Schreckensnachricht aus Großbritannien: In Süd-England ist eine Mutation des Corona-Virus aufgetreten, die um 70% ansteckender ist als das bisherige Virus. Experten schätzen, dass der Reproduktions-Wert der neuen Variante um 0,4 Punkte höher liegt. Das klingt nach wenig. Tatsächlich aber könnte dies zu einer Explosion der Corona-Fallzahlen führen. Was steht uns im neuen Jahr ins Haus?
Viren mutieren
Viren verändern ihr Erbgut in relativ rascher Folge. Das können rein zufällige Kopierfehler bei der Weitergabe des Erbgutes oder Reaktionen auf die Immunantwort ihrer Wirtszellen sein. Das Sars-CoV-2-Virus hat wahrscheinlich schon rund 4.000 Mal mutiert, schätzen Wissenschaftler. Die meisten Mutationen haben jedoch keine besondere Auswirkung auf die Ausbreitung des Virus.
Mutation VUI-202012/01
Das könnte sich nun drastisch ändern. Forscher haben in Südengland eine Variante von Sars-Cov-2 entdeckt, die möglicherweise für die weitere Entwicklung der Pandemie sehr wichtig sein kann – und zwar in negativem Sinne für uns Menschen. Sie haben sie VUI-202012/01 getauft als Abkürzung für „First Variant Under Investigation in December 2020“.
70% ansteckender
Die Wissenschaftler vermuten, dass diese neue Mutation um 70 Prozent ansteckender ist als die bisherigen Sars-Cov-2-Varianten. Die Reproduktionszahl (R-Wert) könnte um 0,4 Punkt höher liegen als bisher. Sollte dies zutreffen, so ist mit deutlich höheren Corona-Zahlen zu rechnen als bisher vermutet. Die Pandemie könnte sich viel dramatischer entwickeln als wir es uns derzeit denken.
Covid-19-Simulationsmodell
Um abzuschätzen, wie sich die Zahlen entwickeln könnten, wenn die neue Corona-Mutation auch bei uns grassieren sollte, ziehen wir hier das Covid-19-Simulationsmodell der Universität des Saarlandes zu Rate. Das ist ein komplexes mathematisches Modell zur Kurzfrist-Prognose. Es hat bislang Vorhersagen getroffen, die die tatsächliche Entwicklung recht gut abgebildet haben.
Verschiedene Szenarien online durchspielen
Mit Hilfe dieses Simulationsmodells kann man unterschiedliche Szenarien online durchspielen. So kann man unter anderem den R-Wert variieren, um zu sehen, wie sich die Prognose verändert. Genau das tun wir und lassen das Modell mit einem um 0,4 Punkte erhöhten R-Wert rechnen.
Voreingestellt ist das Modell derzeit auf einen R-Wert von 1,17 – dies entspricht der aktuellen Schätzung der Saarländer Wissenschaftler. Diese weicht aufgrund seiner Berechnungsmethode von der Schätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) ab, die aktuell bei 1,06 liegt. Kurz zur Erinnerung: Ein R-Wert von 1,17 bedeutet, dass 100 Infizierte im Durchschnitt 117 Menschen neu anstecken. Erst bei einem R-Wert kleiner 1,0 gehen die Infektionszahlen zurück.
Szenario ohne Corona-Mutation
Graphik 1 zeigt die wahrscheinliche Entwicklung vom 20. Dezember 2020 bis zum 31. Januar 2021 mit dem derzeitigen R-Wert von 1,17. Die Gesamtzahl der seit Pandemiebeginn gemeldeten Corona-Fälle könnte von knapp 1,5 auf 3,3 Millionen steigen und die der Gesundeten von 1,1 auf 2,5 Millionen. Die Zahl der Corona-Toten könnte sich von derzeit 31.000 auf 65.000 bis Ende Januar erhöhen.
Szenario mit Corona-Mutation
Um den Fall zu simulieren, dass die in Großbritannien entdeckte Sars-Cov-2-Mutation auch in Deutschland flächendeckend Fuß fasst, erhöhen wir nun den aktuellen R-Wert von 1,17 auf 1,57 und lassen das Modell die Entwicklung wieder bis Ende Januar simulieren.
Graphik 2 zeigt das prognostizierte Ergebnis: Die Fallzahlen könnten auf 10,7 Millionen steigen und lägen damit um mehr als das Dreifache über dem Szenario ohne VUI-202012/01-Mutation. Die Zahl der insgesamt Gesundeten läge bei 5,3 Millionen. Und die Todesfälle könnten sich auf 130.000 erhöhen, dem Doppelten der im Szenario ohne Mutation befürchteten Zahl.
Blick nach Südengland
Ein Blick in den Süden Großbritanniens, wo die Mutation VUI-202012/01 aufgetaucht ist, zeigt wie verheerend die Entwicklung ist. Seit ungefähr 14 Tagen ist dort eine exponentielle Zunahme der Corona-Fälle zu beobachten. In der besonders betroffenen Stadt London verdoppeln sich die bestätigten Fälle alle sieben Tage, siehe Graphik 3:
Wie weiter?
Wenn man sich die englischen Zahlen und die Prognose-Zahlen mit Corona-Mutation anschaut, wird einem angst und bange. Es ist natürlich nicht gesagt, dass es bei uns so kommen wird. Die Ergebnisse der Saarländer Simulation sind zunächst Prognosen, mehr nicht. Ob es wirklich so kommen wird, ist derzeit sehr offen. Allerdings haben wir uns auch die heute bei uns bestätigen Zahlen noch vor wenigen Wochen nicht vorstellen können und wollen. Und trotzdem sind sie traurige Realität geworden.
Online COVID-19 Simulator CoSim
So. Jetzt isses soweit. Die Panikmache ist unerträglich geworden. Das Netz wird nur noch eingeschaltet, wenn es um das Notwendigste geht. Also, wann macht was, wann wieder auf oder zu. Und wo kann ich mich wie, wann impfen lassen. Schluss jetzt.
Vielleicht doch endlich die Grenzen dichtmachen und nur noch Warenverkehr ins Land lassen? Handydaten nutzen? Asien macht es vor.
Wenn es je ein Argument für Grenzschliessungen und Reiseverbote gab, dann jetzt. Denn auch wenn solche Maßnahmen die Ausbreitung der neuen Mutation bestenfalls um ein paar Monate verzögeren, wäre damit doch Entscheidendes erreicht, nämlich, daß die Mutation sich in diesem Winter nicht mehr bei uns ausbreitet. Und bis zum nächsten Winter haben wir hoffentlich genug Geimpfte, um ein Wiederaufflammen der Pandemie zu verhindern.