Am 6.4. spielen LAIBACH in der Christuskirche in Bochum. Es ist zum ersten Mal seit vielen Jahren, dass die slowenische Band im Ruhrgebiet wieder an einem adäquaten Ort auftritt. Warum eine Kirche, zumal am Platz des europäischen Versprechens, der ideale Ort für einen Auftritt der wichtigsten Band der Welt ist, wurde bereits an anderer Stelle erläutert. An der gleichen Stelle übrigens, an der die Slowenen feststellten: „Laibach würden enttäuschen, wenn sie nicht enttäuschen würden und das sollten unsere Fans langsam gelernt haben.“ Halten wir uns also an dieses Credo und schreiben hier einmal einen Text zu LAIBACH, der ganz ohne Überidentifikation, Slavoj Žižek, Ideologie und sogar ohne Nordkorea auskommt. Lassen wir einfach „Tako je govoril Zaratustra“, Milo Rau, „Iron Sky“, Sebastian Baumgarten, „The Sound Of Music“, Peter Zadek und Edvard Grieg beiseite und besuchen die Heimat der Band.
Wir fahren also nach…nein, nicht nach Ljubljana, der Hauptstadt Sloweniens, deren deutscher Name Laibach ist, sondern von dort tief in die Zasavska, immer den Fluß Save entlang, dem der Dichter France Prešeren mit dem Gedicht „Die Taufe in der Save“ ein Denkmal setzte und zugleich damit Slowenien ein Nationalepos schuf. Eines, das wiederum Ausgangspunkt für das wichtigste Bühnenwerk der Neuen Slowenischen Kunst und LAIBACHS „Krst pod Triglavom“ war. Am Bahnhof von Trbovlje fließt die Save tief eingeschnitten zwischen Bahngleisen und Autostraße in einem schmalen Tal.
Wer hier aus dem Zug steigt, sieht zunächst nichts außer einer Zementfabrik. Eine Ansicht, die LAIBACH schon sehr früh zu einem ikonischen Bild verarbeiteten. In dem Zyklus „Rdeči revirj“, den der slowenische Maler Janez Knez für LAIBACHkunst schuf, findet sich auch ein Bild dieser Zementfabrik. Janez Knez ist der Vater von Dejan Knez, einem der Mitbegründer LAIBACHS, der heute überwiegend in dem Seitenprojekt 300000 VK arbeitet. Die Motive des Bilderzyklus zeigen alle wichtige Orte in Trbovlje und sind heute noch als wiederaufgelegte Linolschnitte zu erwerben. Dass LAIBACH bei diesem frühen Kunstprojekt ausgerechnet mit Janez Knez zusammenarbeiteten, ist weit mehr als nur ein familiärer Zufall, sondern gehört zur Strategie der Band, der es auch immer um die Schaffung einer slowenischen kulturellen Identität ging. Der 1931 geborene Janez Knez, der 1980, im Gründungsjahr von LAIBACH, bereits ein arrivierter Künstler war und sich durch verschiedene Stile gearbeitet hatte, war mit seiner handwerklich perfekten und traditionell geschulten Technik ideal, um Inkunabeln der slowenischen Kunsttradition zu repetieren, sowie neue zu schaffen. Motive wie der Sämann, die Kaffeetrinkerin und der kleine Trommler wurden in dieser frühen Zeit zu Ikonen der Laibach-Bildsprache und gleichfalls zurückgeholt in ein nationales slowenisches Kulturgedächtnis.
Trbovlje ist keine Stadt, die mit touristischen Highlights wuchert. Letztlich ist sie eine Bergarbeiterstadt, die sich rund um zwei historische Kirchen ausbreitet und vor allem den Charme des vorsichhingammelden Sozialismus verströmt. Dennoch gibt es drei außerordentliche Sehenswürdigkeiten. Zunächst ist da eine Flussbiegung vom Bahnhof entfernt der mit 380 Metern höchste Schornstein Europas. Er gehört zu einem mittlerweile stillgelegten Heizkraftwerk. Zur Zeit ist das Kraftwerk noch zu ausgewählten Zeiten mit Führungen zu besichtigen. Die Zukunft des Industriedenkmals ist allerdings ungewiss. Trbovlje setzt zwar, dem Ruhrgebiet gar nicht unähnlich, seit einiger Zeit stark auf Industriekultur als Tourismusargument, die Lage der Stadt abseits der üblichen touristischen Routen macht den Erfolg dieses Konzeptes jedoch fraglich. Naheliegender ist da wohl eher der Besuch des höchsten Berges im Save-Gebirge. Der Berg Kum ist LAIBACH-Fans aus zahlreichen frühen Videos und Filmen der Band gut vertraut. Auf seinem Gipfel befinden sich in unmittelbarer Nähe zueinander eine Kirche und ein Sendemast in typisch sozialistischem Design. Dieses Spannungsverhältnis machte wohl auch die Kulisse für LAIBACH so reizvoll, dass sie eigentlich zum 30jährigen Jubiläum dort das für das Leipziger Bachfest realisierte Projekt LAIBACHKUNSTDERFUGE aufführen wollten, was dann leider aufgrund des Wetters abgesagt werden musste.
Anlässlich dieses Jubiläums fand 2010 ein Kongress, ein Konzert und eine Ausstellung in Trbovlje statt. Austragungsort war ein weiteres Motiv aus dem „Rdeči revirj“-Zyklus, der Delavski Dom. Das Arbeiterhaus im Zentrum von Trbovlje ist heute ein Kulturzentrum und ein architektonisches Kleinod von überragender Bedeutung. 1956 bauten Marko Župančič und Oton Gaspari den Delavski Dom, den Detailverliebtheit bis hin zu Geländern, dekorativem Marmorboden und eigens gestalteten Standaschenbechern zu einem herausragenden Beispiel der Gestaltungskraft der Architektur der 1950er Jahre macht. Es mag auch der eher schwierigen wirtschaftlichen Lage Jugoslawiens zu verdanken sein, dass der Bau auch in Details bis heute original erhalten ist.
LAIBACH haben ihr organisatorisches Zentrum längst nach Ljubljana verlegt – genauso übrigens wie das ebenfalls aus Trbovlje stammende international bedeutende Tanztheater En Knap – dennoch stellt die Stadt noch immer ein ideelles Zentrum für die Band dar, was sich auch darin zeigt, dass LAIBACH zu wichtigen Daten stets dorthin zurückkehren. Auch aus der Weigerung der Band, sich selbst als Künstler zu sehen, spricht noch immer ein Selbstverständnis, das auf der Herkunft aus einer Arbeiterstadt fußt.
Und jetzt soll niemand enttäuscht sein, wenn es am 6.4. in der Christuskirche gar keinen Industrial zu hören gibt oder keinen Elektropop, wenn Botschaften ganz direkt gepredigt werden oder vielleicht doch alles ganz anders gemeint ist, wenn Mina Špiler niemals lächelt oder doch plötzlich ganz freundlich ins Publikum schaut – zumindest wisst ihr jetzt wo das alles her kommt: Aus Trbovlje.
LAIBACH, 6.4., 20 Uhr, Christuskirche, Bochum, 30 Euro, www.christuskirche-bochum.de