellen Ausgleich nicht so richtig klappte, suchte man sich bald neue Hoffnungsträger (Migranten, Queer-Communities, etc.), welche für die Rettung der Idee vorwiegend ungefragt in die Bresche springen sollten. Es sind also symbolische Ersatzhandlungen und Stellvertreterkriege; Als Ersatz für die gescheiterte Befreiung der Arbeiterklasse gibt man sich nun auch mit einer Gendertoilette zufrieden.
"Der Mensch an sich ist gut, nur de Leut san schlecht." So ungefähr Karl Valentin. Deshalb wird das nie was werde mit dem Sozialismus.
https://www.ruhrbarone.de/eh-du-marxist-wirst-werde-erst-mal-ein-mensch-ein-plaedoyer-fuer-den-individualismus/104049
@ #6 Stefan Laurin: Märkte gab es auch in der DDR, in der Sowjetunion und vermutlich sogar in Nordkorea (auch wenn mir da Augenzeugenberichte fehlen). Sie werden wohl keine Gesellschaften finden, in denen es das nicht gab. Demnach taugt das als Kriterium hier nicht viel.
Sozialismus ist ein weit gefasster Begriff und tauchte lange, lange vor der Geburt Lenins auf. Da könnte man mindestens zu Winstanley in die Zeit des englischen Bürgerkriegs zurückgehen. In der französischen Revolution gab es Babeuf, im 18. und 19. Jahrhundert utopische Sozialisten wie Fourier und Owen, aber auch praxisorientierte Bewegungen wie die Chartisten. Schauen Sie mal in verschiedenste Bücher aus dem 19. Jahrhundert: Da war das ein ganz gebräuchlicher Begriff und man dachte dabei nicht an Gulags (die Vorläufer der Gulags gab es hingegen im zaristischen Russland!). Helmut Junge hat richtigerweise auch auf die verschiedenen Strömungen in der deutschsprachigen Sozialdemokratie nach Marx hingewiesen. Ich halte es für verbissen ideologisch, wenn man dies alles ausblendet, nur um dem politischen Gegner eins mitzugeben.
#7 Bertold Grabe: Auch wenn das heute gerne so gesehen wird, war der Neoliberalismus der Siebziger und Achtziger nicht unvermeidbar. Dass sozialstaatlichen Errungenschaften auf bürgerlich kapitalistische Initiativen zurück gehen, ist schlichtweg falsch. Ohne Initiativen seitens der Arbeitsbeweungen wäre da nichts passiert.
Was nun Ihre Sichtweise zur "menschlichen Natur" angeht, tragen Sie selbst viel mehr totalitäres Gedankengut in sich als sämtliche Sozialisten. Wo ist in Ihrem Weltbild Platz für Dinge wie Solidarität, Altruismus, Hilfsbereitschaft oder einfach nur Moral? All diese Dinge wurden den Menschen nicht von bösen Parteien aufgepfropft, sondern sie waren immer da. Wettbewerb ist kein Naturgesetz (das haut ja nicht mal im Tierreich richtig hin), das behaupteten verirrte Ideologen wie Herbert Spencer, die Darwin falsch interpretierten. Es gibt sehr viele Menschen, die sich aus verschiedensten Gründen – es könnte mit der körperlichen Verfasstheit, aber auch mit einer anderen Prioritätenliste im Lebensstil zu tun haben – dem Wettbewerbsmuster widersetzen. Ihre Denkweise offenbart, wohin dieser zu Ende gedachte Marktliberalismus führt, entmenschlicht er doch all jene Gruppen, die dieses Spiel nicht mitmachen können oder wollen.
"Und es war nicht der Sozialismus, der den sozialen Ausgleich erfand, der Sozialismus sprang, genauso wie die Grünen, auf einen bereits intakten gesellschaftlichen Trend auf und instrumentalisierte ihn für eigene ideologische Zwecke."
Ist das nicht die gängige Praxis in der Politik? Erst gibt es die Basisbewegungen, dann formieren sich auf deren Grundlage Parteien. In beiden Fällen war es nicht so, dass böse Parteien von oben kamen, vielmehr entwickelten sich die Parteien aus den Bewegungen heraus.
@#13 Psychologe : Da sind ja alle unsinnigen Phrasen aus den letzten 50 Jahren dabei, Respekt! Zum "formbaren Menschen" siehe oben die Antwort an Berthold Grabe. Ansonsten empfehle ich nochmal einen Blick ins Lexikon zu Postmaterialismus und Postmodernismus (nein, Breitbart-Artikel oder Jordan Peterson-Videos dazu reichen nicht aus).
Der Kapitalismus wurde im Prinzip auch noch nie richtig umgesetzt, ansonsten ist er tatsächlich gar nicht so schlecht. Eigentlich ist der Kern simpel, denn es gibt nur 2 Merkmale:
* Privatbesitz
* Es gibt einen Markt, auf dem alles seinen Preis hat.
Und gerade letzteres ist das Problem. Hätte es schon vor Jahren einen Preis für CO2 gegeben, wären wir wahrscheinlich schon längst klimaneutral. Gab es allerdings nicht, das ist aber eher Politikversagen. Man könnte z.B. auch Fleisch oder generell Lebensmittel mit Sonderabgaben belegen, die steigen, je mieser die Bedingungen in der Herstellung waren (Bio: +0, Folterhähnchen: richtig teuer!) und auch das Problem wäre schon längst gelöst. Leider gibt es den nicht und daher kaufen alle halt das billige Billigfleisch. Kann man immer so weiter fortsetzen, aber letztendlich war es nicht der Kapitalismus, sondern sein Fehlen bzw. das Fehlen eines realistischen Preises, auch für die negativen Auswirkungen, die man bisher einfach so auf die Allgemeinheit abladen durfte.
#16
Ich habe nicht behauptet, das der Neoliberalismus der 80ziger Jahre unvermeidbar gewesen wäre.
er war nur das einzig verfügbare Konzept, das übrig blieb um die vorhersehbare Schieflage in den Griff zu bekommen.
Die damalige SPD blockierte jede Veränderung die die Ausgaben und Privilegien für ihre klienetl betraf.
Erst mit Gerhard Schröder schwenkte sie um, schützte ihre Kernwählerschaft unter den Anbietern und gab den Rest dem Kapitalismus frei, so das der größte Niedriglohnsektor Europas entstand, (Schröders eigenen Worte)
Dagegen waren die Kohl´schen Reformversuche harmlos.
Was den Neoliberalismus tatsächlich nicht verhinderbar gemacht hat, war wahrscheinlich die Unmöglichkeit Reformen durchzusetzen, die das Schaffen soziale und materieller Besitzstände verändert hätten, und dafür wäre für eine andere Politik nötig gewesen, die nie durchsetzbar gewesen wäre, weil eine Mehrheit sich hätte verändern müssen, ohne das diese überhaupt die Notwendigkeit dafür akzeptieren konnte.
@16
Was mit Dingen ist wie Altruismus etc.?
Sie irren wenn sie mir totalitäre Vorstellungen unterstellen. Ich bin nur Realist genug, das solche Beweggründe nicht die Welt bestimmen, es kommt schon mal vor das solche Bewegründe Deckungsgleich mit den vielen verschiedenen Egoismen sind und eine Massenbewegung in Gang setzen.
Aber Altruismus selbst ist nicht gleich Altruismus, jeder versteht was anderes darunter, jeder hält andere hehre Ziele für bedeutender als man selbst. Besonders in Gesellschaften die auf individualismus setzen.
Und Moral? Moral ist eine Konvention! sie ist eine kulturabhängige Interpretation wie Ethik praktisch gelebt werden soll, gut zu sehen am Kopftuch.
Wer Moral ins Felde führt irrt immer, was nicht bedeutet, das man selbst keine Moral haben sollte. Aber sie ist nicht übertragbar und nicht per se im Recht.
Was die Gängigkeit der Übernahme gesellschaflticher Strömungen in die Konzepte einer Ideologie/ Partei angeht, so ist das tatsächlich normal.
Nur bedeutet das nicht, das diese Ideologie oder Partei damit das richtige tut.
Denn die Ideologie gibt solchen Entwicklungen eine Richtung, die mit dem Zweck der Bewegung nicht unbedingt noch viel zu tun hat.
Man muss sich also fragen ob die Instrumentalisierung einer Bewegung zu anderen Zielen möglichweise bedeutender ist ,als der ursprüngliche Zweck selbst.
Umweltschutz ist weder rechts noch links, aber die Parteien dazu sind links.
@Bertold Grabe, "Aber Altruismus selbst ist nicht gleich Altruismus, jeder versteht was anderes darunter"
So wie @sneaking_beauty das Wort "Altruismus" benutzt, heißt es schlicht "uneigennützigkeit".
Etwas anderes verstehe ich nicht darunter. Ein Handeln ist "uneigennützig", oder ist es nicht.
Das könnte man im Einzelfall untersuchen. Wenn es letztlich doch auf einen Gewinn ausgerichtet ist, verdient es die Bezeichnung nicht.
Dann ist es spitzfindig von Ihnen, wenn sie die Definition des Begriffs schon drehen.
Das Wort Moral dagegen ist kulturabhängig. Aber das greifen Sie ja nicht an.
Den Sozialismus lieben nur diejenigen, die das Glück hatten ihn nicht am eigenen Leib erfahren zu müssen.
Die Verachtung der Sozialisten für die Menschen brachte der Maximo Lider (Gröfaz auf sozialistisch) auf den Punkt:" Unsere Huren haben wenigstens Hochschulabschluß…"
Da werden die Kader zu Luden für die kapitalistischen Devisen.
@ DAVBUB
wozu brauchst du Vorbilder? du bist dein eigener Gröfaz!
@sneaking_beauty,, "Sozialismus ist ein weit gefasster Begriff und tauchte lange, lange vor der Geburt Lenins auf. "
So ist es, und sogar die heutige SPD hat den Sozialismus noch in ihrem Programm.
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Grundsatzprogramme/hamburger_programm.pdf
Aber dennoch halten sowohl die Kommunisten der DKP und ihre schärfsten bürgerlichen Gegner, das stalinsche System, das sich selber auch als "Sozialistisch" bezeichnet hat, als DEN Sozialismus.
Beide Gruppierungen halten sogar gerne daran fest. Merkwürdig, nicht?
Ich tue das nicht. Für mich war das genau kein Sozialismus.
Und das will auch niemand zurück haben. Nicht mal die DKP.
Das Projekt Stalins hat sich selber erledigt. Was tot ist, kommt auch nicht wieder.
Immerhin scheint das Thema,was Sozialismus überhaupt sein soll, noch nicht ausdiskutiert. Das ist der Grund, warum ich mich überhaupt darum kümmere, die alten Diskussionen unter den Sozialisten herauszusuchen , und nach Jahrzehnten erneut durchzulesen. (Erst mal im Keller suchen) Das wird ein wenig dauern, weil es für mich keinen Zeitdruck geben kann. Alter Schnee eben. Nur der historischen Einordnung wegen. Wir haben in unseren Tagen genügend Probleme, die wir lösen müssen. Und das muß schnell geschehen.
#20
Uneigennützigkeit gegenüber wem oder was? Uneigennützigkeit ist wie gut gemeint aber nicht zwingend gut.
Und ich spreche Sozialisten durchaus Uneigennützigkeit zu aber in dem Sinne es ist gut gemeint.
Ein Soldat, der sich für seine Vaterland opfert handelt uneigennützig, was aber kaum ein Pazifist für gut befinden würde.
Und vor dem Hintergrund unserer Geschichte war das auch nicht immer richtig, aber eben auch nicht immer falsch.
Und nicht jede Handlung die ich selbst in gutem Glauben aus Uneigennützigkeit tue, ist am Ende völlig uneigennützig, sie befördert zumindest meine persönliche Vorstellung von Gemeinnutzen, der am Ende im Extremfall weder richtig noch tatsächlich uneigennützig sein muss.
Eine Motivlage sagt eben nichts über Richtigkeit und Zielführung aus.
Aber bedeutender ist, das Altruismus sehr schnell an existentiellen, und egoistischen Motiven oder schlicht irrigen Vorstellungen zerschellen, die sich auch gut altruistisch verkaufen lassen, manchmal sogar plausibel erscheinen.
In einer Individaulgesellschaft konkurieren unendlich viele selbstgemachte Vorstellungen von dem was richtig ist und die wenigsten halten einer komplexeren Prüfung stand.
Der Sozialismus gehört zu den besseren Modellen, die erst durch Erfahrung aber nicht theoretisch intellektuell hinsichtlich ihrer untauglichkeit entlarvt wurden.
Nichts desto trotz finden sie schon auf simpler Vereinsebene so viele gegenläufig sich ausschließenden altruistisch motivierte Konzepte, das man schier daran verwzeiifeln könnte.
Der nationale Sozialismus war so etwas, wie die Delta-Variante eines mentalen Virus 😉
@25, Sie sollten sich die Kommentare, auf die Sie antworten wollen, vorher richtig durchlesen. Das tun Sie nämlich meist nicht. Wir könnten dann in unserern Diskussionen wg. der Zeitersparnis, deutlich tiefer gehen.
Ich schrieb es bereits: Uneigennutz der nützlich ist, ist kein Uneigennutz. Sie werden viele Beispiele dafür finden, daß sich scheinbar uneigenützliches Handeln später doch als guter Pokereinsatz herausstellt. Allerdings wenn Sie denken, daß alle uneigennützliche Handlungen in Erwartung großer späterer Belohnung durchgeführt werden, liegen wir in unserem Menschenbild sehr weit auseinander.
Googeln Sie mal das Stichwort "uneigennützige Tiere", wenn Sie bei menschlichem Verhalten mißtrauisch sind.
Und Sie könnten der Höflichkeit wegen Ihre Diskussionspartner mit deren Namen, bzw. gewählten Nicknamen ansprechen. Solche Schnitzeljagden wg falscher Nemerierungen, bzw. Namen kosten auch Zeit. Falls das aus Absicht geschieht, ist es unhöflich, und ich möchte nicht wissen, auf welchen Niveau unsere Diskurse landen, wenn sich das allgemein durchsetzt.
Falls Sie Schopenhauers eristischer Dialektik folgen wollen, fände ich es schade und Zeitverschwendung.
@abrxasrgb, der nationle Sozialismus war schlimmer als die Delta-Variante. Relativier den bitte nicht.
[…] ihm das übliche Gedankenkartell aus Judith Butler, Achille Mbembe, Dirk Moses, Michael Rothberg, Noam Chomsky, Angela Davis, Roger Waters, Ken Loach, Norman Paech, neu dabei die verhinderte Documenta-Talkerin […]